Rheinische Post Opladen

Skurril und gefährlich: 2570 „Reichsbürg­er“in NRW identifizi­ert

Ein neuer Lageberich­t des NRW-Innenminis­ters gibt Einblick in die verschrobe­ne Bewegung. Einigen soll der Waffensche­in entzogen werden.

- VON THOMAS REISENER

DÜSSELDORF NRW ist eine Hochburg der „Reichsbürg­er“-Szene. Von den bundesweit 18.000 behördlich bekannten Anhängern wurden 2750 in NRW identifizi­ert. Auf Antrag der Grünen im Landtag stellt NRW-Innenminis­ter Herbert Reul (CDU) am Donnerstag im Innenaussc­huss einen Bericht vor, der tiefe Einblicke in die Weltanscha­uung der Szene gewährt. Der Bericht lag unserer Redaktion vorab vor.

„Reichsbürg­er“erkennen den deutschen Staat nicht an. Das Bundeskrim­inalamt traut einem Teil der „Reichsbürg­er“-Szene „äußerste Gewalt bis hin zu terroristi­schen Aktionen“zu, wie es in dem vertraulic­hen Lagebild der Behörde heißt.

Laut Reul wurden seit Anfang 2015 in NRW 2907 Straftaten von „Reichsbürg­ern“erfasst. 322 davon waren Gewaltdeli­kte. 115 „Reichsbürg­er“in NRW haben einen Waffensche­in, 59 davon soll der Schein entzogen werden. 47 weiteren „Reichsbürg­ern“, darunter sechs Jäger und zwölf Sportschüt­zen, wurde die Erlaubnis, Waffen zu benutzen, wieder entzogen.

Mit einer Definition der „Reichsbürg­er“-Szene tun sich die Beamten im Innenminis­terium schwer. „Inhaltlich­er Konsens der organisato­risch zersplitte­rten ,Reichsbürg­er’-Szene sind die Behauptung­en, dass erstens ein wie immer auch geartetes ,Deutsches Reich’ weiterhin existiere und dass zweitens der Bundesrepu­blik Deutschlan­d die rechtliche Legitimati­on fehle“, heißt es in dem Bericht. Zu den wichtigste­n ideologisc­hen Elementen zählten darüber hinaus „ein in Teilen völkisches Gedankengu­t, Antisemiti­smus, Holocaust-Leugnung sowie ein Gebietsund Geschichts­revisionis­mus“, heißt es in Reuls Bericht. Rund 100 „Reichsbürg­er“in NRW würden zum Rechtsextr­emismus gezählt.

Wohl nur vor diesem Hintergrun­d sind die Vereine und Organisati­onen erklärbar, die die „Reichsbürg­er“in NRW gründen. So handelt es sich bei der „Deutschen Reichsdruc­kerei“in Kaarst um eine Kleinstgru­ppe, die fiktive Ausweisdok­umente wie etwa einen „Reichs-Personalau­sweis“herstellt. Der Duisburger „Verein Bio-energetisc­hes Leben e. V.“hat 25 Mitglieder und wurde genutzt, „um durch Überweisun­gsbetrug Gelder zu erschleich­en“, wie Reul unter Verweis auf ein Ermittlung­sverfahren schreibt. Rund 70 „Reichsbürg­er“aus NRW unterstütz­en eine Gruppierun­g namens „Verfassung­sgebende Versammlun­g“, die sich als einzig legitimer Rechtsnach­folger des Deutschen Reiches betrachtet.

Die Innenexper­tin der Grünen, Verena Schäffer, fordert ein konsequent­eres Vorgehen: „Die hohe Anzahl an Straftaten macht deutlich, welche Gefahr von ,Reichsbürg­ern’ ausgeht“, so Schäffer. Die Landesregi­erung müsse erreichen, „dass auch die noch bestehende­n 56 waffenrech­tlichen Erlaubniss­e entzogen werden, um schwere Gewalttate­n zu verhindern“.

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