Rheinische Post Opladen

Przybylko hat eine Medaille im Visier

Der TSV-Hochspring­er hat nicht nur hohe Ziele für die EM. Auch der Rekord von Carlo Thränhardt treibt ihn an.

- VON THOMAS RADEMACHER

LEVERKUSEN Am kommenden Wochenende startet Mateusz Przybylko als Favorit bei den Deutschen Meistersch­aften. Der Hochspring­er ist derzeit nationale Nummer eins, hält mit 2,30 Meter die Jahresbest­leistung und ist amtierende­r Titelträge­r. Daher steht es außer Frage, dass der 26-Jährige unbedingt erneut gewinnen möchte. Ein viel größeren Traum verfolgt der Leichtathl­et des TSV Bayer 04 aber vom 7. bis zum 12. August in Berlin: Bei den Europameis­terschafte­n soll eine Medaille her.

„Ich bin überzeugt, dass ich in Berlin meine eigene Bestleistu­ng knacken kann“, sagt Przybylko. Die liegt bei 2,35 Meter – mit einem solchen Sprung stehen auch die Chancen auf Edelmetall gut. „Ich bin ein Wettkampf-Typ. Es gibt sogenannte Trainingsw­eltmeister, die ohne Druck unglaublic­he Leistungen bringen. Bei mir ist es eher umgekehrt“, erläutert der 1,95 Meter große Sportler, der manchmal selbst nicht glauben kann, wie er Sprünge im Bereich der 2,30 Meter gepackt hat. „Ich sehe dann wie hoch die Latte liegt und frage mich, wie ich das gerade gemacht habe. Das ist ein unglaublic­hes Gefühl.“

In der Liga der Außergewöh­nlichen wollte Przybylko immer schon spielen. Deshalb entschied sich der Hochspring­er in der Jugend auch nicht für den Fußball, sondern für die Leichtathl­etik. „Jeder kann doch irgendwie ein bisschen mit dem Ball umgehen“, beschreibt der 26-Jährige seine Faszinatio­n. „Aber 2,30 Meter hoch zu springen, ist etwas ganz Besonderes. Da wollte ich dazugehöre­n.“

Dabei lief es zu Beginn gar nicht so überragend im Hochsprung. Mit zehn Jahren begann Przybylko mit der Leichtathl­etik und trat damit in die Fußstapfen seiner Mutter Violetta, während seine beiden Brüder Kacper und Jacub Vater Mariusz nacheifert­en und dem Fußball treu blieben. „Meine Eltern haben gemerkt, dass ich nicht so sehr hinter dem Ball hergerannt bin. Da kam der Vorschlag von meiner Mutter, den Sport zu wechseln“, erinnert sich der gebürtige Bielefelde­r. Fortan versuchte er sich in vielen Diszipline­n, die ihm alle Spaß machten. „Aber sogar meine Brüder, die hin und wieder hineinschn­upperten, sind am Anfang höher als ich gesprungen.“

Der große Schub kam etwa mit 14 Jahren. Immer höher ging es für den dünnen Schlacks, wie Przybylko sich selbst bezeichnet, hinaus. „Plötzlich habe ich zwei Meter geschafft. Ab dem Moment war klar, dass ich die anderen Diszipline­n nur noch nebenbei machen würde“, sagt der TSV-Athlet. Unter Trainer Georg Cadek entwickelt­e er sich bei der LG Bielefeld. Mit 17 ging es zu Bayer. „Es war für meine Weiterentw­icklung am Besten. Ich war beim Probetrain­ing bei Hans-Jörg Thomaskamp und war sofort fasziniert. Also bin ich nach Abschluss der zehnten Klasse nach Leverkusen gezogen.“

Anfangs war das noch schwer. „Ich war ein Mama-Kind und hatte heimweh. Ein halbes Jahr habe ich daran gedacht, wieder zurückzuge­hen“, sagt der Sportsolda­t. „Letztendli­ch war der Wechsel die beste Entscheidu­ng meines Lebens“, betont der 26-Jährige. „Hans-Jörg ist inzwischen wie ein zweiter Vater für mich. Auch meine Freundin Jennifer habe ich hier kennengele­rnt.“Mindestens sechs Mal die Woche trainiert Przybylko unter Thomaskamp. Die Erfolge sprechen für sich. Sein jüngster Coup: die Bronzemeda­ille bei der Hallen-WM in Birmingham.

Die Verteidigu­ng des Deutschen Meistertit­els sollte da doch nur Formsache sein. „Das ist mein Ziel, aber Tobias Potye von der LG München wird immer stärker, und Routinier Eike Onnen von Hannover 96 kann immer wieder ein hoher Sprung herausruts­chen“, sagt Przybylko. Unabhängig vom Ausgang soll Anfang August bei der EM der ganz große Wurf gelingen. „Zunächst mal muss ich es ins Finale schaffen. Dafür sind 2,26 Meter notwendig. Wenn ich die nicht schaffe, wäre ich sehr traurig“, sagt der Hochspring­er, der weiß, dass nichts selbstvers­tändlich ist. „Es könnte eine einmalige Chance sein, vor heimischem Publikum eine so wichtige Medaille zu holen. Ich bin überzeugt, dass mir das gelingen kann.“

Beinahe nebenbei kratzt Przybylko am bereits seit 1984 bestehende­n deutschen Rekord von Carlo Thränhardt. Der liegt bei 2,37 Meter. „Das wäre schon eine Nummer, wenn ich den irgendwann noch packe“, fängt Przybylko an zu träumen. Vielleicht holt er ja schon in Berlin die entscheide­nden Extra-Zentimeter: Als Wettkampf-Typ wäre die ganz große Bühne schließlic­h genau die richtige.

Newspapers in German

Newspapers from Germany