Das Stadtarchiv – von wegen staubige Akten
Wer das Büro von Marco Klatt betritt, sieht einen sehr aufgeräumten Schreibtisch und zwei Bildschirme: die Schaltzentrale des umfangreichen Stadtarchivs Langenfeld. Staub? Fehlanzeige. Aktenstapel? Keine Spur.
LANGENFELD Marco Klatt ist gut zu Fuß. Denn die Standorte der diversen Archivalien sind fast über das ganze Freiherr-vom-Stein-Haus verteilt. Das heißt: Um eine Verwaltungsakte zu suchen oder einzuräumen, läuft der Archivar von der zweiten Etage bis ins Untergeschoss. Nur wenn er Nachschub bekommen hat, nimmt er den Aufzug zum Transport. Denn eine der Pflichtaufgaben des Stadtarchivs Langenfeld ist es, das Schriftgut der Stadtverwaltung zu verwahren.
Regelmäßig schickt das Rathaus stapelweise Papier an die Freiherrvom-Stein-Straße: Ausschussunterlagen, Sitzungsprotokolle, Schriftwechsel, Pläne oder Personalakten. Diese systematisiert der Archivleiter so, dass er sie bei Bedarf schnell wiederfindet. Die meisten dieser Akten lagern im Keller des Freiherrvom-Stein-Hauses, im Magazinraum mit Rollregalen.
„Wir verwalten hier rund 120 Meter Akten“, sagt Klatt. Die Archivsoftware „Augios“hilft ihm. Mithilfe des Programms und der Systematik zur Zeitgeschichtlichen Sammlung (ZGS) kann er schnell nachschauen, wo welche Akte hinterlegt ist, wo die dazugehörigen Bilder zu finden sind und welche Sperrfristen vor einer Herausgabe von Material zu beachten sind.
Dabei gilt bei Personalakten eine Sperrfrist von 110 Jahren nach der Geburt. Die von Bürgermeister Frank Schneider ist also noch lange geschützt. Aber die des ehemaligen Bürgermeisters Felix Metzmacher ist inzwischen zugänglich. „Die waren sehr gefragt, als es um den Abriss der alten Hauptschule ging“, berichtet Klatt.
Wer übrigens Fotos zu Metzmacher sucht, findet diese unter der Nummer 101-10. Das ist eine Findnummer der Zeitgeschichtlichen Sammlung. Texte und Bilder sind in Räumen der zweiten Etage gelagert, in Hängeregistern und Karteischränken. Auch im Familien- und Personenregister ist Metzmacher unter seinem Nachnamen zu finden. Dort trägt er die Nummer 24012.
Die tägliche Zeitungsauswertung gehört für den Archivar eher zur Kür, obwohl er sie genauso systematische betreibt, wie die Aktenaufbewahrung des städtischen Schriftguts. „Wir vergeben Archivnummern, sortieren thematisch – etwa nach städtischem Leben, Straßennamen, Personen, Vereinen oder kulturellen Ereignissen. So dass es schon einmal sein kann, dass ein Artikel jeweils in zwei verschiedenen Mappen landet“, erläutert Museums-Chefin Dr. Hella-Sabrina Lange, die auch für das Archiv zuständig ist. Das habe den Vorteil für Nutzer, dass sie schnell etwas finden können. In Mappe mit Nummer 107 befinden sich Berichte über den Betriebshof. „Es kann sein, dass derselbe Bericht noch einmal unter Bastian Steinbacher, dem Namen des Betriebshofleiters, abgelegt ist“, sagt Klatt.
In Langenfeld, so erläutern die Beiden, wähle der Archivar aus, was in die Mappe kommt. „Deckblätter von Tageszeitungen, wie sie immer wieder gern nachgefragt werden, haben wir nicht“, sagt Lange. „Es gibt Absprachen mit den anderen Archivaren im Kreis, damit nicht jeder alles vorhalten muss.“
Insgesamt geht das Archiv bis ins Jahr 1708 zurück. Soweit reicht beispielsweise die Chronik der evangelischen Volksschule Reusrath. Sie endet 1952. „Früher haben die Direktoren viel Mühe auf Chroniken verwendet. Auch Weltereignisse wurden hineingeschrieben“, erläutert Klatt. Spannend sei eine solche Chronik, wenn man wissen will, wie stark etwa die Schülerzahlen während der NS-Zeit eingebrochen sind, erläutert Klatt weiter. Besonders Schüler erkundigten sich häufig nach Dokumenten aus dieser Zeit – etwa, wenn dies Gegenstand des Unterrichts oder eines Projektes ist. „Jüdisches Leben in der Stadt ist häufig nachgefragt, ebenso wie die Ereignisse am Wenzelnberg“, der Massenmord an Häftlingen kurz vor Kriegsende 1945.
Stammbücher mit Geburts- und Todes- sowie Heiratsregistern sind ebenfalls gefragt. Auch dort gibt es Sperrfristen. Dabei gilt ebenfalls: 110 Jahre nach der Geburt oder 30 Jahre nach dem Tod dürfen die Daten erst zugänglich gemacht werden. Auch Ratsakten – Baupläne, Bauvoranfragen, die nicht-öffentlich diskutiert wurden, unterliegen einer mindestens Sperrfrist.
Vor allem Ahnenforscher, die sich im Freiherr-vom-Stein-Haus regelmäßig treffen, nutzen für ihre Recherchen gern den Besucherplatz im Büro von Klatt, der den Forscherkreis regelmäßig begleitet. Das Personenstandsregister ist inzwischen zu 100 Prozent digitalisiert und kann am Rechner eingesehen werden. Das gilt nicht für alle Archivalien, 30-jährigen nicht für Festschriften und alte Fotos, die Bürger ins Archiv bringen. Zur Zeitgeschichtlichen Sammlung kommen pro Jahr bis zu 2000 Stücke hinzu. 10.000 Fotos sind systematisiert. „Wir blicken hier nicht nur in die Vergangenheit“, erläutert Klatt. Wir schauen auch nach vorne, also darauf, was vielleicht in 50 Jahren von besonderem Interesse sein könnte“, beschreibt Klatt den Ansatz der Archivarbeit.