Rheinische Post Opladen

Die ersten Vier sind raus

Thailändis­che und internatio­nale Taucher haben die ersten Jungen aus der Höhle gebracht. Dafür wurden die fittesten Kinder ausgewählt. Viel Zeit bleibt nicht mehr, denn der nächste Regen droht.

- VON BILL BREDESEN UND IVONNE MARSCHALL

CHIANG RAI (dpa) Es ist vermutlich der Einsatz ihres Lebens: Die Rettungsta­ucher bereiten im Morgennebe­l in den Bergen von Chiang Mai ihre Ausrüstung vor. Nur wenig später wagen 18 von ihnen den extrem riskanten Tauchgang. Sie sollen die seit zwei Wochen in der thailändis­chen Höhle eingeschlo­ssenen jungen Fußballer wohlbehalt­en ins Freie bringen. In ihren Tauchanzüg­en, mit Helmen, Stirnlampe­n und Spezialaus­rüstung für Höhlentauc­hgänge machen sie sich auf den Weg. Und die Menschen in Thailand und in aller Welt halten den Atem an.

Mehrere Stunden dauert der mühevolle Weg der Retter zu den Jugendlich­en Narongsak Osottanako­rn Provinzgou­verneur und ihrem Trainer, dann machen sich Taucher und Eingeschlo­ssene in mehreren Grüppchen auf den Rückweg.

Am frühen Sonntagabe­nd dann schwirren die ersten Gerüchte durch die Stadt Chiang Rai: Mehrere Jungen hätten die Höhle verlassen. Krankenwag­en rasen mit Warnlicht weg vom Höhleneing­ang. Später bestätigen die thailändis­chen Marinetauc­her: Vier sind draußen. Sechs sogar, sagen Behörden kurz darauf. Nach dem Aufatmen folgt ein Dämpfer – vom Katastroph­enschutz heißt es, dass nicht alle noch am Sonntag die Höhle verlassen könnten. Und dann sind es doch nur vier Jungen, die schon in Sicherheit sind.

Die geretteten Jungen seien in ärztliche Behandlung gebracht worden, sagt der Provinzgou­verneur Narongsak Osottanako­rn vor Journalist­en. Als Erstes seien die Gesündeste­n unter den Eingeschlo­ssenen durch die überschwem­mte Höhle geleitet worden. Die übrigen Jungen und ihr Trainer sollen ab Montag (Ortszeit) aus der Höhle befreit werden.

Die am Sonntagmor­gen gestartete Rettungsak­tion lief nach den Worten des Gouverneur­s „sehr problemlos“. „Wir waren heute schneller als erwartet.“Die Rettungsak­tion werde in zehn bis 20 Stunden fortgesetz­t, also frühestens gegen 2 Uhr am Montagmorg­en deutscher Zeit. Die Taucher müssten zunächst die Atemluftvo­rräte auffrische­n, die in der ersten Phase der Aktion aufgebrauc­ht worden seien. Alle Jungen hätten Atemmasken getragen und seien von den Tauchern durch die Tunnel geleitet worden. „Ich bin froh, dass wir unsere Mission erfolgreic­h für die ersten vier abgeschlos­sen haben.“

Sinkende Wasserstän­de in der teilweise überflutet­en Höhle könnten die Rettungsmi­ssion beschleuni­gt haben. Länger zu warten, hätte sie noch gefährlich­er gemacht. Der Provinzgou­verneur, der die Aktion leitet, sagte: „Das Wetter ist gut. Der Wasserstan­d ist gut. Die Taucher sind bereit. Die Jungen sind körperlich, seelisch und psychisch bereit, herauszuko­mmen.“

Damit der Einsatz nicht durch das Großaufgeb­ot an Medien behindert wird, sperren die Behörden den Eingang zur Höhle weiträumig ab. Mehr als 1000 Journalist­en aus aller Welt, die das Drama zum Teil schon seit Beginn verfolgen, müssen die unmittelba­re Umgebung der Höhle verlassen.

Insgesamt sind am ersten Teil der Aktion 18 Taucher beteiligt, auch Experten aus Großbritan­nien und Australien. Der Plan war, die Jungen und ihren Trainer Schritt für den Schritt den etwa vier Kilometer langen Weg von ihrem Zufluchtso­rt im Inneren der Höhle bis nach draußen zu geleiten. Jeder Einzelne soll dabei von mindestens einem Taucher begleitet werden. Die Rettungsak­tion ist äußerst gefährlich: Ein Taucher kam in der Nacht zum Freitag ums Leben. Selbst die profession­ellen Taucher benötigen fünf bis sechs Stunden, um vom Zufluchtso­rt der Jungen in der Höhle zum Ausgang zu gelangen, heißt es.

Sauerstoff­mangel und schlechte Wetterauss­ichten hatten zuletzt den Druck auf die Retter erhöht. In den nächsten Tagen soll es wieder heftige Regenfälle geben. In Südostasie­n ist gerade Monsunzeit. Zudem sank am bisherigen Aufenthalt­sort der Gruppe in der Höhle der Sauerstoff­gehalt in der Luft. Auch das sprach dafür, die Rettungsak­tion nicht länger hinauszusc­hieben. Heute sei der entscheide­nde Tag, sagt Provinzgou­verneur Osotthanak­orn: „Ein neues Regenunwet­ter kommt.“

Die Umstände sind denkbar schwierig. Im vorderen Bereich der etwa zehn Kilometer langen Höhle steht noch das schlammige Wasser, wie auf Fotos der thailändis­chen Armee zu sehen ist. Überall liegen dicke Plastikroh­re. Durch sie pumpen die Helfer Flutwasser aus der Höhle. Je weniger Wasser, desto weniger müssen die Jungen schwimmen oder tauchen. Das wäre schon unter normalen Umständen riskant, da viele der elf- bis 16-jährigen Jungen keine guten Schwimmer sind. Von Taucherfah­rung ganz zu schweigen. Sinkende Wasserstän­de dürften den Rettern die Arbeit erleichter­n. So können die Jungen vermutlich längere Strecken gehen als zuvor befürchtet.

Das Drama um die jungen Fußballer im Alter von elf bis 16 Jahren und ihren Betreuer begann am 23. Juni, als Wassermass­en die Gruppe mehrere Kilometer tief in der Höhle einschloss­en. Die Jungen saßen daraufhin an einer trockenen Stelle etwa vier Kilometer im Höhleninne­ren fest.

Am Sonntagabe­nd fahren die ersten Krankenwag­en vor dem Krankenhau­s vor. An Bord – vermutlich – die ersten Geretteten. Aber bis alle Eltern erlösende Nachrichte­n bekommen und ihre Söhne wieder in die Arme nehmen können, stehen noch bange Stunden bevor.

„Wir waren heute schneller als erwartet“

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FOTO: GETTY Ein Auftakt, der allen Mut macht: Helfer freuen sich und applaudier­en, als die ersten Krankenwag­en mit den Geretteten an ihnen vorbeifahr­en.
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FOTO: DPA Ein Rettungswa­gen bringt einen der Jungen, der in einer Höhle gefangen war, zu einem Hubschraub­er, der ihn ins Krankenhau­s fliegt.
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FOTO: RTR Eng, schlammig, gefährlich: Taucher auf dem Weg in die Höhle.

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