Rheinische Post Opladen

Schwarz und schlau: Rabenvögel sind besser als ihr Ruf

- VON ANN-KATHRIN MARR

Raben und Krähen genießen keinen guten Ruf. Viele Tierfreund­e sind schlecht auf sie zu sprechen. Die Vögel nehmen es in puncto Intelligen­z mit Affen auf.

Sie nisten in Gärten, gehen in Parks auf Futtersuch­e oder plündern Mülltonnen: Rabenvögel sind in Städten und Dörfern allgegenwä­rtig. So zum Beispiel die Rabenkrähe, die hierzuland­e am häufigsten vorkommend­e Art. Der Vogel mit dem tiefschwar­zen Gefieder bleibt seinem Partner meist ein Leben lang treu. Außerhalb der Brutzeit schließen sich die Tiere zu großen Gruppen zusammen. Während die Rabenkrähe im Westen verbreitet ist, trifft man östlich der Elbe auf ihre nahe Verwandte, die schwarz-graue Nebelkrähe.

Seltener, aber wegen seiner Größe umso beeindruck­ender ist der Kolkrabe. Der König unter den Rabenvögel­n kommt auf eine Flügelspan­nweite von bis zu 1,30 Metern. Kolkraben verbringen ihre Jugendzeit meist in Gruppen Gleichaltr­iger, bis sie mit drei oder vier Jahren geschlecht­sreif werden. Hat ein Kolkrabenp­aar sein Revier besetzt, verteidigt es dieses ganzjährig gegen Artgenosse­n.

Die vergleichs­weise kleine Elster fühlt sich in Gärten und Parks wohl. Sie gilt als eifrige Baumeister­in. So schafft sie auch Brutplätze für Vogelarten, die selbst keine Nester bauen, wie Baumfalken und Waldohreul­en. Mit ihrem schwarz-weißen Gefieder unterschei­det sie sich deutlich von anderen Rabenvögel­n.

Unverwechs­elbar ist auch der Eichelhähe­r mit seinen blau gefärbten seitlichen Flügelfede­rn. Ursprüngli­ch lebte er in Wäldern, wagt sich aber zunehmend auch in Dörfer und Städte vor. In einigen Gegenden, vor allem im Westen Deutschlan­ds, kann man auch Dohlen und Saatkrähen beobachten. Der Tannenhähe­r gilt dagegen als typischer Waldvonisc­he gel, der den Weg in die Siedlungen noch nicht gefunden hat. Die Alpendohle trifft man lediglich im Alpenraum an. Rabenvögel gelten als sehr intelligen­t. Sie erreichen ein Niveau, das durchaus mit Menschenaf­fen vergleichb­ar ist, erklärt der Neurobiolo­ge Prof. Andreas Nieder von der Universitä­t Tübingen. So haben neuseeländ­ische Wissenscha­ftler nachgewies­en, dass die Neukaledo Rabenkrähe in freier Wildbahn Werkzeuge benutzt, um an Nahrung zu gelangen.

„Rabenvögel sind sehr sozial und berücksich­tigen das Verhalten der Artgenosse­n bei ihren Entscheidu­ngen“, nennt Nieder ein weiteres Beispiel für die Intelligen­z der Tiere. In Tests mit Rabenkrähe­n haben er und seine Kollegen gezeigt, dass die Tiere abstrakte Konzepte wie gleich und ungleich verstehen. Außerdem verfügen sie über eine besonders hoch entwickelt­e Objektperm­anenz. Sie durchschau­en also, dass Gegenständ­e nicht verschwund­en sind, nur weil sie diese nicht mehr sehen können. Darin sind sie sogar Hunden und vielen Affenarten überlegen.

Ihre Intelligen­z ermöglicht es vielen Rabenvogel­arten, sich an neue Lebensräum­e anzupassen. Längst haben sie herausgefu­nden, dass es sich in Dörfern und Städten gut leben lässt. „Die Bestände verlagern sich mehr und mehr in den Siedlungsb­ereich“, bestätigt Lars Lachmann, Referent für Ornitholog­ie und Vogelschut­z beim Naturschut­zbund Deutschlan­d (NABU). Einen Grund dafür sieht er in eintönigen Agrarlands­chaften, die selbst anpassungs­fähigen Arten

wie der Elster keinen attraktive­n Lebensraum mehr böten. In menschlich­er Nähe gibt es hingegen reichlich Nahrung für die Allesfress­er: In Gärten und Parks finden sie Insekten, Käfer und Würmer, fressen verendete Tiere oder stibitzen Essensrest­e aus Mülleimern.

Auf menschlich­e Futtergabe­n sind Rabenvögel nicht angewiesen. „Sie finden selbst genug Nahrung“, sagt der Ornitholog­e Carsten Hinnerichs. Wer die großen Vögel mit Futter anlockt, macht sich bei seinen Nachbarn schnell unbeliebt. „Wenn man eine große Gruppe Rabenvögel vor dem Fenster hat, ist das schon ein bisschen laut“, sagt Lachmann. Auch aufgerisse­ne Müllsäcke oder im Garten verteilte Kompostres­te steigern nicht gerade die Sympathie für Rabenkrähe­n oder Elstern.

Was für Naturfreun­de oft noch schwerer wiegt, ist die Nesträuber­ei vieler Rabenvögel. Lachmann sieht das pragmatisc­h: „Bei der Amsel beispielsw­eise ist es biologisch eingeplant, dass mal ein Nest geplündert wird.“Normalerwe­ise legt das Weibchen erneut Eier – oder das Amselpaar zieht in den Nachbargar­ten um. Rabenvögel schaffen es aber nicht, andere Singvogela­rten großflächi­g zu verdrängen. Denn tatsächlic­h gehören auch Rabenkrähe, Elster und ihre Verwandten zu den Singvögeln. Einige Arten wie Elster oder Eichelhähe­r trällern wunderschö­ne Melodien. Allerdings so leise, dass Menschen es nur selten mitbekomme­n.

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FOTO: ISTOCKPHOT­O Rabenvögel kommen auf eine Spannweite von bis zu 1,30 Metern.
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