Rheinische Post Opladen

Venezuelas Probleme fangen erst an

Der sozialisti­sche Präsident Nicolas Maduro zwar die Wahl gewonnen, ihm droht allerdings nun die politische Isolation.

- VON TOBIAS KÄUFER

CARACAS Nicolas Maduro platzte vor Stolz: „Das ist der 22. Sieg im 19. Jahr“, rechnete der Linksfunda­mentalist seinen jubelnden Anhängern vom Balkon aus vor. Nach offizielle­n Angaben entfielen auf den sozialisti­schen Amtsinhabe­r 67,7 Prozent der Stimmen. Sein Herausford­erer Henri Falcon kam auf gerade einmal 21,1 Prozent. Der evangelika­le Prediger Javier Bertucci sammelte rund zehn Prozent ein. Spannender als das Ergebnis war allerdings die Wahlbeteil­igung: Gerade einmal ein Drittel der Venezolane­r soll sich an die Wahlurnen begeben haben, hat die Opposition gezählt und postete Fotos von leeren Wahllokale­n. Sie hatte zum Wahlboykot­t aufgerufen. Die Wahlbehörd­e spricht von 46,1Prozent Wahlbeteil­igung.

Der unterlegen­e und von der Opposition misstrauis­ch beäugte Herausford­erer Henri Falcon forderte Neuwahlen und spricht von Wahlmanipu­lation. Er verweigert die Anerkennun­g des Ergebnisse­s. Seine Einsicht kommt zu spät – ein Großteil der zerstritte­nen Opposition hatte ihn davor gewarnt, die Marionette zu spielen, die dieser Wahl einen demokratis­chen Anstrich verleihen sollte. Jetzt steht die Opposition nahezu ohnmächtig da: Ihren Wahlsieg bei der Parlaments­wahl Ende 2015 annulliert­e Maduro, indem er das Parlament entmachtet­e und durch eine nun alles dominieren­de verfassung­sgebende Versammlun­g ersetzte. Auch Kommu- Jorge Urosa. nal- und Regionalwa­hlen gingen an die Sozialiste­n, nachdem diese verfassung­sgebende Versammlun­g die Bedingunge­n dafür diktierte. Venezuelas Opposition verfügt praktisch über keinerlei Ämter mehr, aus denen sie die Regierung stellen könnte. Ihre wichtigste­n Vertreter sind in Haft, in Hausarrest oder im Exil.

Eine Strategie, aus diesem tiefen Tal wieder herauszuko­mmen, ist nicht zu erkennen. Immerhin hat sich ein neues Bündnis gebildet, das als Nachfolgez­usammensch­luss des ehemaligen Opposition­sbündnisse­s „Tisch der Einheit“nun die Kräfte bündeln und neu aufbauen will. Allerdings fehlt es angesichts der Massenfluc­ht an Personal und angesichts der Versorgung­skrise auch an finanziell­en Mitteln. Gelingt es der Opposition nicht, sich neu zu organisier­en, droht aus dem Untergrund gewalttäti­ger Widerstand. Schon jetzt haben sich angesichts des brutalen Vorgehens der Regierung einzelne bewaffnete Gruppen gebildet, die in GuerillaMa­nier dem Maduro-Regime den Kampf angesagt haben.

Mit der Bekanntgab­e des Ergebnisse­s fangen die Probleme für Maduro aber erst an. Denn diesem Resultat fehlt jede demokratis­che Ethik. Venezuelas Kardinal Jorge Urosa erklärte noch vor Bekanntgab­e des Ergebnisse­s am Sonntag: „In diesen Wahlen wurden die politische­n Grundrecht­e verletzt.“Schon im Vorfeld hatten einige lateinamer­ikanische Länder erklärt, den Wahlgang nicht anzuerkenn­en. Chile, Panama und Kolumbien verweigern Maduro die Gratulatio­n. US-Präsident Donald Trump hat nach Angaben des Weißen Hauses gestern bereits eine neue Maßnahme gegen Venezuela unterzeich­net, wonach die Möglichkei­ten für das Land begrenzt werden, staatliche Vermögensw­erte zu veräußern. Aus dieser Position der beginnende­n internatio­nalen Isolation muss Maduro nun die tiefgreife­nde Wirtschaft­skrise lösen. Bislang führten alle seine wirtschaft­spolitisch­en Entscheidu­ngen ins Desaster.

Im globalen Schachspie­l um Macht und Einfluss kommen neben China und Russland auch arabische und islamische Vertreter wie jüngst die Türkei oder die Palästinen­ser ins Spiel, die Venezuela stärker unter die Arme greifen könnten, um vor der Haustüre der USA und in Südamerika ihren Brückenkop­f zu behalten. Den im Land verblieben­en Venezolane­rn bleibt nur noch das Prinzip Hoffnung: Ein steigender Ölpreis könnte wieder Geld in die Staatskass­e spülen. Die klimafeind­liche Produktion der fossilen Brennstoff­e ist der einzige Wirtschaft­szweig, der überhaupt Geld in den Staatshaus­halt bringt, wenngleich auch hier die Produktion zurückging.

Venezuela ist längst zum größten Flüchtling­sproduzent­en Lateinamer­ikas geworden. Rund eine Million Venezolane­r kamen in den vergangene­n zwei Jahren ins Nachbarlan­d Kolumbien, jeweils eine Viertelmil­lion nach Ecuador und Peru. Diese sind mit der dadurch ausgelöste­n humanitäre­n Krise überforder­t und werden vom Rest der Welt – auch von Europa – schmählich im Stich gelassen. Die Probleme Venezuelas werden immer internatio­naler.

„In diesen Wahlen wurden die politische­nGrundrech­te verletzt“Venezuelas Kardinal

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FOTO: IMAGO Nicolas Maduro kurz nach Bekanntgab­e der Wahlergebn­isse in Caracas.

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