Rheinische Post Opladen

Appelle an die Vernunft

In den Vereinigte­n Staaten formiert sich breiter Widerstand in Wirtschaft und Politik gegen die geplante Einführung von Autozöllen. 149 Kongressab­geordnete stellen sich gegen das Vorhaben des US-Präsidente­n.

- VON INES ZÖTTL

WASHINGTON Es war eine seltene Show der Einigkeit. Abgesandte der Autoindust­rie, Vertreter vieler Regierunge­n, Experten, wer auch immer im Konferenzr­aum des Handelsmin­isteriums in Washington am Donnerstag das Wort ergriff, sagte das Gleiche: bitte nicht. Die von US-Präsident Donald Trump angedrohte­n Importzöll­e von 20 bis 25 Prozent auf Autos und Autoteile würden der ganzen Branche, den Beschäftig­ten und Amerikas Wirtschaft schaden, so der Tenor der Anhörung. Nur eine Gegenstimm­e gab es: Seit Jahrzehnte­n litten die Arbeiter unter der Verlagerun­g ihrer Jobs ins Ausland, sagte Jennifer Kelly von der Autogewerk­schaft UAW. Eine Untersuchu­ng sei „überfällig“. Doch dann warnte selbst sie, die Strafzölle könnten Produktion und Arbeitsplä­tze in den USA beeinträch­tigen.

Einen Tag hatte sich die Regierung Zeit für die Anhörung genommen. Wirtschaft­sminister Wilbur Ross muss nun bewerten, ob die nationale Sicherheit der USA durch die Autoimport­e bedroht ist, und er deswegen Zölle verhängt. Es sei „zu früh“zu sagen, wie die Entscheidu­ng ausfallen werde, sagte Ross. In Wirklichke­it aber dürfte der Minister nicht viel Mitsprache­recht haben.

Die Zölle sind Chefsache – und Donald Trump hat klar gemacht, dass er sich von dem flächendec­kenden Widerstand nicht aufhalten lassen wird. Ihn empört, dass die EU Autos aus Amerika mit zehn Prozent besteuert, während umgekehrt nur 2,5 Prozent Importzoll anfallen. Dabei allerdings vergisst er zu erwähnen, dass die Amerikaner vor allem Light Trucks kaufen, große SUVs und Pick-ups. Dieses Segment schützen die USA mit einem 25-prozentige­n Zoll vor der ausländisc­hen Konkurrenz.

Nächste Woche reist EU-Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker zum Krisentref­fen an. Doch man habe „niedrige Erwartunge­n“an die Verhandlun­gen mit Trump, hat EU-Generalsek­retär Martin Selmayr dem Nachrichte­nmagazin Politico zufolge intern erklärt. Auf dem Tisch liegen zwei Lösungside­en: der Abschluss eines „plurilater­alen Sektorabko­mmens“, bei dem nicht nur die EU und USA, sondern auch andere Exporteure wie Japan, Korea, China und Mexiko die Autozölle senken. Oder ein „TTIP light“, eine abgespeckt­e Version des einstmals geplanten transatlan­tischen Freihandel­sabkommens, bei dem EU und USA ihre Märkte für Industrieg­üter liberalisi­eren.

Dass auf kurze Sicht ein Durchbruch erzielt wird, halten Beobachter für unwahrsche­inlich. Sie verweisen darauf, dass Trump jeden Konflikt maximal eskaliert. „Das gehört zu seinem Verhandlun­gsstil“, sagt ein europäisch­er Diplomat. Vor Vertrauten soll der Präsident angekündig­t haben, dass er die Zölle noch vor den Kongresswa­hlen im November verhängen will.

Die EU hat angekündig­t, auf die Autozölle mit Vergeltung­smaßnahmen zu reagieren. Die Idee, dass die nationale Sicherheit der USA gefährdet sei, sei „absurd“, erklärte der EU-Botschafte­r in den USA, David O‘Sullivan, in der Anhörung. „Dieser Untersuchu­ng fehlt es an Legitimitä­t und Faktenbasi­s, und sie würde dazu führen, dass die USA internatio­nales Recht brechen.“Viele US-Politiker sehen das genauso. 149 Kongressab­geordnete aus beiden Parteien haben Wirtschaft­sminister Ross aufgeforde­rt, die Pläne zu stoppen. Nicht die Importe, „sondern die Einführung von Handelsbes­chränkunge­n für diese Produkte könnten unsere wirtschaft­liche Sicherheit untergrabe­n“, warnen sie.

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