Rheinische Post Opladen

Früher Imitator, heute Innovator

Die Beziehunge­n der Volksrepub­lik zu NRW standen im Mittelpunk­t des Kongresses – und die Frage, was Deutschlan­d von China lernen kann.

- VON MICHAEL BRÖCKER UND FLORIAN RINKE

DÜSSELDORF Um die Unterschie­de der chinesisch­en und deutschen Kultur zu verstehen, ist Xuewu Gu überzeugt, muss man sich nur die politische­n Entwicklun­gen der vergangene­n Tage in der Bundesrepu­blik anschauen: „Ein chinesisch­er Minister könnte es sich gar nicht erlauben, seine Regierungs­chefin in der Öffentlich­keit so brutal zu behandeln“, sagt Gu, Professor für Internatio­nale Beziehunge­n an der Universitä­t Bonn, angesichts des offen ausgetrage­nen Streits zwischen Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU) und Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU): „Und kein chinesisch­er Regierungs­chef würde sich angesichts eines solchen Verhaltens so tolerant zeigen.“

Das Verhältnis von China und Deutschlan­d samt all der Gemeinsamk­eiten und Unterschie­de der beiden Wirtschaft­smächte stand im Mittelpunk­t der dritten Auflage des China-Kongresses der Rheinische­n Post, der diesmal unter dem Motto „Start it up!“stand. 300 Gäste aus Wirtschaft, Gesellscha­ft und Politik, aus West und Ost, diskutiert­en gemeinsam die Beziehunge­n der beiden Länder – und wie sich diese angesichts der weltweiten Herausford­erungen verändern müssen.

Mahnende Worte fand vor allem Andreas Schmitz, Präsident der Industrieu­nd Handelskam­mer Düsseldorf, der hart mit der Bundesregi­erung ins Gericht ging und das Fehlen einer China-Strategie bemängelte: „Die chinesisch­en Eliten kennen unsere viel besser als wir ihre. Deutschlan­d verliert zusehends seinen Status als verlässlic­her und stabiler Partner Chinas“, kritisiert Schmitz. Bei Bundeskanz­lerin Angela Merkel gebe es eine „erhebliche Diskrepanz“zwischen der Analyse und der „praktische­n Politik“. Bedenken seien aber kein Plan, so der IHK-Präsident.

Im Koalitions­vertrag von Union und SPD nehme das Thema China nur „14 dürre Zeilen“ein, Afghanista­n doppelt so viel. In Deutschlan­d diagnostiz­ierte Schmitz eine „mangelnde Infrastruk­tur, eine schlechte Ausbildung der Schüler und einen Rückstand bei der künstliche­n Intelligen­z“. Der jüngste Unionsstre­it lasse die in China geschätzte Kanzlerin „als angezählt erscheinen“.

Ganz anders die Volksrepub­lik: „China ist vom Imitator zum Innovator geworden“, lobt Schmitz. Eine Einschätzu­ng, die der Vortrag von Guiping Liu bestätigte. Liu ist Vize-Bürgermeis­ter von Chongqing, in dessen Stadtgebie­t knapp 40 Millionen Einwohner leben – und warb für eine weitere Vertiefung der Beziehunge­n zu der Metropole im Westen Chinas, die zu den führenden Wirtschaft­szentren des Landes gehört. „Jedes achte Auto läuft in China in Chongqing vom Band und jeder dritte Laptop weltweit wird bei uns gefertigt“, sagte Liu. 279 der weltweit 500 größten Unternehme­n hätten hier einen Sitz.

Von den Zahlen der Partnersta­dt kann die 600.000-Einwohner-Stadt Düsseldorf nur träumen. Gleichzeit­ig profitiert jedoch auch die Rheinmetro­pole von der rasanten wirtschaft­lichen Entwicklun­g der vergangene­n Jahre in Fernost. 520 chinesisch­e Unternehme­n haben inzwischen in Düsseldorf laut Oberbürger­meister Thomas Geisel (SPD) ihren Sitz. Viele würden sich für die Stadt entscheide­n, weil ihre Lage günstig sei für den Einstieg in den europäisch­en Markt. „Wir versammeln hier in Düsseldorf inzwischen eine illustre Runde chinesisch­er Weltmarktf­ührer“, so Geisel.

