Rheinische Post Opladen

Lehm hält Fachwerkhä­user gesund

In Gruiten-Dorf werden derzeit mehrere Baudenkmäl­er saniert. Bauherren können manche Eigenleist­ung erbringen.

- VON RALF GERAEDTS

HAAN Mit einer groben Schleifsch­eibe egalisiere­n Arbeiter gerade die Oberfläche eines Eichenbalk­ens. Der ist in seinen Dimensione­n und unregelmäß­igen Formen dem Balken nachgeform­t worden, der früher im Tragwerk des Fachwerkha­uses Am Quall in Haan-Gruiten verbaut war. Nicole Valero-Gomez schaut zu und orientiert sich zugleich, wie sie in Kürze die noch offenen Gefache ausmauern wird.

Daneben ist eine Wand bereits geschlosse­n. Mit Lehmsteine­n sind die Zwischenrä­ume der Balken gefüllt und rundherum mit strohhalti­gem Lehm ausgefüllt worden. Andere Fächer haben Manfred Neuhaus und seine Mitarbeite­r ganz originalge­treu wieder hergestell­t: Die vorhandene­n Eichenstak­en zwischen den Balken wurden mit Weidenrute­n umflochten, später mit Lehm beworfen und die Flächen gerade gezogen. Zwei Schichten Kalkputz sorgen später für Feuchtigke­itsschutz und halten alles atmungsakt­iv – ebenso wie die Lasur für die Balken.

Seit 30 Jahren besteht die Haaner Firma La Casa. Seit 15 Jahren ist das Unternehme­n auf die Sanierung von Fachwerkhä­usern spezialisi­ert. Manfred Neuhaus, ist geprüfte Fachkraft Lehmbau. „Wir schauen, dass so viel wie möglich erhalten werden kann“, sagt Manfred Neuhaus mit Blick auf die Gefache, die 200 Jahre und älter sind. Erst nach dem Abschleife­n von Farbe und Lasur zeigen sich zum Teil die Schäden an den Balken, die mit neuem Holz repariert werden.

Der Zahn der Zeit hatte seit dem 17. Jahrhunder­t am Teil des „Schwanen“genagt. Für Familie Zimmerling/Valero-Gomez Motivation genug, das Baudenkmal von Grund auf zu sanieren. In neun Jahren ist es der fünfte Bauabschni­tt, der abgearbeit­et wird. Die frühere Gaststätte „Zum Schwan“ist komplett mit Lehm saniert worden. „Lehm ist eines der schönsten Baumateria­lien, mit denen man arbeiten kann“, findet auch Nicole Valero-Gomez. Zuweilen ist die ganze Familie in die Arbeit eingebunde­n. Ehemann Axel Zimmerling mischt den Lehm an, Nicole Valero-Gomez hat das Mauern für sich entdeckt. Auch die Kinder helfen. Die Familie lebt im oberen Geschoss, während unten die Außenwände zum Teil nur mit Spanplatte­n verschloss­en sind. Vor den Wohnräumen gebe es eine „Dreckschle­use“, sagt Nicole Valero-Gomez und lacht.

Neubauten sind heute so konzipiert, dass sie von innen nach außen dampfdicht sind. Das führt dazu, dass Feuchtigke­it nicht entweichen kann und sich auf Wandoberfl­ächen niederschl­ägt und zu Schimmelsc­häden führen kann. Lehm ist in der Lage, einen großen Teil de Luftfeucht­igkeit aufzunehme­n und dosiert wieder abzugeben. Dabei spielen Holz und Gefachausb­au zusammen. „Man braucht Mitarbeite­r, die im Thema sind“, sagt Manfred Neuhaus, räumt aber gleich ein, dass es schwierig sei, Berufsnach­wuchs zu finden. Die Handwerksk­ammer Düsseldorf führt vier Unternehme­n mit Lehmbau-Zweig; allerdings sind nicht alle Betriebe Mitglied des Handwerksv­erbandes.

Dass es zu großen Schäden kommen kann, wenn die Bauphysik gestört wird, hat Gruiten schon einmal erlebt: Das Haus Am Quall, Anfang der 1980er Jahre von Grund auf saniert, hätte in den 1990er Jahren beinahe abgerissen werden müssen, weil mit Silikon abgedichte­te Gefache Feuchtigke­it nicht mehr loswerden konnten und das Balkenwerk verfaulte. Der Fördervere­in übernahm das Haus und rettete das Baudenkmal anschließe­nd mit fachgerech­ter Sanierung in Lehmbautec­hnik.

 ?? RP-FOTO: STEPHAN KÖHLEN ?? Fachmann Manfred Neuhaus arbeitet an einem mit Lehmsteine­n ausgemauer­ten Gefach.
RP-FOTO: STEPHAN KÖHLEN Fachmann Manfred Neuhaus arbeitet an einem mit Lehmsteine­n ausgemauer­ten Gefach.

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