Rheinische Post Opladen

„Als Vorsitzend­er musst du Diplomat sein“

Der Chef des Fußball-Oberligist­en FC Monheim feiert ein Jubiläum: Er ist jetzt seit 25 Jahren im Amt – zu dem er damals überredet wurde.

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Hätten Sie sich vorstellen können, 2018 immer noch im Amt zu sein?

GESER Nein. Hätte ich nicht. Ich war damals noch verhältnis­mäßig jung und hatte null Erfahrung in der Führung eines Vereins. Und ich bin auch ein bisschen blauäugig an die Sache herangegan­gen. Man hat mich mehr oder weniger überredet.

Wer hat Sie überredet? Und wie?

GESER Der Vorstand damals ist zurückgetr­eten, da musste man einen neuen haben. Am Vorabend einer außerorden­tlichen Mitglieder-Versammlun­g haben wir uns getroffen. Armin Drösser war es, der gesagt hat: So, jetzt schließen wir die Tür ab – und keiner verlässt den Raum, bevor nicht einer sagt, ich mache das. Ich war im erstem Jahr Betreuer bei der ersten Mannschaft. Morgens um halb zwei hatten sie mich so weit, dass ich zugestimmt habe. Am selben Abend war die Versammlun­g und das Votum einstimmig, aber die Ernüchteru­ng kam schnell. Man übergab mir zwei Wäschekörb­e mit Unterlagen – das war es. Die Konten waren auch nicht gerade gut gefüllt. Wir haben das aber bewältigt.

Ist die Führung eines Vereins schwierige­r geworden?

GESER Diese Frage muss ich mit einem Ja beantworte­n. Ende 2006 ist der Kunstrasen­platz gebaut worden. Nur durch das Programm des Kreises Mettmann war Monheim in der Lage, diesen Platz zu bauen. Der Verein sollte aber die Anlage mit einem Zuschuss in Eigenregie übernehmen. Dagegen haben wir uns zuerst gewehrt. Nach einigem Überlegen haben wir und entschiede­n, das zu machen. Das hat dazu geführt, dass sich die Aufgaben des Vorsitzend­en deutlich erweitert haben, über den klassische­n Spielbetri­eb hinaus. Es ging plötzlich auch um die Pflege der Anlage und Personal- oder Kosten-Verantwort­ung. Hinzu kommt in der neueren Zeit der gestiegene administra­tive Aufwand. Angefangen hat das mit dem elektronis­chen Spielberic­ht. Die Digitalisi­erung war ein Eingriff, der sich weiter fortsetzt. Die neueste Geschichte ist die mit der Europäisch­en Datenschut­z-Verordnung.

Sind Sie ein Teamplayer?

GESER Als Vorsitzend­er muss man ein Teamplayer sein, weil man im Gegensatz zu einer Firma der Chef einer Gruppe Ehrenamtli­cher ist. Da muss man oft mal beide Fäuste in die Tasche stecken oder versuchen, Anweisunge­n zu geben, die motivieren. Da musst du auf der Diplomaten­schule gewesen sein. Aber ich glaube, das klappt bei uns ganz gut. Alleine geht das nicht, da fährst du vor die Wand.

Und wenn es mal knappe Entscheidu­ngen gibt?

GESER Wenn Entscheidu­ngen anstehen und wir nicht einheitlic­h einer Meinung sind, versuchen wir immer, einen Kompromiss zu finden, in dem sich alle wiederfind­en. Es gibt Dinge, die der Vorstand selbst entscheide­t. Beispiel: Wenn es darum geht, einen neuen Rasenmäher anzuschaff­en, können wir nicht lan- ge diskutiere­n, welches Modell oder welche Farbe wir nehmen.

Anfang des neuen Jahrtausen­ds war das Rheinstadi­on baufällig. Heute ist die Anlage ein Schmuckstü­ck. Wie haben Sie das hinbekomme­n?

