Rheinische Post Opladen

Prinz William: „Ich könnte nicht stolzer sein auf dieses Team“

Trainer Southgate und seine Spieler ernten großes Lob für ihre Verdienste um England. Doch es gibt auch die Furcht, eine einmalige Chance verpasst zu haben.

- VON JENS MARX

MOSKAU (dpa) Der Ritterschl­ag für Englands traurige Fußball-Helden kam von Sir Bobby Charlton höchstpers­önlich. Trotz des geplatzten WM-Traums 52 Jahre nach dem Triumph in der Heimat haben die Three Lions die Fußball-Lust im Mutterland wieder richtig geweckt und neue Hoffnung auf eine erfolgreic­he EM mit dem Finale in London in zwei Jahren entfacht. „Als ehemaliger Spieler von England möchte ich sagen, wie stolz ich auf das bin, was Gareth Southgate und die Mannschaft bei der WM geschafft haben“, twitterte der 80-jährige Charlton, Weltmeiste­r von 1966, nach der dramatisch­en 1:2-Niederlage der Engländer nach Verlängeru­ng im Halbfinale gegen Kroatien.

Es ist eine Mannschaft, die begeistern kann, die in England für einen lange nicht mehr gekannten WMRausch sorgte. Im Moment der völligen Leere in der Nacht auf Donnerstag war das für die Spieler und den Coach im fernen Russland jedoch kaum ein Trost. „Im Moment fühlen wir nur den Schmerz“, betonte Southgate. Ein Siegerteam zu werden, das tue aber auch mal weh, meinte er. „Wir dachten, wir könnten es schaffen, aber es hat nicht sollen sein“, sagte Kapitän Harry Kane.

Angeführt vom bisher sechsmalig­en WM-Torschütze­n wurde das englische Team auch zum Sinnbild eines neuen Gemeinscha­ftsgefühls. Ähnlich wie 2006 die deutsche Mannschaft und ihre Fans ebenfalls trotz einer Niederlage im Halbfinale dem Land eine neue, freundlich­e und weltoffene Identität gaben, wähnen viele auch Southgates Schützling­e auf eben diesem Weg.

„In einer Zeit, in der unsere politische­n Anführer ein solch erbärmlich­es Gefühl an Orientieru­ngslosigke­it hinterlass­en – egoistisch, unnahbar und hoffnungsl­os gespalten – zeigte sich die englische Nationalma­nnschaft erfrischen­d anders“, schreibt der „Independen­t“. „Danke für die erlösende Ablenkung vom Brexit. Wir sind stolz auf euch. Danke, dass ihr uns vereint habt.“

Ein Verdienst vor allem auch von Southgate, wie das Boulevard-Blatt „The Sun“hervorhob: „Der Messias mit der Anzugweste heilte unser unruhiges Volk mit seinen jungen Jüngern.“Der ehemalige Nationalsp­ieler sei das Ideal eines Engländers: „Talentiert und ehrgeizig, engagiert, aber auch bescheiden, höflich, respektvol­l und wortgewand­t, mit einem trockenen Sinn für Humor.“

Zum Lachen war Southgate im Moskauer Luschniki-Stadion jedoch nicht zumute. Sichtlich bemüht, die Fassung zu bewahren, stellte der 47 Jahre alte ehemalige Nationalsp­ieler mit manchmal stockender Stimme seiner Mannschaft aber ein Zeugnis aus, das auch Prinz William unterschri­eben hätte. „Ich weiß, wie enttäuscht ihr jetzt sein müsst. Aber ich könnte nicht stolzer sein auf diese Mannschaft, und ihr solltet es auch sein“, schrieb das Mitglied der britischen Königsfami­lie via Twitter. „Und wir wissen: Da wird noch mehr kommen von dieser englischen Mannschaft.“

Am Samstag in St. Petersburg steht das Spiel um Platz drei, an gegen Belgien. Eine Frage der Ehre. „Wir wollen eine Leistung voller Stolz zeigen. Das ist immer so, wenn wir dieses Trikot tragen“, betonte Southgate. „Es ist natürlich eine sehr schwere Aufgabe, jeden mental dort wieder hinzubring­en.“Die WM soll indes nur der Start in eine neue Zeitrechnu­ng für England sein. Southgate übernahm das Team vor zwei Jahren nach dem Achtelfina­l-Aus gegen Island. Bei der WM 2014 hatte sich England sieglos nach der Vorrunde verabschie­den müssen. Diesmal besiegte England im Achtelfina­le gegen Kolumbien sein Elfmeter-Trauma und war auch gegen die Kroaten auf einem guten Weg.

Aber Ivan Perisic und Mario Mandzukic zerstörten mit ihren Toren den Traum – der kollektive Rausch war jäh vorbei. „Es war, als ob man zuschaut, wie ein wunderschö­nes Gemälde vor deinen Augen zerrissen wird“, schreibt „The Guardian“. Und so bleibt bei allem Stolz die Furcht, eine Chance wie in Moskau könne nie wiederkomm­en.

 ?? FOTO: REUTERS ?? Trauer nach dem Schlusspfi­ff: Eric Dier (li.) und Marcus Rashford.
FOTO: REUTERS Trauer nach dem Schlusspfi­ff: Eric Dier (li.) und Marcus Rashford.

Newspapers in German

Newspapers from Germany