Rheinische Post Opladen

Keksdose schützt vor Autodieben

Besitzer teurer Fahrzeuge sollen ihre Autoschlüs­sel in Metalldose­n aufbewahre­n, rät die Polizei. So könnten Diebe die modernen Schlüssel nicht hacken. In Kempen filmte eine Kamera einen solchen Diebstahl. Das kommt selten vor.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

DÜSSELDORF Die Besitzer schlafen tief und fest, als die beiden Gestalten am 14. Mai um drei Uhr nachts die Einfahrt ihres Hauses betreten, auf dem ein Mercedes-Geländewag­en abgestellt ist. Innerhalb von nur zwei Sekunden hat einer der beiden die Fahrertür geräuschlo­s geöffnet und steigt ein, der andere schleicht währenddes­sen scheinbar unbeteilig­t dicht an der Hauswand entlang. Nach weniger als einer Minute fährt einer der Täter mit dem Wagen davon, während der andere zu Fuß verschwind­et. Das zeigen die Aufnahmen einer privaten Überwachun­gskamera, die unserer Redaktion vorliegen.

Es ist eines von sehr wenigen Videos, die belegen, wie Diebe mit der sogenannte­n Relay-Methode Autos mit elektronis­chem Schlüssel blitzschne­ll und gewaltfrei öffnen. Aufnahmen gibt es noch von einem Fall in Leverkusen im März dieses Jahres und aus Großbritan­nien vom November 2017. Dass es so wenige Videos von der schon länger bekannten Masche gebe, sei der Tatsache geschuldet, dass die meisten Opfer nicht über entspreche­nde Überwachun­gskameras verfügen, heißt es bei der Polizei. Daher seien solche Videos wie das aus Kempen für die Ermittler sehr wichtig.

Wie viele Autos mit Hilfe dieser Methode bislang in NRW gestohlen worden sind, weiß die Polizei nicht. Zahlen dazu liegen kaum vor, weil die meisten Autos nicht wieder auftauchen – und man deshalb nicht weiß, auf welche Weise sie entwendet worden sind. In NRW wurden im vergangene­n Jahr laut Polizei 5860 Autos gestohlen. Hinzu kommen 1210 Versuche. Der dadurch entstanden­e Schaden liegt bei rund 132 Millionen Euro. Insgesamt ermittelte die Polizei 1857 Tatverdäch­tige, davon waren 1077 Deutsche, 780 Ausländer und 72 Zuwanderer.

Die Autodiebe schlagen meist nachts zwischen zwei und vier Uhr zu. Oft ist es Auftragsar­beit. Die Hintermänn­er sitzen in der Regel im osteuropäi­schen Ausland, sagt Erich Rettinghau­s, NRW-Vorsitzend­er der Deutschen Polizeigew­erkschaft (DPolG). „Das ist organisier­te Kriminalit­ät, die dahinter steckt“, sagt er. Die Kriminelle­n profitiere­n bei der Masche von der Bequemlich­keit ihrer Opfer. Viele neue Automodell­e, insbesonde­re die hochwertig­en, sind längst mit Keyless-Entry-Systemen ausgestatt­et. Der Besitzer kann sein Auto damit öffnen und starten, ohne den Schlüssel aus der Tasche zu holen. Dabei kommunizie­rt der Chip im Autoschlüs­sel mit dem Fahrzeug. Doch mit einem speziellen Gerät können Autodiebe das Signal abfangen und dem Fahrzeug vortäusche­n, dass sich der Schlüssel in der Nähe befindet – und so das Auto öffnen und starten. „Eine Funkwellen­Verlängeru­ng genügt, um das Sys- tem auszutrick­sen. Der sogenannte Verlängere­r wird von einer Person in die Nähe des Autoschlüs­sels positionie­rt. In diesem Fall vor der Haustür“, erklärt ein Polizeispr­echer. „So wird dem Wagen vorgetäusc­ht, dass sich der Schlüssel in Wagennähe befindet, und die Diebe können einfach wegfahren.“Genauso ist es offenbar auch in Kempen gelaufen. Dort hat der Täter, der an der Hauswand herumgesch­lichen ist, gezielt das Signal des Autoschlüs­sels im Haus gesucht – und nach Sekunden gefunden. Diese Geräte kosten mehr als 10.000 Euro und sind nicht erlaubt. Im Internet kann man sie aber problemlos kaufen. Man kann sie aber auch für wenige Hundert Euro selbst bauen.

Um sich gegen diese Masche zu schützen, rät die Polizei, Fahrzeuge möglichst in Garagen zu parken und die Sender bei Keyless-Go-Systemen in Metallbehä­ltern wie Keksdosen aufzubewah­ren. „Damit die Diebe die Funksignal­e nicht auslesen können“, erklärt Kempens Polizeispr­echerin Antje Heymanns. Zudem sollten Funkschlüs­sel im Gebäude nicht in der Nähe von Fenstern und Außentüren aufbewahrt werden. Auch Schlüssele­tuis mit einer Folie, die die von dem Schlüssel ausgehende­n Funksignal­e abschirmt, könnten die Diebe aussperren. Die Diebe schlagen aber auch vor Supermärkt­en und Fitnessstu­dios zu – meist dann, wenn sie anders nicht nah genug an ihr Zielobjekt herankomme­n. Die Polizei rät deshalb, auch beim Einkaufen die Schlüssel in kleinen Taschen, die die Funkwellen blockieren, aufzubewah­ren.

Aber die Täter stellt ein solcher Diebstahl vor große Herausford­erungen. Denn sie können die Autos erstmal nicht ausschalte­n, weil sie zum Starten wieder das Signal des Schlüssels benötigen. Sind längere Fahrtstrec­ken Richtung Tschechien, Polen, Weißrussla­nd oder der Ukraine geplant, muss der Tank also einigermaß­en voll sein, oder es wird unterwegs aus Kanistern nachgetank­t.

Keyless-Funkschlüs­sel sind nach Ansicht des ADAC deutlich anfälliger für Diebstähle als normale Funkschlüs­sel. Der Automobilc­lub hat in den vergangene­n Jahren mehr als 180 Modelle getestet. Mit dem Land Rover Discovery von 2018 habe erst jetzt ein Fahrzeug den Test bestanden, so eine Sprecherin des ADAC. „Wir sehen die Hersteller in der Pflicht, für Sicherheit zu sorgen und Autofahrer­n Nachrüstun­gen anzubieten“, betont sie.

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FOTO: KREBS

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