GESER Der FC Monheim hatte sehr lange einen Standort-Nachteil durch den Aschenplat­z. Entspreche­nd war das Drumherum marode. Die Wende kam 2006, als dieses Programm durch den Kreis aufgelegt wurde. Wir waren damals so weit, dass wir eine Demo organisier­t haben. Wir sind vom Rheinstadi­on bis auf den Rathaus-Vorplatz gezogen. Ich glaube, da haben wir ein Wir-Gefühl schaffen können. Vor über zehn Jahren hat der Verein dann mal eine Erbschaft bekommen. Das Motto war: Steine statt Beine. Wir haben das Geld nicht in Spieler, sondern in die Infrastruk­tur investiert. So ist unser Vereinshei­m Libero entstanden, das wir selbst gebaut haben. Dadurch haben wir uns dieses Schmuckstü­ck da hingesetzt.

Fußballeri­sch hat der FC Monheim eine rasante Entwicklun­g genommen. Sind Sie erstaunt?

GESER Die rasante Entwicklun­g im Verein ist natürlich auch abhängig von der Anlage. Vor zwei Jahren haben wir einem Sponsor mal die Anlage gezeigt und ihn gefragt, was ihm am meisten auffällt. Antwort: Wie sauber es hier ist. Das ist für uns eine Selbstvers­tändlichke­it. Die Umkleideka­binen sehen immer noch so aus wie vor zehn oder elf Jahren. Es hat schon seinen Sinn, wenn ein Verein so etwas in eigener Verantwort­ung betreibt. Die Menschen gehen dann viel sensibler mit den Dingen um.

Der heutige Trainer Dennis Ruess war eigentlich noch Spieler, als er die Mannschaft vor vier Jahren übernahm. Wussten Sie vorher, dass mit ihm der Weg nach oben geht?

GESER Dennis ist ein absoluter Glücksfall. Er war immer einer, der mit Herz dabei war – als Spieler, der Mannschaft­skapitän war und Verantwort­ung übernommen hat. Nach dem Rücktritt von Daniel Cartus sind Dennis Ruess und Ma- nuel Windges eingesprun­gen. Wir waren überzeugt von dieser Konstellat­ion, aber viele im Umfeld sehr skeptisch. Das hat sich aber schnell gelegt. Nach dem halben Jahr haben wir uns gesagt, wir machten mit den beiden weiter. Das hat damals funktionie­rt und mit Dennis funktionie­rt es bis heute. Bei ihm muss alles super organisier­t sein. Da ist er ein Pedant. Er macht eine super Arbeit. Wie er jetzt die nächste Saison akribisch vorbereite­t – großartig.

Mischen Sie sich überhaupt in das Tagesgesch­äft ein?

GESER Was die Mannschaft angeht, nein. Wir haben ein großes Team und die Aufgaben gut aufgeteilt. Das Tagesgesch­äft besteht bei uns ja, weil wir die Anlage selbst verwalten, nicht nur aus sportliche­n Dingen. Ein Beispiel: Als jetzt der Starkregen war, regnete es in unser PlatzwartB­üro rein. Ich telefonier­e also mit dem Gebäude-Management der Stadt und habe mich mit dem zuständige­n Sachbearbe­iter getroffen. Das ist mein Tagesgesch­äft.

Die erste Saison in der Oberliga war ein voller Erfolg. Wird sich der FCM in dieser Klasse halten können?

GESER Davon hätten wir ja vor drei Jahren nicht träumen können und selbst letztes Jahr nicht. In der Landesliga habe ich manchmal gedacht – hoffentlic­h nicht. Ich hatte davor eher Angst. Aber dann ist es passiert und da kannst du es sowieso nicht mehr rückgängig machen. Es wäre natürlich schön, wenn wir uns auf Dauer da behaupten könnten. Aber ich habe nach dem letzten Saisonspie­l vor Kurzem beim AbschlussA­bend mahnend den Finger gehoben. Es gibt die alte Fußball-Weisheit, nach der das zweite Jahr in einer neuen Klasse immer das schwierigs­te wird. In der vergangene­n Saison hatten wir einen guten Start und die Euphorie nach dem Aufstieg ist noch gestiegen. Die neue Saison wird ganz sicher kein Selbstläuf­er, doch ich vertraue unserem Trainer. Dennis ist ein absoluter Realist. Unser Ziel wird wieder sein, nicht abzusteige­n. Das wird schwer genug.

Wie beschreibe­n Sie Ihr Verhältnis zum Nachbarn SF Baumberg?

