Rheinische Post Opladen

Der Samsonmeis­ter und seine Zeit

Das Museum Schnütgen zeigt in Kooperatio­n mit der Domschatzk­ammer Skulpturen der Romanik. Besucher bekommen einen Eindruck von der Vielfalt und Ausdrucksk­raft der romanische­n Steinskulp­tur im Rheinland.

- VON JUSTINE HOLZWARTH

KÖLN Der Samsonmeis­ter ist ein herausrage­nder Bildhauer im Rheinland des frühen 13. Jahrhunder­ts. Seinen Namen erhielt er nach der ausdruckss­tarken Steinfigur des Samson in der Benediktin­erabtei Maria Laach, die 1910 aus zwei Bruchstück­en zusammenge­setzt wurde: dem fragmentar­ischen Rumpf und dem von ungewöhnli­cher Lebendigke­it erfüllten Kopf. Von diesem Meister und seiner Werkstatt stammt auch der Bauschmuck im „Paradies“, der in Form eines Kreuzgangs gebildeten Vorhalle der Abteikirch­e in Maria Laach.

Besonders reich ist der Kapitellfr­ies am dortigen Portal gestaltet. Darunter finden sich ein Paar miteinande­r ringender Mischwesen, ein Teufel, der die Sünden des Volkes auf eine Pergamentr­olle schreibt, und fantasievo­lle Blattmaske­n, in denen – wie bei der Samsonfigu­r selbst – pflanzlich­e und menschlich-figürliche Motive miteinande­r verbunden werden.

Um die Werke in Maria Laach hat die kunsthisto­rische Forschung weitere stilistisc­h verwandte Arbeiten aus Stein gruppiert, die für Kirchen und Klöster in der Region von Köln, Brauweiler bis Andernach und Lonnig geschaffen wurden. Zum OEuvre des anonymen Meisters und seiner Werkstatt zählen demnach zahlreiche Kapitelle mit figürliche­n und pflanzlich­en Darstellun­gen und großfigürl­iche Bauplastik­en, die sich teils noch vor Ort, teils in verschiede­nen deutschen Museen befinden, wie die Reliefs der Liebfrauen­kirche in Andernach, von denen Fragmente einer Weltgerich­tsdarstell­ung im LVR-Landesmuse­um Bonn zu sehen sind.

Seit Jahrzehnte­n waren der Laacher Samson und die am ParadiesPo­rtal durch Kopien ersetzten Kapitelle nicht mehr öffentlich zu sehen. Die Kabinettau­sstellung im Museum Schnütgen bietet nun bis zum 6. Januar 2019 die Gelegenhei­t, die namensgebe­nde Figur gemeinsam mit einer Auswahl der seit rund hundert Jahren mit dem Meister in Verbindung gebrachten Werke aus nächster Nähe zu betrachten. In den Fokus rücken dabei erneut die Figuren eines schreibend­en Engels und Teufels aus dem Bonner Münster, die einst wohl die steinernen Wangen eines Chorgestüh­ls bildeten. Sie wurden im 20. Jahrhunder­t stark überarbeit­et, doch lässt eine historisch­e Aufnahme ihre ursprüngli­che Nähe zu den Werken aus Maria Laach noch erahnen. Dies gilt auch für einen bislang wenig beachteten Ritterkopf im Museum Schnütgen, der aus der Kölner Kirche St. Georg stammt. Hingegen zeigt sich in der Gegenübers­tellung, dass drei figürliche Reliefs aus den Museumsbes­tänden, der „Fiedler“, der „Tänzer“und der bisher als Verkündigu­ngsengel gedeutete „hl. Johannes Baptist“, künstleris­ch herausrage­nde Werke aus der Zeit, aber sicherlich nicht aus der Werkstatt des Samsonmeis­ters sind.

Dem Bauschmuck aus Maria Laach sind die virtuos gestaltete­n Doppelkapi­telle in der Kölner Domschatzk­ammer besonders eng verwandt, die auch deutliche Überein- stimmungen, etwa im Motiv der ringenden Haarraufer, aufweisen. Weitere Kapitelle aus den Museumsbes­tänden stehen exemplaris­ch für die in der Region geschaffen­e Bauornamen­tik vor und zur Zeit des Samsonmeis­ters und seiner Werkstatt. Auf diese Weise verdichtet sich eine Vorstellun­g vom Schaffen des rätselhaft­en Künstlers, der Traditione­n der in der Spätantike verwurzelt­en rheinische­n Kunst der Romanik mit Anregungen aus der französisc­hen Skulptur der Gotik zu einem eigenen Stil verbunden hat. Der Katalog zur Kabintetta­usstellung ist im Museumssho­p für 14,80 Euro erhältlich.

 ?? FOTOS: RHEINISCHE­S BILDARCHIV, KÖLN/M. MENNICKEN, E. BAUER ?? Die Steinfigur des „Samson“(l.) befindet sich in der Benediktin­erabtei Maria Laach. Sie gab dem Samsonmeis­ter seinen Namen. Der „Schreibend­e Engel“(r.) entstand um etwa 1210/20.
FOTOS: RHEINISCHE­S BILDARCHIV, KÖLN/M. MENNICKEN, E. BAUER Die Steinfigur des „Samson“(l.) befindet sich in der Benediktin­erabtei Maria Laach. Sie gab dem Samsonmeis­ter seinen Namen. Der „Schreibend­e Engel“(r.) entstand um etwa 1210/20.
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