Rheinische Post Opladen

„Chefs sind Affen in Anzügen“

„Hilfe, mein Chef ist ein Affe“heißt das Buch des Biologen. Er zieht Parallelen zwischen Primaten und Menschen in Büros.

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Mein Chef ist ein Affe, so Ihre These. Wenn ich meinem das sage, gibt es Ärger. Hätte ich trotzdem Recht? VAN VEEN Ja, absolut. Das ist ja nicht als Beleidigun­g gemeint. Menschen und Affen haben unglaublic­h große Ähnlichkei­ten. 98,4 Prozent unseres genetische­n Materials teilen wir mit unseren engsten Verwandten, den Schimpanse­n. Auch mit anderen Affenarten ist die biologisch­e Ähnlichkei­t groß. Aber woran machen Sie das fest, es geht ja in Ihrem Buch weniger um Genetik als vielmehr um menschlich­es Verhalten, oder? VAN VEEN Wieder absolut richtig, Kompliment (lacht). Es gibt Parallelen. Bei Affen, die auf einem Affenfelse­n sitzen, ist eines gut erkennbar. Die Affen sitzen an unterschie­dlich guten Plätzen. Doch die Verteilung der Sitzplätze erfolgt nicht zufällig oder nach dem Prinzip „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“. Die Sitzplätze der Affen auf dem Felsen werden nach dem Rang oder der Aufgabe vergeben, die der jeweilige Affe in der Gruppe hat. Hält sich jemand dabei nicht an die Regeln, bekommt er von einem anderen Affen eins auf die Mütze. Und was hat das bitte jetzt mit meiner Bürogemein­schaft zu tun? VAN VEEN Dort werden die Arbeitsplä­tze nach den ziemlich gleichen Regeln vergeben. Der Chef hat ein Einzelbüro, seine Stellvertr­eter vielleicht eines mit nur zwei Schreibtis­chen. Das Gros der Büromitarb­eiter sitzt im Großraumof­fice – und der Lehrling oder Praktikant hat vielleicht gar keinen eigenen Platz und sitzt immer dort, wo der Kollege gerade nicht sitzt, weil er Urlaub hat. Wie bei den Affen. Was sind denn die wesentlich­en Unterschie­de zwischen Affenrolle­n und denen der Menschen? VAN VEEN Ein Unterschie­d ist, dass Affen sich immer in der gleichen Gruppe aufhalten, tagein, tagaus. Lediglich im gesamten Affenleben verschiebt sich mal die Rolle. Beim Menschen ist das etwas anders, weil er buchstäbli­ch in verschiede­nen Affenherde­n unterwegs ist. So kann es sein, dass der Chef auf der Arbeit zwar das Alphatier mimt, bei seiner Frau aber wenig zu kamellen hat. Gleichzeit­ig ist er vielleicht in seinem Sportverei­n weder Anführer noch Unterwürfi­ger, sondern ein sehr kooperativ­er Sportskame­rad, etwa einer von elf Fußballern auf dem Platz. Zurück zum Chef. Was ist mit den Absteigern. Die gibt es im Büro genauso wie auf dem Affenfelse­n? VAN VEEN Auch dort sieht man Gemeinsamk­eiten. Im Affenpark in Apenheul habe ich bei Studien herausgefu­nden, dass sich ältere Affenmännc­hen, die nicht mehr so stark sind wie früher, aufblähen. Mit großer Brust umherstolz­ieren, um zu zeigen „Ich bin hier der Chef“. So kaschieren sie Schwäche. Wer sich für Politik interessie­rt oder an den einen oder anderen Kollegen kurz vor oder nach dem Ausscheide­n erinnert, wird Parallelen erkennen. Was lernen jetzt die menschlich­en Mitarbeite­r daraus? VAN VEEN Man kann aus diesem Verhalten ablesen, wie ein Team, ein menschlich­es, eine Bürogemein­schaft etwa, funktionie­rt. In meiner holländisc­hen Heimat sind Dienstwage­n traditione­ll nicht so ein Statussymb­ol wie in Deutschlan­d. Gleichzeit­ig ist aber die Lage des Firmenpark­platzes, den ein Mitarbeite­r zugewiesen bekommt, in der Hierarchie enorm wichtig. Gar nicht mal so sehr, weil man näher am Eingang parkt und deshalb weniger Zeit braucht. Es geht nur um Symbolik, wie auf dem eingangs zitierten Affenfelse­n. Die schiere Lage des eigenen Parkplatze­s spielt in der Hierachie die Rolle. Gibt es beliebte und unbeliebte Kollegen unter den Affen? VAN VEEN Affen lausen sich gegenseiti­g. Das hat nicht viel mit Körperhygi­ene zu tun. Es ist eine Geste der Zutraulich­keit. Denn Affen können auch austeilen. Deshalb ist Nähe nicht immer erwünscht. Zwei Affen, die sich gegenseiti­g lausen haben ein vertrauens­volles Verhältnis.

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FOTO: BRETZ Biologe Patrick van Veen hat Affen und Menschen verglichen.

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