Le Mans: Bergmeister ist der Marathon-Mann
Bei den 24 Stunden durfte der Langenfelder erst zusehen. Dann begann ein knüppelharter Arbeitstag, der Platz sieben brachte.
LE MANS/LANGENFELD Dieses Rennen gönnt normalerweise keinem eine Atempause und verzeiht keine Fehler. Wer die 24 Stunden von Le Mans in Frankreich bewältigen will, muss sowieso ein Nachtmensch sein. Besonders viel Schlaf gibt es nicht. Das alles wusste Jörg Bergmeister natürlich, weil er seit 2002 schon 15 Mal dabei war. Mit 42 Jahren gehört der Porsche-Werksfahrer auch zu den etablierten Größen der Branche. Manches war jetzt trotzdem neu – weil sein deutsches Team „Project 1“aus Lohne zum ersten Mal in der Langstrecken-Weltmeisterschaft startet und entsprechend die Le Mans-Premiere hatte. Deshalb gab es diese Strategie für den Einsatz der Fahrer: Erst Egidio Perfetti, der Norweger, dann Patrick Lindsey, der US-Amerikaner, dann Bergmeister, der Deutsche. Die ersten vier Stunden teilten sich Perfetti und Lindsey. „Da habe ich nur zugeschaut“, berichtet Bergmeister, der fortan nahezu pausenlos im Auto saß – wie am Ende, als der Porsche 911 RSR auf Rang sieben über die Ziellinie raste.
„Ich war froh, als wir es geschafft hatten“, sagt der Langenfelder, „das war richtig anstrengend.“In der Addition der Einsatzzeiten kam er ab etwa 19 Uhr am Samstagabend bis 15 Uhr am Sonntagnachmittag auf etwas mehr als neuneinhalb Stunden – jeweils bei höchstem Tempo und maximaler Konzentration. Als es längst dunkel war in Frankreich, stellte Bergmeister mit 3:53,306 Minuten für die 13,629 Kilometer seinen persönlichen Rekord auf. Der Computer führte den Porsche mit der Startnummer 56 in dieser Runde mit einer Geschwindigkeit von 210,3 Stundenkilometern. Insgesamt legten die drei Fahrer 332 Runden in 24 Stunden zurück, unter dem Strich also 4542,828 Kilometer. Pro Stunde errechnet sich daraus ein Mittel von 188,53 Kilometern – worin alle Routine-Boxenstopps für Fahrerwechsel, Reifenwechsel oder Tanken enthalten sind.
Der Start lief fürs Project-Team nach Platz fünf aus dem Qualifying gut, denn nach einem turbulenten Auftakt lag der gut 500 PS starke Dienstwagen zunächst auf Platz zwei in der Kategorie LM GTE Am. Ein Problem mit den Bremsen kostete zum ersten Mal Zeit – und es ging von Rang sieben aus weiter. Weil der Porsche durchgehend eines der schnellsten Autos im Feld war, lag am anderen Morgen weiter das Podest im Bereich des Möglichen. 90 Minuten vor dem Ende hoffte Bergmeister als Vierter immer noch – bis ihn erneut die Technik im Stich ließ und ein weiterer Boxen-Besuch mit entsprechendem Zeitverlust nötig wurde. „Ohne diesen Stopp wäre mehr drin gewesen“, sagt Bergmeister, „ich hätte mit dem Podium geliebäugelt.“
Fazit: Kein grenzenloser Frust, aber auch keine überschäumende Begeisterung. „Natürlich bin ich mit dem Ergebnis nicht ganz glücklich, aber das Fahren hat richtig Spaß gemacht und Le Mans war wie immer sehr beeindruckend.“Die ProjectMannschaft, für die erste WEC-Saison 2018 ein großes Abenteuer ist, lobte er für Herz, Leidenschaft und großen Einsatz: „Das Team hat Fortschritte gemacht, es geht definitiv in die richtige Richtung. Und es ist gut, dass wir zu Ende gefahren sind.“In Le Mans die Zielflagge zu sehen, war für viele die Erfüllung eines großen Traums – in einem Rennen, das normalerweise keinem eine Atempause gönnt und keine Fehler verzeiht.
Nach Platz neun vom Saisonstart in Spa-Francorchamps (Belgien) und Rang sieben von Le Mans wartet die nächste Herausforderung am 19. August in Silverstone (England). Dieses Rennen dauert wieder – wie die meisten in der WEC – „nur“sechs Stunden. Langeweile wird aber selbst für den Nachtmenschen Bergmeister nicht aufkommen. In seinen Augen darf es dann dringend ein Platz unter den ersten drei sein.