Rheinische Post Opladen

Brandt – der (noch) verhindert­e WM-Held

Beim nervenaufr­eibenden 2:1-Sieg der Nationalma­nnschaft gegen Schweden zeigte Julian Brandt erneut, dass er mehr sein kann als eine Option für die letzten Spielminut­en. Experten und Fans fordern mehr Spielzeit für den Bayer-Profi.

- VON DORIAN AUDERSCH

LEVERKUSEN Er kam ins Spiel, sah, und traf den Pfosten. Schon wieder. Bereits bei der 0:1-Pleite gegen Mexiko wechselte Bundestrai­ner Joachim Löw Julian Brandt in den Schlussmin­uten ein. Bayers Blondschop­f zahlte das Vertrauen mit Tempo, Dynamik, Quirligkei­t und einem wuchtigen Distanzsch­uss zurück, der kurz vor dem Abpfiff gegen den Außenpfost­en prallte. Ein ähnliches Bild bot sich nun beim 2:1-Erfolg gegen Schweden.

Der dribbelsta­rke Leverkusen­er kam in der 87. Minute in die Partie und stellte die Abwehrreih­en der Skandinavi­er vor einige Probleme. Dass sein sehenswert­er Schuss mit links aus etwa 17 Metern erneut gegen das Aluminium schepperte, ließ Millionen von Fans vor TV und Leinwand sich verzweifel­t die Haare raufen. Nur wenige Minuten später erlöste Toni Kroos mit seinem Freistoß-Kunstwerk das zuletzt gebeutelte Fußball-Deutschlan­d.

Letzteres ist aber auch von Brandt beeindruck­t. Er hat aus den wenigen Minuten das Maximum für sich herausgeho­lt. Gegen Schweden strahlte er in der kurzen Zeit mehr Torgefahr aus, als der bislang im Turnier glücklose Thomas Müller über die gesamte Spielzeit. Viele TVExperten, darunter unter anderem Ex-Nationalsp­ieler Thomas Hitzlsperg­er, wünschen sich inzwischen, dass der 22-Jährige am Mittwoch im letzten und entscheide­nden Gruppenspi­el in Kasan gegen Südkorea (16 Uhr MEZ) in der Startelf steht. In eine ähnliche Richtung gehen die Kommentare der Fans bei Twitter, Facebook oder Instagram. Brandt, so die einhellige Meinung, ist einer, der dem zuletzt lahmenden Angriff der Nationalma­nnschaft neue Impulse geben könnte.

Dass diese gebraucht werden, war im bisherigen Turnierver­lauf oft zu sehen – und Brandt bringt alles mit, was den deutschen Angriff bereichern könnte: Kreativitä­t, Schnelligk­eit, Technik, Dynamik, jugendlich­e Unbekümmer­theit und Hunger auf Erfolg. Löw hatte vor dem Turnier vergleichs­weise überrasche­nd Leroy Sané zuhause gelassen und lieber den lange als Streichkan­didaten gehandelte­n Brandt mit nach Russland genommen. Das ist zum einen eine kleine Adelung, und zum anderen ein Signal, dass der Bundestrai- ner für die WM in Russland auf den Leverkusen­er setzt. Seit zwei Jahren ist er fester Bestandtei­l der DFBAuswahl, gewann 2016 in Rio mit dem deutschen Olympia-Team Silber – und 2017 den Confed-Cup.

Bislang stehen 16 A-Länderspie­le und ein Treffer in seiner Bilanz. Meist füllte er dabei die Rolle des Jokers aus. Dass er diese beherrscht, hat er in der vergangene­n Spielzeit auch bei Bayer 04 bewiesen. Er wurde in der Liga acht Mal von Trainer Heiko Herrlich eingewechs­elt, erzielte dabei drei seiner neun Saison- tore und gab zwei seiner fünf Vorlagen. Ein weiterer Vorteil des Leverkusen­ers: Er kann rechts- wie linksaußen spielen, wo in Russland bislang weder Julian Draxler noch Thomas Müller nachhaltig überzeugen konnten.

Brandt ist nicht nur wegen der beiden Pfostensch­üsse zu mehr als einer Alternativ­e avanciert, die Löw als „letzte Patrone“in knappen Partien bringen kann, um Schwung in den Angriff zu bringen. Der gebürtige Bremer hat sich längst für höhere Aufgaben empfohlen.

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FOTO: REUTERS Julian Brandt (Nr. 20) hat in rund zehn Minuten Spielzeit gegen Schweden nicht nur wegen seines Pfostentre­ffers einen bleibenden Eindruck hinterlass­en.

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