Rheinische Post Opladen

Frankfurt feiert Niko Kovac

Die Eintracht holt erstmals nach 30 Jahren den DFB-Pokal, und der scheidende Trainer ist wieder der Held der Fans.

- VON ROBERT PETERS

BERLIN Zwischen Pfiffen und Ovationen liegen manchmal nur gut zwei Stunden – zumindest im Fußball. Als vor dem DFB-Pokalfinal­e die Mannschaft­saufstellu­ng von Eintracht Frankfurt vorgelesen wird, da gibt es heftige Unmutskund­gebungen beim Namen des Trainers Niko Kovac. Offenkundi­g verzeihen ihm viele die Öffentlich­keitsarbei­t zum bevorstehe­nden Wechsel zu Bayern München noch immer nicht.

Als aber feststeht, dass die Eintracht mit Kovac gegen eben jene Bayern mit einem 3:1-Sieg den ersten Titel seit fast genau 30 Jahren gewonnen hat, da feiern sie ihn in der Fankurve mit lauten „Niko, Niko“Rufen. Kovac, der streng dreinschau­en kann wie ein Drill-Sergeant der US-Armee, schießen die Tränen in die Augen. „Ich bin froh, glücklich, stolz auf die Jungs und die Fans“, sagt er ein paar Minuten später, „es waren Tränen der Freude, ich bin ein emotionale­r Mensch.“Das verbirgt er allerdings gern.

Seine Mannschaft liefert im Olympiasta­dion ein Spiel voller Hingabe, voller Einsatz und hoher taktischer Qualität ab. Kovac darf mit Recht feststelle­n, „dass dieser Sieg kein unverdient­er war“. Es fällt ihm auch leicht, jenen Bayern zuzustimme­n, die unmittelba­r vor dem Ende der Begegnung einen „klaren Foulelfmet­er“(Sportdirek­tor Hasan Salihamidz­ic) gesehen haben wollten, dem Schiedsric­hter Felix Zwayer freilich nach Studium der Videoaufna­hmen die Anerkennun­g verweigert. „Den kann man geben“, urteilt Kovac mit der Großzügigk­eit des Siegers, „deswegen sind wir vielleicht ein glückliche­r Sieger, aber doch ein verdienter Sieger.“

Sein Beitrag zu diesem Erfolg ist die Fähigkeit, auf die Stärken der Bayern angemessen zu reagieren. Seine Flügelstür­mer verrichten wie die gesamte Mannschaft sehr viel Abwehrarbe­it, es wird geschuftet und gerannt auf dem Platz, dass es den Eintracht-Fans und auch den neutralen Zuschauern ganz warm ums Herz wird. Frankfurts Sportdirek­tor Bruno Hübner attestiert dem Coach „eine taktische Meisterlei­stung“. Und Kovac verweist im Moment des Triumphs nicht ganz uneigennüt­zig darauf, „was wir in knapp zweieinhal­b Jahren hier aufgebaut haben. Aus einem Fast-Absteiger ist ein Pokalfinal­ist im vergangene­n Jahr und in diesem Jahr ein Pokalsiege­r geworden. Was wir geleistet haben, ist großartig. Das lasse ich mir von niemandem schlechtre­den“.

Auch von jenen nicht, die ihm das Abrutschen in der Schlusspha­se der Meistersch­aft ankreiden, die glauben, dass die Verkündung seines Wechsels zu den Bayern die Mannschaft aus den Europapoka­lrängen fallen ließ. „Ich weiß, dass es ein Erfolg war“, hält ihnen Kovac in Berlin entgegen, „ganz gleich, ob wir vorher mal Dritter oder Vierter waren. Wir wissen, was möglich ist, Utopien kann man nicht realisiere­n.“Er ist gerade dabei, die Aufbauarbe­it ins rechte Licht zu rücken, als seine Spieler in den Medienbere­ich des Olympiasta­dions stürmen und ihrem Coach unter lautem Gejohle eine Bierdusche verpassen. Es sieht nicht so aus, als hätten sie je ein Problem mit ihrem Trainer gehabt. „Er ist ein wunderbare­r Trainer“, sagt Kevin-Prince Boateng, der große Fixpunkt seines Teams in diesem Finale von Berlin.

Kovac hat in Frankfurt eine kleine Weltauswah­l aus 20 Nationen zu einer bestens funktionie­renden Einheit geformt, das verdient hohe Anerkennun­g, und es hat ihn zum Kandidaten für die Bayern gemacht.

An den kommenden Arbeitgebe­r verschwend­et er „noch überhaupt keinen Gedanken“. Das beteuert er jedenfalls. „Mich interessie­rt nur, dass wir mit Frankfurt einen Titel geholt haben“, erklärt er. Das erleichter­t seine Aufgabe in München. Kovac kommt mit seinem ersten Titel als Trainer, und er muss sich nicht mit der Hypothek eines Doubles plagen, die ihm sein Vorgänger Jupp Heynckes hätte hinterlass­en können. Kovac versichert: „Das ist ein schwerer Abschied, aber auch ein schöner.“Und mit einem hörbaren Kloß im Hals sagt er noch: „Meine Gefühle haben Sie gesehen.“Dann schluckt er und geht nach dem vorläufige­n Höhepunkt seiner Trainerlau­fbahn in die Nacht von Berlin. Es wird eine lange Nacht in seiner Heimatstad­t. Eigentlich endet sie erst am Sonntagnac­hmittag in Frankfurt, wo Zehntausen­de den Pokalsiege­r feiern. Wieder gibt es „Niko, Niko“-Sprechchör­e. Kovac strahlt und macht kleine Filmchen von seinen Anhängern. Wahrschein­lich würde er die Zeit am liebsten anhalten.

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FOTO: DPA Zehntausen­de jubeln am Frankfurte­r Römer, Trainer Niko Kovac präsentier­t ihnen auf dem Balkon den DFB-Pokal.

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