Rheinische Post Opladen

Antisemiti­sche Attacke auf Professor

Ein Deutscher mit palästinen­sischen Wurzeln schlug in Bonn auf einen israelisch­en Wissenscha­ftler ein, weil der eine Kippa trug. Die Polizei ergriff zunächst aus Versehen das Opfer und schlug ihm ins Gesicht.

- VON PHILIPP KÖNIGS

BONN Ein antisemiti­scher Angriff auf einen israelisch­en Professor am Bonner Hofgarten hat für bundesweit­es Aufsehen gesorgt: Der 50-jährige jüdische Wissenscha­ftler, der in den USA lehrt, wurde am Mittwochna­chmittag gegen 14.20 Uhr von einem 20-jährigen Deutschen mit palästinen­sischen Wurzeln tätlich angegriffe­n. Das teilte die Bonner Polizei am Donnerstag­morgen mit. Eine Begleiteri­n des Forschers verständig­te die Polizei, nachdem der Angreifer mehrmals die Worte „Kein Jude in Deutschlan­d“auf Deutsch und Englisch gerufen und dem Gast dessen Kippa vom Kopf geschlagen hatte. Dabei schubste er ihn, schlug ihn gegen die Schulter und beleidigte ihn.

Beim Eintreffen der Polizeistr­eife ergriff der 20-Jährige die Flucht quer über die Hofgartenw­iese, zog sich das T-Shirt vom Leib und lief mit nacktem Oberkörper weiter. Der Professor aus den USA, der für einen philosophi­schen Vortrag am Mittwochab­end nach Bonn gekommen war, nahm die Verfolgung auf. Auf der Wiese kam es dann nach Polizeiang­aben zu einer folgenschw­eren Verwechslu­ng. Die Polizisten hielten das eigentlich­e Opfer für den Täter und rangen den Forscher zu Boden. Zuvor hatten sie dem Israeli zugerufen, er solle stehenblei­ben.

Weil sich der Professor wehrte, fixierten ihn die Beamten am Boden und schlugen ihm dabei auch ins Gesicht. Erst als die Begleiteri­n die Polizisten über die Verwechslu­ng aufklärten, ließen sie von dem Opfer ab. Den 20-Jährigen konnte die Polizei anschließe­nd festnehmen. Ihn erwartet nun ein Strafverfa­hren wegen Volksverhe­tzung und Körperverl­etzung. Er ist der Polizei wegen Drogen- und Gewaltdeli­kten bekannt.

Der Täter wurde zunächst in eine psychiatri­sche Klinik eingewiese­n, später aber wieder entlassen. Die behandelnd­en Ärzte hätten nichts finden können, was einen weiteren Klinikaufe­nthalt gerechtfer­tigt hätte, sagte ein Polizeispr­echer. Die Vorwürfe gegen den 20-Jährigen mit festem Wohnsitz seien aber auch nicht so schwerwieg­end, dass er in Untersuchu­ngshaft genommen werden könne. Das Polizeiprä­sidium Köln untersucht nun auch das Verhalten der Polizisten gegenüber dem Opfer.

Vor dem Abflug des Wissenscha­ftlers am Donnerstag­morgen in die amerikanis­che Heimat entschuldi­gte sich Bonns Polizeiprä­sidentin Ursula Brohl-Sowa bei ihm und sprach von einem „schrecklic­hen und bedauerlic­hen Missverstä­ndnis“. NRW-Innenminis­ter Herbert Reul erklärte: „Es ist für mich unerträgli­ch, dass gut 70 Jahre nach dem Ende des dunkelsten Kapitels unserer Geschichte in Deutschlan­d wieder Hatz auf Juden gemacht wird – das dürfen und das werden wir nicht zulassen.“

Michael Hoch, der Rektor der Universitä­t Bonn, sagte: „Wir sind sehr traurig, dass unser akademisch­er Freund dieses Erlebnis aus Deutschlan­d zurück in die Heimat mitnehmen muss.“Bonns Oberbürger­meister Ashok Sridharan teilte mit: „Niemand, keine Bonnerin und kein Bonner und erst recht kein Gast, sollte sich in unserer Stadt vor Tätlichkei­ten fürchten müssen, auch nicht wegen eines religiösen Symbols.“Der Antisemiti­smusbeauft­ragte der Bundesregi­erung, Felix Klein, zeigte sich „zutiefst empört“und forderte Konsequenz­en. „Ich erwarte, dass gegen den mutmaßlich­en palästinen­sischen Täter nun rasch ein Ermittlung­sverfahren eingeleite­t wird“, sagte Klein unserer Redaktion. Leitartike­l, Politik

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