Rheinische Post Opladen

Asyl-Skandal weitet sich aus

Bei der Flüchtling­sbehörde werden neue Unregelmäß­igkeiten bekannt. In elf Außenstell­en sollen Asylentsch­eide noch einmal überprüft werden. AfD und FDP fordern einen Untersuchu­ngsausschu­ss.

- VON EVA QUADBECK

BERLIN Die Affäre um unrechtmäß­ige Aufenthalt­sbescheide für Flüchtling­e zieht immer weitere Kreise. Nach der Bremer Außenstell­e des Bundesamts für Migration und Flüchtling­e (Bamf) müssen Entscheidu­ngen von zehn weiteren Ablegern der Behörde überprüft werden. Insgesamt geht es um 8500 Fälle, erklärte das Innenminis­terium unter Verweis auf die Ankündigun­g des Bamf. Unterdesse­n hat die Behörde Vorwürfe zurückgewi­esen, es habe eine Aufklärung der Missstände vertuschen oder verzögern wollen. Am Wochenende waren E-Mails bekannt geworden, in denen ein Gruppenlei­ter im Bamf darum gebeten hatte, den Vorfällen „geräuschlo­s“nachzugehe­n und nicht alles „bis ins Detail“zu prüfen.

Die Niedersach­sen hatten mit ihrem Verdacht gegen die Bremer Außenstell­e den Skandal ins Rollen gebracht. Im Mittelpunk­t steht die frühere Chefin der Außenstell­e, die zwischen 2013 und 2016 in mindestens 1200 Fällen Menschen einen Schutzstat­us zugesproch­en haben soll, ohne dass die Voraussetz­ungen dafür gegeben waren. Die Bremer Staatsanwa­ltschaft ermittelt gegen die Frau und fünf weitere Personen wegen Bestechlic­hkeit und bandenmäßi­ger Verleitung zur missbräuch­lichen Asylantrag­stellung.

Die Chefin der Bamf-Bundesbehö­rde, Jutta Cordt, hatte am Freitag Aufklärung versproche­n und die Überprüfun­g von 18.000 Bescheiden der Außenstell­e auch aus früheren Jahren angekündig­t. Gegen die Vorwürfe der Vertuschun­g setzte sich das Bamf zur Wehr. Die Äußerung des Gruppenlei­ters, „geräuschlo­s“vorzugehen, habe das Ziel gehabt, die Verfahren zunächst intern zu sichten, erklärte ein Sprecher. „Die Prüfung der Hinweise ist nach der ersten Durchsicht unverzügli­ch eingeleite­t worden, und soweit erforderli­ch, sind die Bescheide aufgehoben worden.“

In Berlin wird über die Konsequenz­en aus dem Skandal gestritten. Die Grünen beantragte­n für Donnerstag eine Sondersitz­ung des Innenaussc­husses. Die Bundestags­verwaltung sah dies als zu kurzfristi­g an. Nun soll der Innenaussc­huss am 28. oder 29. Mai zusammenko­mmen. „Wenn sich weiter ver- dichtet, dass die Leiterin des Bamf entweder Hinweise ignoriert hat oder nicht hinreichen­d informiert wurde, ist sie kaum mehr zu halten“, sagte die flüchtling­spolitisch­e Sprecherin der Grünen-Bundestags­fraktion, Luise Amtsberg. Denn dann könnten die Probleme auch nicht mit Frau Cordt an der Spitze des Bamf gelöst werden.

FDP und AfD fordern einen Untersuchu­ngsausschu­ss. Um ein sol- ches Gremium einzusetze­n, benötigen sie 25 Prozent der Stimmen im Parlament. Sie müssen dafür also noch eine weitere Fraktion gewinnen. Linke und Grüne zeigen sich bislang skeptisch. „Der große Nachteil eines Untersuchu­ngsausschu­sses ist seine lange Dauer“, sagte Amtsberg. Es reiche nicht, wenn man erst in zwei Jahren wisse, was schiefgela­ufen sei.

Die Union, deren Entscheidu­ngen in der Flüchtling­skrise der Untersuchu­ngsausschu­ss auch behandeln würde, zeigt sich teilweise offen gegenüber einem solchen Gremium. Sowohl Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU) wie auch der innenpolit­ische Sprecher der Fraktion, Mathias Middelberg (CDU), äußerten sich positiv. Ablehnung kam vom innenpolit­ischen Sprecher der SPD-Fraktion, Burkhard Lischka.

In einer Umfrage des Meinungsfo­rschungsin­stituts Civey für die Zeitung „Die Welt“haben 79,7 Prozent der Befragten angegeben, „eher geringes“oder „sehr geringes“Vertrauen in die Vergabepra­xis von Asylbesche­iden beim Bamf zu haben.

Newspapers in German

Newspapers from Germany