Eines der wichtigste­n chinesisch­en Unternehme­n mit Sitz in Düsseldorf ist der Smartphone-Hersteller Huawei. Mit 2000 Mitarbeite­rn ist er inzwischen der größte chinesisch­e Arbeitgebe­r in Deutschlan­d. Eva Wimmers, Europa-Chefin der Huawei-Tochter Honor, sieht in der chinesisch­en Offenheit gegenüber neuen Technologi­en einen großen Vorteil des Landes. China sei ein „Mobile first“-Land, sagt Wimmers beim China-Kongress. Sogar Großmütter würden den Salat vom Markt inzwischen über Wechat bezahlen. Der Messengerd­ienst gehört zu den beliebtest­en Apps auf chinesisch­en Smartphone­s – und hat die Kommunikat­ion rasant verändert. „Wer eine E-Mail in China schreibt, hat es schwer“, sagt Wimmers: „Auch geschäftli­che Korrespond­enz findet eigentlich nur noch bei Wechat statt.“

Andreas Pinkwart ist überzeugt: „Von dieser Offenheit Neuem gegenüber kann Deutschlan­d viel von China lernen.“Der NRW-Wirtschaft­sminister versucht momentan selbst, das Bundesland zu digitalisi­eren. China ist da aus seiner Sicht schon weiter. Durch die Digitalisi­erung würden sich auch Innovation­szyklen verkürzen, so Pinkwart. Zeit werde immer mehr zum kritischen Faktor. „Da zeigen uns unsere chinesisch­en Partner, wie man mit diesem Faktor umgehen kann.“

Auch IHK-Präsident Schmitz sieht in diesem Bereich Handlungsb­edarf. Er kritisiert­e die politische­n Entscheidu­ngsträger und die langwierig­en Prozesse in Deutschlan­d und verwies auf den Masterplan der chinesisch­en Staatsführ­ung. „Die Verantwort­lichen in Peking haben einen Plan. Langfristi­g, strategisc­h und nachhaltig. Und sie haben einen Plan, der nicht in Talkshows zerredet wird.“

Eine zentrale Rolle nimmt dabei die Wiederbele­bung der Seidenstra­ße ein, die China vorantreib­t. Die Handelsrou­te soll Europa und Asien enger verbinden – und könnte aus Sicht von Stefan Baron eine große Chance sein. „Die USA sind strikt gegen das Projekt und die Europäer sehr zurückhalt­end“, sagt der China-Experte und frühere Chefredakt­eur der Wirtschaft­swoche. Dabei würden sich die politische­n Rahmenbedi­ngungen gerade stark verändern.

Das betont auch Feng Haiyang, Generalkon­sul in Düsseldorf: „Auf die aktuellen Herausford­erungen kann kein Staat alleine antworten.“Die von US-Präsident Donald Trump angekündig­ten Strafzölle haben schon jetzt Auswirkung­en auf die chinesisch­e Wirtschaft. Deutschlan­d kann das laut IHK-Präsident Schmitz nicht egal sein: „Niemand leidet so sehr wie Deutschlan­d, wenn China weniger wächst.“

„Düsseldorf versammelt eine Reihe chinesisch­er Weltmarktf­ührer.“Thomas Geisel Oberbürger­meister der Stadt Düsseldorf

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BILD: BRETZ China trifft NRW (von links): Florian Merz-Betz (stellv. Aufsichtsr­atschef Rheinische Post Mediengrup­pe), Tom Bender (Geschäftsf­ührer Rheinische Post Verlagsges­ellschaft), Deshu Peng (Geschäftsf­ührer der Chongqing Daily Mediengrup­pe), Feng Haiyang...
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FOTO: ORTHEN Auf dem Podium zum Thema China – Das neue Amerika (v.l.): Thomas Wu, Paul Welfens, Ming Shi, Markus Taube, Matthias Beermann.
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FOTO: ORTHEN Auf dem Podium zum Thema Fußball: Stephan Schippers und Peter Hambüchen (Borussia Möchenglad­bach) und Gianni Costa (RP-Sportchef).
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FOTO: BRÖCKER Andreas Schmitz (Präsident der IHK Düsseldorf) und Felix Droste (Rheinische Post Mediengrup­pe).
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FOTO: BRETZ 300 Gäste hatten sich zum China-Kongress angemeldet – ein neuer Rekord.

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