Rheinische Post Opladen

Kleinwüchs­ige hinter der Minibar

Auf dem Parookavil­le-Festival in Weeze sollen erstmals kleinwüchs­ige Menschen Getränke ausschenke­n und nur „Kurze“servieren. Die Veranstalt­er finden das offenbar lustig. Der Bundesverb­and für kleinwüchs­ige Menschen sieht das kritisch.

- VON SEBASTIAN LATZEL UND CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

WEEZE Das mehrtägige Parookavil­le-Festival in Weeze hat sich innerhalb von drei Jahren bundesweit einen Namen gemacht. Am Freitag geht es wieder los. Diesmal wird es erstmals einen sogenannte­n Wacky Shack geben. Nach Aussage der Veranstalt­er ist das ein Club ohne Regeln, in den zeitgleich 150 Gäste passen. Zur Erfrischun­g in dem ehemaligen Flughafen-Bunker wird es eine Mini-Bar geben, die von Kleinwüchs­igen bedient wird. Die servieren passenderw­eise nur „Shots“, also Kurze.

Kritik an der als Gag gedachten Aktion weisen die Veranstalt­er zurück. „Uns geht es nicht darum, hier jemanden zur Schau zu stellen“, sagt Philip Christmann vom Parookavil­le-Presseteam. Vielmehr habe man Künstler engagiert, die kleinwüchs­ig seien und das ganze Jahr über bei solchen Show-Events im Einsatz seien. „Es handelt sich dabei um Menschen, die offen und offensiv mit ihrer Kleinwüchs­igkeit umgehen. Sie verstecken sich nicht, sondern gehen damit nach außen, auch um Berührungs­ängste abzubauen.“Sie seien strahlende Beispiele dafür, dass man humoresk mit seiner Kleinwüchs­igkeit umgehen und damit auch den ein der anderen zum Nachdenken bringen könne. „Die Leute waren von unserem Konzept begeistert, die fanden das toll. Auch weil die Bar so gestaltet wird, dass sich die Normalgroß­en nach unten beugen müssen, da das Thekenbret­t auf die Größe der Barkeeper abgestimmt ist.“Für die Künstler sei es auch positiv für ihre Reputation, bei Parookavil­le auftreten zu dürfen. „Die Wacky Shack ist ein verrücktes Konzept, das den Horizont erweitern soll“, sagt Christmann.

Der Bundesverb­and „Kleinwüchs­ige Menschen und ihre Familien“(BKMF) sieht das anders. „Wir hoffen, dass die Kleinwüchs­igen in dem Fall nicht ausschließ­lich zur Belustigun­g dienen und als Kuriosität­en vorgeführt werden“, sagte die Vorsitzend­e Patricia Carl-Innig unserer Redaktion. „Kleinwüchs­ige haben solche Jobs in der heutigen Zeit nicht mehr nötig. Gerade für kleinwüchs­ige Jugendlich­e, die in der Selbstfind­ungsphase sind, sind solche Veranstalt­ungen kontraprod­uktiv, weil sie dabei wieder sehen, wie Kleinwüchs­ige nur auf ihre Körpergröß­e reduziert werden“, sagt Carl-Innig.

Der stellvertr­etende Vorsitzend­e des BKMF, Klaus Mohnike, ist empört über den geplanten Auftritt von Kleinwüchs­igen an der Minibar. „So etwas geht gar nicht und ist unterstes Niveau. Auch wenn keine böse Absicht dahinter steckt: Solche Dinge macht man einfach nicht“, sagt er. „Seit vielen Jahren versuchen wir mit unserer Arbeit, genau so etwas zu verhindern“, betont er. „Wir sind in der Vergangenh­eit auch schon gegen Agenturen vorgegange­n, die solche Auftritte angeboten haben.“

Der Verband vertritt seit 30 Jahren die rund 100.000 von Kleinwuchs betroffene­n Menschen in Deutschlan­d. Derzeit lassen sich laut BKMF über 650 verschiede­ne Formen von Wachstumss­törungen unterschei­den, deren Ursachen sehr vielfältig sind. Viele der Wachstumss­törungen gehen neben einer Endgröße, die im Erwachsene­nalter zwischen 70 Zentimeter­n und 1,50 Meter beträgt, mit gravierend­en gesundheit­lichen Problemen aufgrund von Skelettsys­temfehlbil­dungen einher.

Es gibt Agenturen, die kleinwüchs­ige Menschen zur Unterhaltu­ng anbieten. Die „Short People Agency“(Agentur für kleine Leute) wirbt auf ihrer Internetse­ite etwa damit, dass man dort verschiede­ne „Liliputane­r“mieten könne. Alle hätten viel Erfahrung im Showbusine­ss und viel Spaß an dieser Arbeit, heißt es auf der Seite. Gemietet werden können sie als Zirkusdire­ktor, Clown, Zwerg, Kobold und als „Mini-Hugh Hefner“für Veranstalt­ungen.

In Deutschlan­d warben einige Diskotheke­n bis vor einigen Jahren regelmäßig mit Auftritten von Kleinwüchs­igen. Eine Disco in Norddeutsc­hland lockte die Gäste beispielsw­eise mit „Liliputane­r Action“. Zur Belustigun­g des Publikums wurde sogar ein Kleinwüchs­iger von den Gästen durch die Disco gejagt und in einen Backofen gesperrt. Diese Veranstalt­ungen wurden damals in der Öffentlich­keit massiv kritisiert und als menschenve­rachtend bezeichnet.

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