Free-Jazz-Fanfaren lassen Moers vibrieren
Das Musikfest begeisterte mit Konzerten von Peter Brötzmann und Sebastian Gramss.
MOERS Die Musik gab in Moers zu Pfingsten den Weg vor. Wohin man sich auch treiben ließ, ob in die Kirchen, in die Kunstgalerie, in den Schlosspark oder in die Konzerthalle am Stadtrand, es war eine Begegnung mit Gegensätzen: Jazz traf auf Elektro, Experimentelles auf Folklore, Improvisation auf Folk. Tim Isfort, im zweiten Jahr künstlerischer Leiter des Moers Festivals, hat die Stadt dieses Jahr noch mehr zur Bühne für die Spielarten der aktuellen Musik gemacht. Während die US-Band Talibam! mit Saxofonklängen und Schlagzeug-Rhythmen die Luft in der Konzerthalle zum Vibrieren brachte, sang draußen das Vokalorchester NRW a capella. Im Schlosshof schwelgte einer der Großen der improvisierten Musik musikalisch in Erinnerungen – und viele Zuhörer mit ihm: Saxofonist Peter Brötzmann, Musiker der ersten Stunde, gab ein umjubeltes Solo an dem Spielort, an dem 1972 die erste Festival-Ausgabe zelebriert wurde.
Nostalgie pur: Mit seinem energetischen Spiel holte Brötzmann (77) unglaubliche Klänge aus seinem Instrument. Dieser Auftritt blieb nicht die einzige Anleihe aus der Festival- Geschichte. Isfort hat auch den Moerser Freizeitpark, aus dem das Festival aus Finanzgründen ausziehen musste, als Spielort reaktiviert.
Die Musiker kamen dieses Jahr aus den USA, Dänemark, Belgien, Frankreich, England, Brasilien, Afrika und Indien. Es spielten klassische Jazz-Combos wie die Band um den New Yorker Trompeter Ralph Alessi. Echo-Preisträger Sebastian Gramss stellte sein Projekt States Of Play vor, eine klanggewaltige Verbindung von Bläsern und Rhythmus. Die Entdeckung war aber die französische Pianistin Domi. Die 17-Jährige ist nicht nur niedlich, sondern kann auch was. Ihre Musik ist inspiriert von Jazz, Rhythm’n’Blues, Gospel, Soul und Hip-Hop, aber jung und innovativ. Sie wechselte zwischen Flügel, Keyboard und Computer mit einer erfrischenden Leichtigkeit. Der gleichaltrige Bobby Hall begleitete sie am Schlagzeug. Der Engländer Richard Dawson hat die Folk- Musik mit seiner freien Interpretation der alten Volkslieder einer Frischzellenkur unterzogen. Der Sänger schrie seine Songs geradezu hinaus. Der Rhythmus war stampfend, die Kompositionen irritierten durch befremdende Harmonien und unerwarteten Abweichungen. Nicht jedes Konzert, das die Zuhörer erlebten, war geprobt. In Moers trafen sich die Musiker auch spontan zur Session. Eine dieser Begegnungen führte den Gitarristen David Dornig, den Saxofonisten Matt Nelson und Moritz Baumgärtner am Schlagzeug zusammen.
Im gemeinsamen Spiel ließen sie das Publikum die Ursprünglichkeit der improvisierten Musik erleben – ganz in der Tradition des Free Jazz. Für Festivalchef Tim Isfort steht das Moers Festival jedoch nicht nur für den Jazz. Und so ist manches ins Programm gelangt, das unerwartet ist: Exemplarisch steht dafür das Projekt Wendy Pferd Tod Mexiko des Elektroakustik-Duos RDCA Raketa. Maja Osojnik und Matija Schellander inszenierten das Erstlingswerk von Natascha Gangl „Wendy fährt nach Mexiko“als surreales Live-Hörspiel mit experimenteller Klangkulisse am Computertisch.