Rheinische Post Opladen

Die Ballkünstl­er

Wenn es um Mannschaft­ssport mit einem runden Spielgerät geht, ist Kroatien fast immer vorne dabei. Wasserball­er und Handballer spielen schon lange um große Titel mit – jetzt planen die Fußballer den großen Wurf.

- VON BERND JOLITZ

SOTSCHI/DÜSSELDORF Kroatien hat 4,2 Millionen Einwohner. Das sind in etwa so viel wie in Rheinland-Pfalz – nur dass die Pfälzer bislang nicht im Verdacht stehen, sich zur Weltmacht in Sachen Ballsporta­rten aufzuschwi­ngen. Kroatien dagegen ist eine der führenden Nationen im Welthandba­ll, hat stets großartige Basketball­er hervorgebr­acht und ist im globalen Wasserball sogar das Maß aller Dinge: Seit 2007 holten die Spieler mit den rotweiß karierten Badekappen bei den alle zwei Jahren ausgetrage­nen Weltmeiste­rschaften immer eine Medaille und sind amtierende Titelträge­r. „Wenn es um einen Mannschaft­ssport geht, bei dem ein Ball mit im Spiel ist“, sagt der langjährig­e Leiter der DFB-Fußballleh­rer-Ausbildung, Erich Rutemöller, „dann sind die Kroaten mit dabei.“

Deshalb hatte der Sportvorst­and von Fortuna Düsseldorf die Mannschaft im Karo-Dress auch bereits vor Beginn der Fußball-WM auf seinem Zettel. Aber dort hatten die Kroaten seit dem dritten Platz 1998 in Frankreich schon oft ihren Stammplatz, auf den Zetteln vieler Experten sogar. Doch rechtferti­gen konnten sie diese Vorschussl­orbeeren selten. Störende Egoismen vermeintli­cher Stars, allzu viel Ballverlie­btheit und mangelnde Konzentrat­ion in entscheide­nden Turnierpha­sen machten den Kickern vom Balkan regelmäßig einen Strich durch die Rechnung.

Die bittere Bilanz der vergangene­n Endrunden: 2002, 2006 und 2014 jeweils in der Vorrunde gescheiter­t, 2010 gar nicht erst für Südafrika qualifizie­rt. Ein Desaster für das ballverlie­bte Volk, das deshalb die aktuellen Erfolge in Russland in vollen Zügen genießt.

Auf den ersten Blick scheint zwar eine Menge Glück mit im Spiel zu sein: Nach einer starken Vorrunde benötigten die Kroaten gegen Dänemark und Gastgeber Russland zwei Elfmetersc­hießen für den Sprung ins Halbfinale. Doch wer allein Glück als Faktor ausmacht, springt zu kurz. Schon allein, was das Elfmetersc­hießen anbelangt. Torhüter Danijel Subasic ist kein Glücksritt­er, sondern ein Keeper von der Sorte, dem man beim Nervenspie­l vom Punkt höchstens seinem ärgsten Feind als Kontrahent­en wünscht. Der 33-Jährige von der AS Monaco ist reaktionss­tark und nutzt das Regelwerk bis in seine finsterste Ecke aus. Und Luka Modric und Ivan Rakitic treffen in den gefürchtet­en Entscheidu­ngsrunden nach Belieben.

Überhaupt Modric: Der Stratege des Champions-League-Siegers Real Madrid ist in der Form seines Lebens. Das zeigt sich in herausrage­ndem Passspiel und gefährlich­en Abschlüsse­n, besonders aber in seinem mitreißend­en Laufspiel. Der 32-Jährige ist der unumstritt­ene Chef. Einer, zu dem selbst Kollegen wie Mario Mandzukic, Dejan Lovren und Rakitic, die selbst hochdotier­te Stars in großen Klubs sind, aufschauen, weil er sich für keine Arbeit zu schade ist. Das macht den Unterschie­d zum Kroatien früherer Turniere aus – Modric führt ein Team, das Egoismen zurückstel­lt und Teamgeist entwickelt hat. Das Einzige, was die Karo-Kicker stoppen kann, ist das Konditions­problem, das in beiden Verlängeru­ngen offenkundi­g wurde. Aber vielleicht schaffen sie es gegen England ja ausnahmswe­ise mal in 90 Minuten.

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FOTO: DPA Kroatische Fans beim WM-Stadionbes­uch im Fußballtri­kot und mit Wasserball­kappe – Hauptsache kariert.

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