Rheinische Post Opladen

Addo macht die Jungen fit

Der Ghanaer kümmert sich um die Top-Talente bei Borussia Mönchengla­dbach und ist mit seinem Job ein Vorreiter.

- VON JANNIK SORGATZ

MÖNCHENGLA­DBACH Am Ende des Trainings ist Einzelbetr­euung gewährleis­tet. Während sich elf Borussia-Spieler in grünen Trikots auf Fitnessmat­ten räkeln, stehen elf Betreuer in schwarzen Trikots um sie herum. Ein Trainer, ein Co-Trainer, zwei Torwarttra­iner, zwei Athletiktr­ainer, zwei Physiother­apeuten, ein Mannschaft­sarzt und ein Leiter der medizinisc­hen Abteilung sind auf dem Rasen – hinzu kommt der elfte Mann, der offiziell zu den Co-Trainern zählt, aber eine missverstä­ndliche Berufsbeze­ichnung trägt: „Übergangst­rainer“.

Seit einem Jahr übt Otto Addo diesen Job bei Borussia Mönchengla­dbach aus, allerdings wollen sie den 43-Jährigen beileibe nicht nur temporär beschäftig­en. „Talentetra­iner“würde ebenfalls passen, nur würde ihn das nicht unterschei­den von Jugendtrai­nern. Otto ist eingestell­t worden, um junge Spieler vom Juniorenbe­reich bestenfall­s in den Profifußba­ll zu begleiten. Der ehemalige Außenstürm­er von Borussia Dortmund kam vom FC Nordsjaell­and aus Dänemark und hatte zuvor die U19 des Hamburger SV trainiert.

Früher definierte das Ende der letzten A-Jugend-Saison den natürliche­n Anfang der Karriere, heutzutage stehen den Talenten die Türen so offen wie nie zuvor. Ihre fußballeri­sche Klasse und ihr Durchsetzu­ngsvermöge­n geben den Ausschlag, an der Bereitscha­ft der Vereine, auf junge Spieler zu setzen, soll es nicht scheitern. Borussia schmückt sich damit, diesen Weg, den Sportdirek­tor Max Eberl als „alternativ­los“bezeichnet, besonders konsequent zu verfolgen. Die „Fohlenelf“soll mehr sein als ein Slogan, der auf den Bus gepinselt wird, weil eine Marketinga­gentur sich das so ausgedacht hat.

Kurz vor dem Trainingsl­ager am Tegernsee, das am Montag beginnt, muss Trainer Dieter Hecking auf zwölf Spieler verzichten, die meisten davon WM-Urlauber und Verletzte. Kurios mutete deshalb die Altersstru­ktur des Kaders in den ersten Testspiele­n an: Von 24 eingesetzt­en Spielern waren 14 nicht älter als 21 Jahre, der nächstälte­ste, Jonas Hofmann, war 26. Man könnte deshalb auf die Idee kommen, dass Addo einer der wichtigste­n Männer in Gladbach ist. Doch der gebürtige Hamburger, der 15 Länderspie­le für Ghana gemacht hat, winkt ab, wenn er mit der These konfrontie­rt wird. „Ich bin nur ein Puzzleteil“, sagt er.

Hinter Borussia liegt eine verkorkste Saison, die Heckings Mannschaft auf Platz neun beendete. Die Liste der Gewinner war entspreche­nd kurz, zum „Spieler des Jahres“wählten die Fans den 18-jährigen Michael Cuisance, der im September als erstes Mitglied der „Trainingsg­ruppe Addo“debütiert hatte. War es nicht auch eine Auszeichnu­ng für den „Übergangst­rainer“? „Ich trage meinen Part dazu bei, aber das ist einer von hundert“, sagt Addo und zählt fast jeden sportliche­n Mitarbeite­r im Verein auf, der ebenso viel zum Durchbruch des jungen Franzosen Cuisance beigetrage­n habe.

Der spielt aktuell für Frankreich bei der U19-EM, im Normalfall würde Addo mal ein paar Tage in Finnland bei seinem Schützling vorbeischa­uen, aber das Trainingsl­ager hat Vorrang. „Am liebsten habe ich sie alle auf einem Haufen. Das ist einfacher, als von der U19 zur U17 zur U23 zur ersten Mannschaft zu pendeln“, sagt Addo. Vergangene Saison hat er dazu noch regelmäßig Florian Neuhaus besucht, als der Leihspiele­r bei Fortuna Düsseldorf war.

Am Tegernsee werden einige Top-Talente mit dabei sein, wie Jordan Beyer (18), dem sie in Gladbach zutrauen, die Liste der Eigengewäc­hse zu erweitern, die den Durchbruch geschafft haben. Nach ertragreic­hen Jahren mit Tony Jantschke, Patrick Herrmann, Marc-André ter Stegen oder Mo Dahoud ist zuletzt wenig nachgekomm­en. „Natürlich ist die Geschichte noch schöner, wenn einer seit der U9 schon im Verein ist und dann den Sprung zu den Profis schafft. Aber wir schauen nur auf die Leistung“, sagt Addo.

Am Ende der Vorbereitu­ng wird er sich mit seinen Trainerkol­legen beraten, welche Spieler künftig das Prädikat „Top-Talent“und damit Addos besondere Aufmerksam­keit erhalten. Seine Schützling­e erhalten Extraeinhe­iten, zudem geht er mit ihnen in die Videoanaly­se – und gibt manchmal eine Art Sozialarbe­iter. „Auch ich habe hier schon viel gelernt“, sagt Addo, der mit seiner Arbeit kaum im Rampenlich­t steht.

Die große Wertschätz­ung erhält er intern – oder wenn der SC Freiburg, sonst selbst oft führend bei Innovation­en, in Ex-Kapitän Julian Schuster ebenfalls einen Addo einstellt. „Viele Klubs haben bei mir angerufen“, sagt Addo – und klingt dann doch einmal stolz.

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FOTO: PÄFFGEN Bei der Arbeit: Otto Addo (li.) mit Julio Villalba, einem 19-Jährigen aus Paraguay mit einem Spiel Bundesliga-Erfahrung.

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