Frankfurt feiert Niko Kovac
Die Eintracht holt erstmals nach 30 Jahren den DFB-Pokal, und der scheidende Trainer ist wieder der Held der Fans.
BERLIN Zwischen Pfiffen und Ovationen liegen manchmal nur gut zwei Stunden – zumindest im Fußball. Als vor dem DFB-Pokalfinale die Mannschaftsaufstellung von Eintracht Frankfurt vorgelesen wird, da gibt es heftige Unmutskundgebungen beim Namen des Trainers Niko Kovac. Offenkundig verzeihen ihm viele die Öffentlichkeitsarbeit zum bevorstehenden Wechsel zu Bayern München noch immer nicht.
Als aber feststeht, dass die Eintracht mit Kovac gegen eben jene Bayern mit einem 3:1-Sieg den ersten Titel seit fast genau 30 Jahren gewonnen hat, da feiern sie ihn in der Fankurve mit lauten „Niko, Niko“Rufen. Kovac, der streng dreinschauen kann wie ein Drill-Sergeant der US-Armee, schießen die Tränen in die Augen. „Ich bin froh, glücklich, stolz auf die Jungs und die Fans“, sagt er ein paar Minuten später, „es waren Tränen der Freude, ich bin ein emotionaler Mensch.“Das verbirgt er allerdings gern.
Seine Mannschaft liefert im Olympiastadion ein Spiel voller Hingabe, voller Einsatz und hoher taktischer Qualität ab. Kovac darf mit Recht feststellen, „dass dieser Sieg kein unverdienter war“. Es fällt ihm auch leicht, jenen Bayern zuzustimmen, die unmittelbar vor dem Ende der Begegnung einen „klaren Foulelfmeter“(Sportdirektor Hasan Salihamidzic) gesehen haben wollten, dem Schiedsrichter Felix Zwayer freilich nach Studium der Videoaufnahmen die Anerkennung verweigert. „Den kann man geben“, urteilt Kovac mit der Großzügigkeit des Siegers, „deswegen sind wir vielleicht ein glücklicher Sieger, aber doch ein verdienter Sieger.“
Sein Beitrag zu diesem Erfolg ist die Fähigkeit, auf die Stärken der Bayern angemessen zu reagieren. Seine Flügelstürmer verrichten wie die gesamte Mannschaft sehr viel Abwehrarbeit, es wird geschuftet und gerannt auf dem Platz, dass es den Eintracht-Fans und auch den neutralen Zuschauern ganz warm ums Herz wird. Frankfurts Sportdirektor Bruno Hübner attestiert dem Coach „eine taktische Meisterleistung“. Und Kovac verweist im Moment des Triumphs nicht ganz uneigennützig darauf, „was wir in knapp zweieinhalb Jahren hier aufgebaut haben. Aus einem Fast-Absteiger ist ein Pokalfinalist im vergangenen Jahr und in diesem Jahr ein Pokalsieger geworden. Was wir geleistet haben, ist großartig. Das lasse ich mir von niemandem schlechtreden“.
Auch von jenen nicht, die ihm das Abrutschen in der Schlussphase der Meisterschaft ankreiden, die glauben, dass die Verkündung seines Wechsels zu den Bayern die Mannschaft aus den Europapokalrängen fallen ließ. „Ich weiß, dass es ein Erfolg war“, hält ihnen Kovac in Berlin entgegen, „ganz gleich, ob wir vorher mal Dritter oder Vierter waren. Wir wissen, was möglich ist, Utopien kann man nicht realisieren.“Er ist gerade dabei, die Aufbauarbeit ins rechte Licht zu rücken, als seine Spieler in den Medienbereich des Olympiastadions stürmen und ihrem Coach unter lautem Gejohle eine Bierdusche verpassen. Es sieht nicht so aus, als hätten sie je ein Problem mit ihrem Trainer gehabt. „Er ist ein wunderbarer Trainer“, sagt Kevin-Prince Boateng, der große Fixpunkt seines Teams in diesem Finale von Berlin.
Kovac hat in Frankfurt eine kleine Weltauswahl aus 20 Nationen zu einer bestens funktionierenden Einheit geformt, das verdient hohe Anerkennung, und es hat ihn zum Kandidaten für die Bayern gemacht.
An den kommenden Arbeitgeber verschwendet er „noch überhaupt keinen Gedanken“. Das beteuert er jedenfalls. „Mich interessiert nur, dass wir mit Frankfurt einen Titel geholt haben“, erklärt er. Das erleichtert seine Aufgabe in München. Kovac kommt mit seinem ersten Titel als Trainer, und er muss sich nicht mit der Hypothek eines Doubles plagen, die ihm sein Vorgänger Jupp Heynckes hätte hinterlassen können. Kovac versichert: „Das ist ein schwerer Abschied, aber auch ein schöner.“Und mit einem hörbaren Kloß im Hals sagt er noch: „Meine Gefühle haben Sie gesehen.“Dann schluckt er und geht nach dem vorläufigen Höhepunkt seiner Trainerlaufbahn in die Nacht von Berlin. Es wird eine lange Nacht in seiner Heimatstadt. Eigentlich endet sie erst am Sonntagnachmittag in Frankfurt, wo Zehntausende den Pokalsieger feiern. Wieder gibt es „Niko, Niko“-Sprechchöre. Kovac strahlt und macht kleine Filmchen von seinen Anhängern. Wahrscheinlich würde er die Zeit am liebsten anhalten.