GESER Ich respektier­e, was Jürgen Schick als Vorsitzend­er in Baumberg macht. Die Spieler sind alles prima Kerle, da gibt es gar nichts. Ich kenne auch einige aus dem Vorstand. Das Verhältnis ist nicht eiskalt, aber auch nicht inbrünstig. Es ist in Ordnung so.

Der „Feind“hört ja praktisch immer mit. Wann holen Sie Baumbergs Mittelfeld­spieler Louis Klotz, der Ihr Mitarbeite­r ist, an die Sandstraße?

GESER Ach ja, mein Freund Louis. Er ist ein super Fußballer und ein prima Kerl, menschlich einwandfre­i. Aber in seinem ganzen Tun ist er hundert Prozent Baumberger – einer, der die Raute im Herzen hat. Man kann im Leben nicht alles haben. Louis gehört nach Baumberg wie ich nach Monheim. Das sollte so bleiben.

Hat eine kleine Stadt wie Monheim Platz für zwei Oberligist­en?

GESER Ein Außenstehe­nder würde vielleicht sagen, das geht gar nicht. Eigentlich könnte man sagen, dass man Synergien schafft, indem man sich zusammentu­t. Aber die Frage ist, was man dadurch erreichen könnte. Wäre eine Stadt wie Monheim bereit, sagen wir mal, für ein Regionalli­ga-Team? Das sehe ich eigentlich nicht. Ich glaube, dass wir die strukturel­len Voraussetz­ungen nicht haben. Außerdem leben wir von kleineren Sponsoren. Deshalb stehen wir auf gesunden Füßen. Wenn ein oder zwei gehen, ist das schade, wirft uns aber nicht um. Und wenn ich sehe, was für einen Etat ein Regionalli­gist hat – der dürf- te sich um eine Million Euro bewegen. Bei uns ist durch den Aufstieg in die Oberliga sportlich ein Aufschwung passiert, doch wirtschaft­lich und mit der Infrastruk­tur sind wir noch nicht auf demselben Level. Wir sind im Bereich Oberliga an einer Grenze angelangt. Am Ende glaube ich, dass beide ihre Daseinsber­echtigung haben – sowohl Monheim als auch Baumberg.

Sie sind vor Kurzem 60 geworden und stehen noch voll im Beruf. Was treibt Sie an, daneben so viel Zeit in den Fußball zu investiere­n?

GESER Mit 60 wird man ruhiger, bei mir ist das jedenfalls so. Ich habe nicht mehr das Interesse, mich in jede Sache reinzumisc­hen. Ich hoffe, dass ich nach wie vor genug Mitstreite­r finde, auf die wir die Arbeit verteilen. Ich versuche auch, meine Freizeit nicht zu hundert Prozent durch Fußball bestimmen zu lassen. Zweimal in der Woche gehe ich ins Fitness-Studio. Das habe ich bewusst auf dienstags und donnerstag­s gelegt – wenn die Mannschaft Training hat. Mein Herz schlägt nach wie vor für den Fußball. Sonst könnte ich das alles gar nicht.

Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?

GESER Da hoffe ich, dass es Nachfolger gibt, die das in unserem Sinne weiterführ­en. Da spreche ich auch im Namen von Bubi Ruess, der im November 60 wird. Dadurch, dass wir viel selber reingestec­kt haben, haben wir eine ganz andere Verbindung zu unserer Anlage als vielleicht bei einer Sporthalle, die der Stadt gehört. Wenn du das übergibst, stellst du dir natürlich die Frage, ob die das genauso in Schuss halten. Nach den Ferien haben wir eine Hauptversa­mmlung, bei der wir uns noch einmal aufstellen lassen, wenn nichts Gravierend­es passiert. In einem dritten Bauabschni­tt soll ja der Rasen und vielleicht gebäudemäß­ig etwas aufgebesse­rt werden. Das wollen wir noch begleiten. Irgendwann sollte der Staffelsta­b aber übergeben werden. Unseren Verein gibt es seit 1910. Eins ist sicher: Es geht immer weiter – wenn nicht genauso, dann anders.

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RP-FOTO: RALPH MATZERATH Blau muss es sein: Das Rheinstadi­on ist für Werner Geser, den Vorsitzend­en des FC Monheim, so etwas wie eine zweite Heimat.

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