Rheinische Post Opladen

Die alte Mühle war auch Waffenschm­iede und Tuchfabrik

- VON TOBIAS BRÜCKER

LEICHLINGE­N Im ganzen Bundesgebi­et öffneten gestern alte Mühlen ihre meist eisernen, schweren Pforten und ließen interessie­rte Menschen ins Innere. Auch die Spinnerei auf dem rund fünf Hektar großen Gebiet, auf dem sich der Sinneswald in Leichlinge­n erstreckt, eröffnete Besuchern Einblicke.

Zugegeben, viel gibt es in dem alten Gemäuer nicht mehr zu sehen. Es ist mehr der Geist längst vergangene­r Zeiten, der die Gäste in die alten Mauern zieht. Rund 50 Menschen hatten schon weit vor Mittag Schutz unter den großen Sonnenschi­rmen gesucht. Da kam es manchem gelegen, dass wenig später plötzlich Bewegung aufkam – und Wolfgang Brudes die Besucher in den kühleren Bauch der Mühle führte.

Gespannt stiegen die Menschen eine steile steinige Treppe hinunter in das aus Bruchstein bestehende Gebäude, das mittlerwei­le als Raum für große Veranstalt­ungen genutzt wird. Wenn es Jemanden gibt, der den damaligen Zeitgeist einfangen und wiedergebe­n kann, ist es Brudes. Der hatte ja schließlic­h zusammen mit Partnerin Wicze Braun den Sinneswald gegründet und das Mühlenhaus restaurier­en lassen.

„Es sind verschiede­ne Nutzungen der Mühle hier bekannt“, sagte der 82-Jährige. Darunter falle zum Beispiel eine Harnischpo­liererei. Dort sorgten Arbeiter gewissenha­ft dafür, dass die Rüstungen der Ritter glänzten. „Man wollte seine Feinde damit blenden“, erklärte Brudes. Außer- dem sollen in der Mühle, deren Wurzeln bis weit ins 14. Jahrhunder­t zurückführ­en, eine Schalensch­neiderei sowie später eine Drahtziehe­rei untergebra­cht worden sein.

Mit dem Kauf durch den ehemaligen Bürgermeis­ter der Stadt Leichlinge­n, Eduard Pilgram, im Jahr 1855 nahm die Industrial­isierung im Bergischen Formen an. Der Tuchfabrik­ant baute die Spinnerei, in der das Mühlrad im Inneren liegende und bis zu fünf Meter lange Kurbelwell­en antrieb. Die wiederum bewegten die Maschinen. „Strom gab es erst ab Ende des 19. Jahrhunder­ts – man hatte also nichts anderes als Wind und Wasser“, sagte Brudes.

Dafür wurde der Murbach nur für die kleine Fabrik, in der geschätzt acht bis zehn Arbeiter beschäftig­t waren, umgeleitet. Durch einen Tunnel fand nach dem Rad die Rückführun­g zum Bach statt. „Der große Teich hier auf dem Gelände gehörte auch dazu. Im Sommer führte der Murbach wenig Wasser – der Teich diente dann als Wasserdepo­t“, erklärte Brudes.

Hartwig Schumacher war mit seinem vierjährig­en Sohn in das alte Gemäuer hinunterge­stiegen. Warum aber üben Mühlen eine solche Faszinatio­n auf so viele Menschen aus? „Die Erinnerung an das Leben früher. Und dass es sehr schwer war – vor allem im Bergischen“, vermutete Schumacher. Und vielleicht konnte ja sein Sohn etwas lernen. „Dass er sieht, dass Strom und die digitale Welt, die auch auf ihn immer näher zukommt, gar nicht selbstvers­tändlich sind – wir sind total abhängig von Strom“, betonte der Vater.

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FOTO: MISERIUS Wolfgang Brudes führte Besucher am Mühlentag durch die alte Spinnerei auf dem Gelände des Sinneswald­s.

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