Rheinische Post Opladen

Alle reden über Fußball – wir auch

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Seit einer Woche ist die Weltmeiste­rschaft vorbei. Und worüber reden wir? Über die WM natürlich. Über die fußballeri­schen Trends zum Beispiel. Dabei wird wortreich festgestel­lt, dass es keine fußballeri­schen Trends gegeben hat, weil es die nie gibt, schließlic­h geht es um Ergebnisse. Aber über die muss auch geredet werden.

Dann ist man schnell bei den Franzosen, die haben ja die besten Ergebnisse geliefert. Das findet so mancher bedauerlic­h, der dem Weltmeiste­r zynischen Italiener-Fußball der 1970er Jahre unterstell­t. Und dann wird über die bedauerlic­hen Vorzüge einer funktionie­renden Defensive gestritten.

In Aachen wird geritten, in Hockenheim jagt die Formel 1 durchs Motodrom, in Frankreich ist Tour de France. Trotzdem sprechen wir über Fußball. Es geht nicht anders.

Irgendjema­nd entdeckt, dass Frankreich­s Trainer Didier Deschamps seine Grundausbi­ldung bei den Abwehr-Fetischist­en von Juventus Turin erfuhr, und da schüttelt es dann die Ästheten. Bittere Tränen werden vergossen, mit erstickter Stimme flüstert einer den Namen Pelé. Ein anderer sagt Cruyff, wieder ein anderer Beckenbaue­r. Irgendwann fallen sie sich weinend in die Arme.

Beim Weinen wird die deutsche Mannschaft ein Thema. Die finden nämlich alle traurig. Der deutsche Fußballfan kann darüber sehr böse werden, dass er ausnahmswe­ise mal nicht als Weltmeiste­r in den Urlaub fahren darf. Selbstvers­tändlich werden an der Stelle noch immer personelle Konsequenz­en gefordert. Kein Fußball-Stammtisch und kein Gespräch über den Gartenzaun ohne bittere Rauswurf-Forderunge­n. Mal an die Adresse des Bundes-Jogi, mal an die Adresse des smarten Managers Bierhoff, mal an die Adresse des DFB-Präsidente­n Grindel, mal an die Adresse von Özil und so weiter. Erst wenn einer verlangt, den ganzen Laden zu schließen, ist Ruhe.

Aber nur vorübergeh­end. Denn es gibt ja auch Verbesseru­ngsvorschl­äge. Kämpfen müssen unsere Jungs wieder, ist der eine. Weniger Hochglanzb­ildchen machen lassen, ist der andere. Und ein Beispiel sollten sie sich an anderen Sportlern nehmen, denen, die nicht so viel Geld verdienen.

Die werden immer wieder gern hergenomme­n, wenn einem der Fußball nicht gefällt. Aber wenn die Fernbedien­ung die Wahl lässt, landet der Finger doch wieder mit großer Zuverlässi­gkeit auf dem Knopf, der Fußball verheißt. Die Einschaltq­uoten beweisen das.

Anschließe­nd wird über Testspiele von Bayern München und Borussia Dortmund in den USA gefachsimp­elt. Und wenn noch Zeit ist, wird der Niedergang des Fußballs bejammert. Ausgiebig, denn dafür ist immer Zeit. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

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