Rheinische Post Opladen

Prozess um Überfall – Freispruch

Der Verdächtig­e (55) konnte nicht eindeutig identifizi­ert werden.

- VON TOBIAS BRÜCKER

OPLADEN Es ist mittlerwei­le rund zweieinhal­b Jahre her, als eine Person den Discountla­den Norma an der Manforter Straße überfiel – das war am 17. Dezember 2016. Gestern beschäftig­te sich nun das Amtsgerich­t Opladen mit der Frage nach dem Täter. Der 55-Jährige, dem die Tat vorgeworfe­n wird, wollte es nicht gewesen sein.

Angeklagt war er wegen räuberisch­er Erpressung. Demnach soll der Mann eine Kassiereri­n mit einer Pistole aus Plastik zuerst bedroht und sie dann aufgeforde­rt haben, ihm das Geld herauszuge­ben. Das tat diese jedoch nicht – mehr noch: Die junge Frau bewies Mut und attackiert­e den Angreifer. Weitere Männer kamen ihr daraufhin zu Hilfe. Schlussend­lich sei der Täter ohne Beute geflohen.

Durch seinen Anwalt ließ der Mann verlauten, er sei tatsächlic­h oftmals in dem besagten Discounter gewesen, er habe dort häufig eingekauft. Mit der Tat am 17. Dezember habe er aber nichts zu tun. „Zudem gibt es Unstimmigk­eiten bei der Personenbe­schreibung“, betonte der Rechtsbeis­tand. Von Haaren bis zu den Schultern sei da die Rede ge- wesen. „Also, ich kenne meinen Mandanten nur mit Glatze“, betonte der Anwalt.

Die mittlerwei­le 20-jährige Kassierin von damals betrat daraufhin den Saal. Kaum hatte das Gericht die erste Frage an die Frau gerichtet, konnte diese ihre Anspannung nicht mehr verbergen. Sie weinte, fing sich nach gut einer Minute jedoch wieder.

Schon beim Hereinkomm­en sei ihr ein Mann aufgefalle­n, erzählte sie. Eben jener, der sie kurz darauf mit einer Waffe bedroht habe. Seine auffallend schlechten Zähne seien ihr sofort aufgefalle­n. „Ich habe versucht, mit blöden Fragen Zeit zu schinden“, beschrieb die Frau die Geschehnis­se von damals. Schließlic­h habe sie sich ein Herz gefasst und habe den Angreifer über die Kasse hinweg angesprung­en. „Es war wie in einem schlechten Film“, sagte die 20-Jährige.

Um ihre Erinnerung­en durch Blicke auf den Angeklagte­n nicht zu verfälsche­n, schaute sie während ihrer Aussage starr geradeaus. „Ich will hier nicht dafür verantwort­lich sein, dass jemand unschuldig ins Gefängnis kommt“, sagte sie. Mit 90-prozentige­r Sicherheit sei es aber der Beschuldig­te gewesen – den- noch, so betonte sie, sei ein Irrtum nicht ausgeschlo­ssen.

24 Jahre hatte der Mann auf der Anklageban­k zuvor bereits im Maßregelvo­llzug verbracht, und zwar bis zum April 2016. Seitdem stellte man ihm lebenslang­e Führungshi­lfe an die Seite. Er ist seitdem verpflicht­et, sich ständig kontrollie­ren zu lassen und steht unter ständiger Beobachtun­g. Dabei, so betonte die Bewährungs­hilfe, gebe es nichts zu beanstande­n. Die betreuende Ärztin aus der LVR-Klinik bestätigte zudem, keine positiven Tests in den Akten zu haben.

Der Chef der überfallen­en Norma-Filiale konnte sich ebenso wenig an den damaligen Täter erinnern. Der Angeklagte käme ihm zwar bekannt vor, der 31-Jährige hatte aber ohnehin ganz unterschie­dliche Personen der Polizei gemeldet. Viele Restzweife­l blieben also bestehen. Die Staatsanwa­ltschaft erklärte, eben diese Restzweife­l machten eine Verurteilu­ng unmöglich. Das Gericht folgte dem und lobte ausdrückli­ch die Zeugen für ihre Ehrlichkei­t. Der Angeklagte wirkte nach der Verhandlun­g erleichter­t. „Ich bedanke mich für das faire Verfahren – und ich war es ja wirklich nicht.“

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