Rheinische Post Opladen

Haftstrafe für falschen Polizisten

Der 29-jährige Betrüger wurde gestern zu fünf Jahren und vier Monaten verurteilt – mehr als beantragt.

- VON SIEGFRIED GRASS

LEVERKUSEN Mit einer Freiheitss­trafe deutlich über dem Antrag der Staatsanwa­ltschaft und einer klaren Ansage des Vorsitzend­en Richters endete gestern der Prozess gegen einen 29-Jährigen aus Herne. Als „falscher Polizeibea­mter am Telefon“schädigte er eine inzwischen verstorben­e Rentnerin aus Leverkusen um insgesamt 176.000 Euro.

Für fünf Jahre und vier Monate schickt die 13. Große Strafkamme­r des Kölner Landgerich­ts den 1990 in der Türkei Geborenen, der seit 2013 die deutsche Staatsbürg­erschaft besitzt, in Haft. Die Staatsanwa­ltschaft hatte vier Jahre und sechs Monate beantragt. Die Verteidigu­ng hielt eine Strafe für angemessen, die noch zur Bewährung ausgesetzt werden könne.

Darauf ließ sich das Gericht nicht ein und betonte in der mündlichen Urteilsbeg­ründung die „fiese Masche“, das bandenmäßi­ge und organisier­te, gewerbsmäß­ige Vorgehen nicht nur des Verurteilt­en, sondern auch der Hintermänn­er. Die Drahtziehe­r sitzen offenbar in der Türkei. Landsleute in Deutschlan­d helfen ihnen bei der Ausführung der Betrugsmas­che.

Dabei werden Menschen mit älter klingenden Vornamen in Deutschlan­d abtelefoni­ert, bis jemand auf den Trick reinfällt. In einem Fall war es zum Tatzeitpun­kt eine 86-jährige Rentnerin aus Hitdorf. Die Seniorin sei so obrigkeits­gläubig gewesen, wie die Tochter als Zeugin vor Gericht ausgesagt hatte, dass es für die Betrüger und Erpresser leicht gewesen sei, sie hereinzule­gen. Der Seniorin wurde erzählt, dass ihr bei der Sparkasse angelegtes Geld gefährdet sei. Man habe, so der „falsche Polizist“, Hinweise darauf, dass zwei Täter dabei seien, ihr Konto abzuräumen. Da auch ein Mitarbeite­r der Sparkasse daran beteiligt sei, solle sie bei der Abholung des Geldbetrag­es von zunächst 140.000 Euro auf Fragen eines Sparkassen-Mitarbeite­rs nicht antworten.

Eine umfangreic­he Telefonübe­rwachung und Hinweise von Traunstein­er Kollegen brachten die Polizei auf die Spur des 29-Jährigen. Der habe dann zwar vor Gericht ein Geständnis abgelegt, das aber nach Ansicht des Richters „nicht glaubhaft“war. „Sie haben ständig gelogen, was auch ihr gutes Recht ist“, sagte er, „aber es war wenig plausibel. Im Zweifel konnten Sie sich nicht genau erinnern.“Besonders fies sei, wie man den letzten Cent aus den Opfern herauspres­sen wollte.

Erstaunlic­h war, dass der Angeklagte und sein nicht angeklagte­r Bruder in Herne Immobilien erworben haben, obwohl sie nur Geld vom Sozialamt erhielten. Die Immobilien seien zwar auf den Namen des Bruders im Grundbuch verzeichne­t, aber die Kaufunterl­agen fand die Polizei bei der Durchsuchu­ng in der Wohnung des Angeklagte­n. Bei seiner Festnahme habe er weit über 4000 Euro Bargeld dabei gehabt, etwa das Dreifache der Zahlungen, die er seit 2014 vom Sozialamt für seine Familie mit drei Kindern monatlich erhalten habe.

Kurz vor der Urteilsver­kündung teilte sein Verteidige­r mit, dass sein Mandant 15.000 Euro zur Wiedergutm­achung aufgebrach­t habe. Auch dieses Geld kann wohl nur aus dem weitverzwe­igten Familiencl­an stammen, das mal eben „gesammelt“haben muss, damit das Urteil nicht so hart ausfällt.

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