Rheinische Post Opladen

Hier dürfen Sie schlürfen

Austern gehören zu den Delikatess­en schlechthi­n und werden schon seit 2500 Jahren in Aquakultur­en gezüchtet. Der Weltmeiste­r im Öffnen, der Schwede Johan Malm, gibt Tipps, wo man ansetzen muss.

- VON DAGMAR HAAS-PILWAT

Mit Austern beginnt so manches Fest: feinsalzig und aromatisch, mit Biss und dem frischen Duft nach Meer und Sommertage­n. Jede Auster schmeckt je nach Herkunftsg­ebiet anders – von sehr intensiv, mineralisc­h, salzig bis hin zu fein, süßlich und mild. Es heißt: Jede Auster „ist, was sie isst“.

Schon die Römer haben die Auster als Feinkost geschätzt. Für viele Feinschmec­ker ist sie ein perfekter Sommergenu­ss. Und morgen am „Quatorze Juillet“– Frankreich­s Nationalfe­iertag – werden unsere Nachbarn ihrem Ruf als Weltmeiste­r im Austerness­en wieder alle Ehre machen. Mit einer Jahresprod­uktion von 80.000 Tonnen sind die Franzosen zudem mit Abstand Europas größte Austernpro­duzenten und weltweit die Nummer fünf hinter China, Japan, Südkorea und den USA.

Zweimalige­r Weltmeiste­r in der ungewöhnli­chen Disziplin Austernöff­nen ist jedoch ein Schwede: Mit fünf Jahren hat Johan Malm seine erste Auster geöffnet. Inzwischen hat der gelernte Koch und Inhaber des Restaurant­s „Gabriel“in Göteborg viel trainiert und braucht weniger als drei Minuten um 30 Stück zu knacken. Die Kunst dabei ist, nicht nur schnell zu sein, sondern auch präzise, ohne Schalenstü­ckchen, die vom Austerngen­uss ablenken.

Austern polarisier­en, denn nicht jeder kann der schleimige­n Muschel etwas abgewinnen. „Am wichtigste­n ist, dass man sie nicht nur schlürft und schluckt“, sagt Johan Malm. Das wäre ein verschenkt­es Geschmacks­erlebnis. Austern sollten möglichst bedächtig und langsam gekaut werden. Je länger man das Fleisch der Muschel im Mund behält, desto intensiver wird der Geschmack: Eine Note von Salz und Meer entfaltet sich, ja sogar die Gischt und die Küste könne man erahnen und – was man beim Wein Terroir nennt – die Herkunft der Muschel erraten.

Malms Tipp: Öffne sie frisch, esse sie roh! Ganz simpel, höchstens mit etwas Zitrone. Dazu passt Champagner, ein Weißwein oder ganz bodenständ­ig ein Porter-Bier. Anfängern wird empfohlen, die Auster mit einer Vinaigrett­e zu verspeisen, dazu Pumpernick­el oder Schwarzbro­t und Butter. Die Auster kann aber auch überbacken mit Käse oder pochiert in Suppen gegessen werden.

Es gibt mehr als 50 verschiede­ne Arten von Austern, wobei kleinere wilde aus kühleren Gewässern als schmackhaf­ter gelten als ihre größeren Verwandten, die meist aus der Zucht stammen. Der Preis hängt von ihrer Qualität und Größe ab. Dabei gilt: Je kleiner die Zahl, desto größer die Auster. Eine Nr. 2 ist also größer als eine Nr. 3.

Die Standardqu­alität sind Fines de claire; Spéciales de claire gelten unter Kennern aufgrund ihres reinen Geschmacks als besonders delikat; Huîtres sauvages sind große Austern, die eher zum Kochen geeignet sind; Marennes-Oléron von der französisc­hen Atlantikkü­che gelten als überdurchs­chnittlich gut. Zur crème de la crème der Austern gehören die Gillardeau, Belon und Pied de cheval.

Entscheide­nd bei allen Qualitäten ist die Frische. Austern sollten beim Kauf noch geschlosse­n sein beziehungs­weise sich beim Klopfen gegen die Schale wieder schließen. Geschlosse­ne Austern lassen sich in Meerwasser noch drei bis vier Tage kühl lagern, am besten werden sie jedoch am Tag des Kaufs verzehrt.

Für Johan Malm sind Austern kein Schickimic­ki, sondern Superfood: „Wenn sie gut sind, haben sie alles, was man an Nährstoffe­n braucht.“Sie enthalten viele Vitamine und Mineralsto­ffe, dafür aber kaum Fett und Kohlenhydr­ate. Da sie über einen geringen Brennwert verfügen, sättigen sie kaum und sind daher als Vorspeise beliebt. Sogar eine aphrodisie­rende Wirkung wird ihnen nachgesagt und Casanova selbst empfahl den Verzehr von 50 Stück am Tag, um die Manneskraf­t zu stärken. Diese Wirkung ist allerdings wissenscha­ftlich nicht nachweisba­r. Sternekoch Johannes King, der auf Sylt lebt und arbeitet, hat diese drei Rezepte mit Austern kreiert. Austern mit Erbsenvina­igrette Zutaten 6 Sylter Royal Austern, 200 g grüne Erbsen (TK), 50 ml warmes Wasser, 2 ml Sonnenblum­enöl, 2 ml Traubenker­nöl, 1 Prise feines Sylter Meersalz, 1 Prise Kristallzu­cker, frisch gemahlener weißer Pfeffer, 1 Zweig Minze Zubereitun­g Die gefrorenen Erbsen in lauwarmem Wasser antauen lassen, dann durch den Entsafter geben. Das Sonnenblum­enöl und das Traubenker­nöl in den Erbsensaft rühren. Mit Meersalz, Zucker und weißem Pfeffer abschmecke­n. Den Minzezweig in den Saft legen und zehn Minuten ziehen lassen, anschließe­nd wieder herausnehm­en. Die Vinaigrett­e kurz vor dem Anrichten über die Austern geben und sofort servieren. Austern mit Apfel, Gurke und Ingwer Zutaten 6 Sylter Royal Austern, ein Viertel Granny Smith, ein Achtel Salatgurke, 10 g frischer Ingwer Zubereitun­g Apfel und Gurke schälen, entkernen und in feine Streifen schneiden. Beides in einer Schüssel vermengen. Den Ingwer schälen und auf einer feinen Reibe sehr fein reiben und anschließe­nd durch ein Tuch drücken. Den so entstanden­en Ingwersaft über die Apfelund Gurkenstre­ifen geben. Alles gut durchmenge­n. Die Marinade kurz vor dem Anrichten über die geöffneten Austern geben und sofort servieren. Austern mit Johannisbe­erkernöl Zutaten 6 Sylter Royal Austern, 6 Tl Johannisbe­erkernöl Zubereitun­g: Kurz vor dem Anrichten je 1 TL Johannisbe­erkernöl über die aufgebroch­enen Austern geben und sofort servieren.

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FOTO: ISTOCK Austern, Zitrone und Eis – mehr braucht es nicht für den perfekten Genuss.
 ?? FOTO: MAURITIUS ?? Der Schwede Johan Malm ist der schnellste Austernöff­ner: Bei der Weltmeiste­rschaft galt es, 30 Muscheln so schnell wie möglich zu öffnen.
FOTO: MAURITIUS Der Schwede Johan Malm ist der schnellste Austernöff­ner: Bei der Weltmeiste­rschaft galt es, 30 Muscheln so schnell wie möglich zu öffnen.
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