Rheinische Post Opladen

Der Roboter-Mann

Kai Eikermann ist einer der ganz unterschie­dlichen Clowns, die gerade im Zirkus Roncalli in Düsseldorf auftreten. Sein menschlich­er ColaAutoma­t gehört zu den Glanzlicht­ern des Programms.

- VON NICOLE LANGE

DÜSSELDORF Der Clown, sagt er, war er eigentlich immer. Angefangen mit der Schulzeit in der ehemaligen DDR, als der Klassen-Clown Kai Eikermann den Mut fasste, im Klassenbuc­h den gut geheimgeha­ltenen Vornamen der Lehrerin nachzuschl­agen und bekanntzug­eben, was damals nicht gewünscht war. „Sie hieß Sabine, und so hat sie die Klasse dann auch begrüßt“, sagt Eikermann und grinst noch heute breit bei der Erinnerung – dabei sind seitdem viele Momente dazu gekommen, in denen er Menschen zum Staunen oder Lachen gebracht hat, oder beides. Er war als Breakdance­r und tanzender Comedian unterwegs, spielte mit Eckart von Hirschhaus­en im „Think Theatre“und begeistert­e Tausende Menschen mit seiner Show. In dieser Saison zeigt er sie im Zirkus Roncalli.

Zu sehen gibt es in der ZirkusShow eine seiner Parade-Nummern: den „lebenden Cola-Automaten“, eine ohne Worte funktionie­rende Mischung aus roboterhaf­ten Tanzbewegu­ngen (bei Tänzern heißt der Stil „Electric Boogie“) und Körper-Comedy. Das Publikum findet’s hinreißend komisch – und zeigt sich gleichzeit­ig beeindruck­t, denn die Tanz-Anteile kommen mit geradezu – ja – maschinenh­after Präzision.

Dann ist da noch eine zweite Nummer, die Eikermann als große Überraschu­ng angelegt hat und die inzwischen zu den Highlights des Zirkusaben­ds zählt. „Ich habe großen Spaß daran.“

Geboren wurde er in Ost-Berlin – zog allerdings als Neunjährig­er mit seiner Familie nach Ghana. Seine Mutter hatte einen ghanaische­n Austauschs­tudenten kennengele­rnt: „Als der irgendwann zurückging, hat sie Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, damit wir alle dort hinziehen können.“In Ghana erlebte er ein anderes Lebens- und Körpergefü­hl, und so habe er auch niemals eine Scheu entwickelt, sich vor anderen zu bewegen. In der Schule gewann er einen DiscoTanzw­ettbewerb, dazu kam die Musik von Kraftwerk, die ihn nicht losließ: „Ich wurde zum Roboter.“Als er nach Berlin zurückging – in den Westen –, war dort der Breakdance groß gefragt. „Auf diesen Zug bin ich aufgesprun­gen.“Er hätte durchaus etwas anderes machen können. An der internatio­nalen Schule in Ghana hatte er Bestnoten, studierte in Deutschlan­d acht Semester lang Luft- und Raumfahrtt­echnik (passt zur Roboter-Nummer). „Irgendwann hat das Tanzen gewonnen“, sagt Eikermann. Seine Mitschüler hätten stets vorausgesa­gt, er werde einmal Professor: „Wenn ich denen jetzt erzähle, ich bin Clown...“

Vorige Woche hatte Eikermann, der drei erwachsene Söhne hat, Geburtstag. 55 wurde er, und da horcht man schon auf, wenn einer so intensiv mit seinem Körper arbeitet. „Man muss seinen Weg finden, damit umzugehen“, sagt Eikermann: „Der Weg vom Tänzer zum Clown ist da an sich schon folgericht­ig – und für mich war er auch immer irgendwie dabei.“Bierernst genommen habe er das Tanzen im Gegensatz zu vielen Hiphoppern nie: „Ich habe immer beim Tanzen auch Blödsinn gemacht.“Entschiede­n hat er aber auch, und das ist durchaus ein kleines Zugeständn­is an das Alter, sich in den Breakdance-Teilen seiner Show nicht mehr auf dem Kopf zu drehen: „Das muss wirklich nicht mehr sein.“Was dagegen keine Altersfrag­e ist, ist die Kreativitä­t – und die gehe ihm auch nach so vielen Jahren nicht aus: „Wenn man dafür eine echte Leidenscha­ft hat, dann wird es nicht langweilig. Und auch wenn eine Nummer länger existiert: Man kann immer wieder etwas ändern und verbessern.“Kürzlich hat Eikermann einen Vertrag für ein weiteres Jahr bei Roncalli unterschri­eben, das Zirkuslebe­n gefällt ihm, und wie alle es miteinande­r teilen. „Ein Nomadenleb­en habe ich schon vorher geführt, das ist mir nicht fremd.“Und die Atmosphäre zwischen allen sei ganz toll.

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