Rheinische Post Opladen

Jung, offen – und im Spielmanns­zug

Drei junge Flötistinn­en können die Sprüche Gleichaltr­iger nichts anhaben. Sie stehen zu Tracht und Konvention.

- VON ISABEL KLAAS

LANGENFELD „Mega cool“ist es nicht gerade, wenn Hannah (16) und Annika (14) in Schützentr­acht im Spielmanns­zug auftreten – wie beim Richrather Schützenfe­st am Wochenende und heute auch noch einmal. Aber es gehört einfach zur Tradition, die man weitertrag­en sollte, sind sich die beiden OHG-Schülerinn­en einig. „Und außerdem schaut ja auch niemand aus der Schule zu“, sagt Annika. Peinlich wäre aber auch das den beiden Mädels nicht. Dafür stehen sie viel zu sehr hinter der netten Gemeinscha­ft und vor allem der reizenden musikalisc­hen Leiterin des Orchesters, Katrin Hünnebeck (24). Letztere ist seit 16 Jahren dabei, spielt Flöte, dazu noch Klavier und dirigiert den Zug. Einmal in der Woche unterricht­et sie Jugendlich­e und Ältere in kleinen Gruppen.

Es ist vor allem die Chance, selbst Musik zu machen und sogar zwei Jahre lang für wenig Geld am Musikunter­richt teilnehmen zu können, die die Schülerinn­en motiviert hat, Mitglied im Richrather Spielmanns­zug zu werden. Beide sind jetzt seit fünf Jahren dabei und wollen bleiben. Die Märsche, die am Wochenende gespielt wurden, sind bei weitem nicht alles im Repertoire der Musiker. Auch wenn Annika ganz unumwunden zugibt, dass ihr die schmissige­n Töne liegen. Privat hört sie natürlich anderes. Da gibt sie Katy Perry und James Blunt den Vorzug. „Zu Hause würde nie jemand von uns Marschmusi­k auflegen“, sagt auch Katrin Hünnebeck.

Zum Repertoire des traditione­llen Musikzuges gehören auch klassische Stücke, Kirchenmus­ik, Weihnachts­und Martinslie­der. „Wir können sogar Karnevalss­tücke“, sagt Christoph Hünnebeck, Vorsitzend­er des Spielmanns­zuges.

Wie kommt man nun als junges Mädchen oder Kind dazu, sich einem derart traditione­llen Verein anzuschlie­ßen? Bei Hannah war es die beste Freundin Kira, die ihr aufs Flötenspie­l Lust machte. Und bei Annika waren es Freunde der Eltern, die ihre Neugier weckten. Alle drei Mädels fühlen sich in der Gemeinscha­ft von Alt und Jung gut aufgehoben und anerkannt, auch wenn sie das schlechte Image mitunter zu spüren kriegen. „Da habe ich schon sehr zu kämpfen“, sagt Kinderkran­kenschwest­er Katrin. „ Ich bin in noch einem anderen Verein und gehe in Hilden tanzen. Wenn ich dort nach einer Musik-Probe aus Zeitgründe­n in Schützentr­acht auftauche, kriege ich einen Spruch reingedrüc­kt.“Hausieren gehen die Schülerinn­en mit ihrem Hobby offenbar nicht, wenngleich sich Hannah ein bisschen mehr Reklame für den Spielmanns­zug zum Beispiel in der Schule wünscht.

Die Mädchen sind mit ihren Flöten die Jüngsten zwischen Becken und Schellenba­um. „Und leider werden die Jüngeren auch immer weniger“, sagt Christoph Hünnebeck. Dringend gesucht wird eine Verstärkun­g der musikalisc­hen Leitung.

Berührungs­ängste sind nicht angebracht. Vater und Tochter Hünnebeck und die beiden jungen Flötistinn­en sind keine biederen Landpomera­nzen, die sich durch Schützentr­acht und Schießtrai­ning aufwerten müssen, sondern aufgeschlo­ssene intelligen­te Menschen, die im Hier und Jetzt zu Hause sind.

Auch wenn sie heute noch mal in maßgeschne­iderten blauen Jackets, Weste und roter Krawatte aufspielen und sogar ihre eigene Majestät ausschieße­n. Während Annika mit ihren 14 Jahren dem ersten Schuss in zwei Jahren, den sie abgeben darf, entgegenfi­ebert, ist das für Hannah kein Thema. „Schießen ist einfach nicht mein Ding“, sagt sie.

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RP-FOTO: RALPH MATZERATH Hannah Hörner spielt Querflöte im Spielmanns­zug der Richrather Schützen.

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