Jung, offen – und im Spielmannszug
Drei junge Flötistinnen können die Sprüche Gleichaltriger nichts anhaben. Sie stehen zu Tracht und Konvention.
LANGENFELD „Mega cool“ist es nicht gerade, wenn Hannah (16) und Annika (14) in Schützentracht im Spielmannszug auftreten – wie beim Richrather Schützenfest am Wochenende und heute auch noch einmal. Aber es gehört einfach zur Tradition, die man weitertragen sollte, sind sich die beiden OHG-Schülerinnen einig. „Und außerdem schaut ja auch niemand aus der Schule zu“, sagt Annika. Peinlich wäre aber auch das den beiden Mädels nicht. Dafür stehen sie viel zu sehr hinter der netten Gemeinschaft und vor allem der reizenden musikalischen Leiterin des Orchesters, Katrin Hünnebeck (24). Letztere ist seit 16 Jahren dabei, spielt Flöte, dazu noch Klavier und dirigiert den Zug. Einmal in der Woche unterrichtet sie Jugendliche und Ältere in kleinen Gruppen.
Es ist vor allem die Chance, selbst Musik zu machen und sogar zwei Jahre lang für wenig Geld am Musikunterricht teilnehmen zu können, die die Schülerinnen motiviert hat, Mitglied im Richrather Spielmannszug zu werden. Beide sind jetzt seit fünf Jahren dabei und wollen bleiben. Die Märsche, die am Wochenende gespielt wurden, sind bei weitem nicht alles im Repertoire der Musiker. Auch wenn Annika ganz unumwunden zugibt, dass ihr die schmissigen Töne liegen. Privat hört sie natürlich anderes. Da gibt sie Katy Perry und James Blunt den Vorzug. „Zu Hause würde nie jemand von uns Marschmusik auflegen“, sagt auch Katrin Hünnebeck.
Zum Repertoire des traditionellen Musikzuges gehören auch klassische Stücke, Kirchenmusik, Weihnachtsund Martinslieder. „Wir können sogar Karnevalsstücke“, sagt Christoph Hünnebeck, Vorsitzender des Spielmannszuges.
Wie kommt man nun als junges Mädchen oder Kind dazu, sich einem derart traditionellen Verein anzuschließen? Bei Hannah war es die beste Freundin Kira, die ihr aufs Flötenspiel Lust machte. Und bei Annika waren es Freunde der Eltern, die ihre Neugier weckten. Alle drei Mädels fühlen sich in der Gemeinschaft von Alt und Jung gut aufgehoben und anerkannt, auch wenn sie das schlechte Image mitunter zu spüren kriegen. „Da habe ich schon sehr zu kämpfen“, sagt Kinderkrankenschwester Katrin. „ Ich bin in noch einem anderen Verein und gehe in Hilden tanzen. Wenn ich dort nach einer Musik-Probe aus Zeitgründen in Schützentracht auftauche, kriege ich einen Spruch reingedrückt.“Hausieren gehen die Schülerinnen mit ihrem Hobby offenbar nicht, wenngleich sich Hannah ein bisschen mehr Reklame für den Spielmannszug zum Beispiel in der Schule wünscht.
Die Mädchen sind mit ihren Flöten die Jüngsten zwischen Becken und Schellenbaum. „Und leider werden die Jüngeren auch immer weniger“, sagt Christoph Hünnebeck. Dringend gesucht wird eine Verstärkung der musikalischen Leitung.
Berührungsängste sind nicht angebracht. Vater und Tochter Hünnebeck und die beiden jungen Flötistinnen sind keine biederen Landpomeranzen, die sich durch Schützentracht und Schießtraining aufwerten müssen, sondern aufgeschlossene intelligente Menschen, die im Hier und Jetzt zu Hause sind.
Auch wenn sie heute noch mal in maßgeschneiderten blauen Jackets, Weste und roter Krawatte aufspielen und sogar ihre eigene Majestät ausschießen. Während Annika mit ihren 14 Jahren dem ersten Schuss in zwei Jahren, den sie abgeben darf, entgegenfiebert, ist das für Hannah kein Thema. „Schießen ist einfach nicht mein Ding“, sagt sie.