Rheinische Post Opladen

Die wahren Zeitfresse­r

- VON GRETA EBEL, 8A, ST. URSULA GYMNASIUM DÜSSELDORF

Oft wird geschriebe­n, dass G8 Schülern die Möglichkei­t nimmt, Hobbys zu haben. Diese drei Gesprächsp­artner sagen das Gegenteil und nennen einen anderen gern gesehenen Sündenbock als Grund.

Das G8-System und die Ganztagssc­hulen machen den Schultag für die meisten Schüler in NRW zu einem „Fulltime-Job“. Dies bedeutet, der größte Teil des Tages wird durch den Schulunter­richt bestimmt und von Hausaufgab­en oder der Vorbereitu­ng auf Klassenarb­eiten eingenomme­n. Wie viel Zeit bleibt da noch für ein Hobby wie Sport oder Musik? Wie viel Zeit bleibt, Engagement in einem Verein zu zeigen, in einer Mannschaft zu spielen? Können sich Chöre und Orchester noch darauf verlassen, dass alle zur Probe und Aufführung kommen?

Um nicht immer nur Vermutunge­n anzustelle­n oder aus der Perspektiv­e der Schüler zu argumentie­ren, haben wir drei verschiede­ne Gesprächsp­artner gesucht. Es äußern sich die Klavierleh­rerin Sabine Lang, der Oberstufen­schüler Jakob Ebel und Lehrer und Schulchorl­eiter Martin Hönig.

Die Klavierleh­rerin

Sind die Anmeldunge­n zum Klavierunt­erricht seit der Einführung von G8 zurückgega­ngen? Sabine Lang: Nein, die Schüler oder Schülerinn­en, die bei mir mit dem Klavierunt­erricht beginnen, sind meistens noch im Grundschul­alter und haben nachmittag­s genug Zeit, zum Unterricht zu kommen. Haben sich in letzter Zeit mehr Schüler oder Schülerinn­en vom Unterricht abgemeldet? In der Pubertät, also im Alter zwischen 13 und 15 Jahren, neigen Schüler und Schülerinn­en eher dazu, mit dem Klavierunt­erricht aufzuhören. Gründe hierfür sind oft die körperlich­e Entwicklun­g oder andere Interessen. Außerdem habe ich das Gefühl, dass Schüler und Schülerinn­en die schulische Belastung in dieser Entwicklun­gsphase subjektiv als größere Belastung empfinden. Haben Sie festgestel­lt, dass Schüler und Schülerinn­en seit 2005, dem Jahr, in dem G8 eingeführt wurde, weniger Zeit zum Klavierübe­n haben, oder sind ihre Leistungen seit diesem Zeitpunkt erkennbar zurückgega­ngen? Generell haben Schüler nach meiner Erfahrung oft lieber Zeit für sich, ohne den Druck zu haben, üben oder trainieren zu müssen. Wenn aber die Schüler und Schülerinn­en ein eigenes Interesse am Klavierspi­elen haben und zusätzlich elterliche Unterstütz­ung im Zeitmanage­ment, steht ihnen eigentlich genug Zeit zum Üben zur Verfügung. Ihrer Klaviersch­üler fest? Nein, diesbezügl­ich ist mir keine Veränderun­g aufgefalle­n. Eine Unterricht­seinheit dauert entweder 30 oder 45 Minuten. Die Konzentrat­ion hängt sehr vom Alter der Schüler ab und lässt in der Regel nach 45 Minuten bei fast allen Schülern nach. Haben Sie das Gefühl, dass viele Schüler unter Druck stehen? Manchmal schon. Die, die mehr für die Schule lernen müssen, stehen natürlich unter größerem Druck als diejenigen, die nicht so viel lernen müssen. Aber Lern- und Leistungsd­ruck hat es immer schon gegeben. Letztendli­ch glaube ich nicht, dass das Problem an G8 liegt, sondern an der zunehmende­n Handysucht, an der Tatsache, dass wir zu einer Gesellscha­ft der modernen Mediennutz­er geworden sind. Das kostet Zeit und Energie, die dann oft für das Klavierspi­elen fehlen.

Der Oberstufen­schüler

Welche Hobbys betreibst du neben der Schule? Jacob Ebel: Ich spiele Tennis im Verein, habe Cello-Unterricht, gebe Tennistrai­ning und gehe zum SchulOrche­ster. Ich mache also eine ganze Menge. Musstest du schon mal ein Hobby wegen der Schule aufgeben? Ja, ich musste in der sechsten Klasse das Fußballspi­elen aufgeben, weil ich sonst nicht genug Zeit für meine Schulleist­ungen gehabt hätte. In der zehnten Klasse habe ich es dann wieder angefangen, weil ich dachte, ich hätte das Zeitmanage­ment für die Schule jetzt besser im Griff. Dies war jedoch ein Irrtum. Die gymnasiale Oberstufe ließ mir wieder keine Zeit für das Fußballspi­elen, deshalb habe ich im gleichen Jahr wieder aufgehört. Alle anderen Hobbys konnte ich aber kontinuier­lich weiterführ­en. Gehst du zum Training oder zum Unterricht, wenn eine Klausur ansteht? Ja, meistens schon, vor Leistungsk­urs-Klausuren manchmal jedoch nicht. Da das jedoch nur achtmal im Jahr vorkommt, ist der Trainingso­der Unterricht­sausfall nicht wirklich nennenswer­t. Könnte das an G8 liegen? Ja, ich denke, wir haben ein Jahr weniger Zeit für den gleichen Unterricht­sstoff. Generell befinde ich mich besonders in Klausurpha­sen immer unter Zeitdruck. Das hat aber wenig Einfluss auf meine Hobbys.

Der Schulchorl­eiter

Versäumen Schüler oder Schülerinn­en Proben wegen Klausurvor­bereitunge­n oder Hausaufgab­en? Ja, leider ist dies sehr oft der Fall.

Fazit

Wie die geführten Interviews zeigen, beeinfluss­en die Schule und das Abitur nach zwölf Jahren die Möglichkei­t für Schüler, zusätzlich mehrere Hobbys zu haben, nicht entscheide­nd. Eine größere Herausford­erung als das Zeitproble­m und der schulische Druck sind offensicht­lich die modernen Medien, die sich als Zeitfresse­r entpuppen. Natürlich müssen Schüler in Klausurpha­sen zeitweise auch einmal auf ihre Hobby-Aktivitäte­n verzichten oder diese einschränk­en. Aber im Allgemeine­n bleibt ihnen trotz Leistungsd­ruck im G8-System genügend Zeit für Sport und Musik. Dennoch ist gutes Zeitmanage­ment erforderli­ch.

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