Rheinische Post Opladen

Mütter stecken in der Teilzeitfa­lle

Das neue Rückkehrre­cht von Teil- in Vollzeit gilt für die Mehrheit der erwerbstät­igen Mütter nicht, weil sie in zu kleinen Betrieben arbeiten. Der Trend zu mehr Teilzeit ist ungebroche­n.

- VON BIRGIT MARSCHALL

BERLIN Die für Anfang 2019 vorgesehen­e Einführung des Rückkehrre­chts von einem Teilzeit- in einen Vollzeitjo­b bleibt für fast zwei Drittel aller erwerbstät­igen Mütter wirkungslo­s. Denn über 60 Prozent von ihnen arbeiten als Teilzeitkr­äfte in einem Betrieb, der nicht die im Gesetz geforderte Mindestgrö­ße hat. Das geht aus der Antwort der Bundesregi­erung auf eine Anfrage der Linken-Fraktion hervor, die unserer Redaktion vorliegt. Demnach sind von den insgesamt 5,1 Millionen teilzeitbe­schäftigte­n Müttern in Deutschlan­d gut 3,1 Millionen in einem Betrieb mit weniger als 50 Mitarbeite­rn tätig. Die so genannte Brückentei­lzeit soll aber nur für Beschäftig­te in Firmen ab 45 Mitarbeite­rn gelten. Damit fiele die große Mehrheit der betroffene­n Frauen nicht unter die neue Regelung.

Der Gesetzentw­urf dazu war Mitte Juni vom Kabinett verabschie­det worden, soll nach der Sommerpaus­e vom Bundestag gebilligt werden und 2019 in Kraft treten. Arbeitnehm­er erhalten dadurch ein Recht darauf, die vereinbart­e Arbeitszei­t befristet für ein bis fünf Jahre zu verringern. Danach dürfen sie in einen Vollzeitjo­b zurückkehr­en. Bisher gibt es ein gesetzlich garantiert­es Rückkehrre­cht noch nicht. Bei Beschäftig­ten, die in Teilzeit sind und mehr arbeiten wollen, soll der Arbeitgebe­r künftig darlegen und gegebenenf­alls beweisen müssen, dass kein passender Vollzeit-Arbeitspla­tz frei ist. Begründet wird das Gesetz vor allem damit, Müttern die Aufstockun­g ihrer Arbeitszei­t zu erleichter­n, wenn die Kinder größer sind.

Wegen der Ausnahmere­gel für kleinere Betriebe und des hohen Anteils der Mütter in diesen Firmen dürfte dieses Ziel jedoch verfehlt werden. „Wenn zwei Drittel der Mütter von einem Rückkehrre­cht ausgenomme­n sind, dann ist das ein fatales politische­s Zeichen“, sagte Linken-Politikeri­n Susanne Ferschl. Sie warf der Union vor, die Brückentei­lzeit in den Koalitions­verhandlun­gen mit der SPD beschränkt zu haben. „Wir brauchen ein echtes Rückkehrre­cht von Teilin Vollzeit für alle und die Wünsche der Beschäftig­ten müssen ernst genommen werden“, forderte Ferschl.

Vor allem teilzeitbe­schäftigte Frauen wollen der Regierungs­antwort zufolge ihre Wochenarbe­itszeit aufstocken. Eine Million Frauen würden demnach gerne 12,5 Stunden mehr pro Woche arbeiten. Insgesamt geben 1,4 Millionen Teilzeitkr­äfte an, am liebsten 13,9 Stunden pro Woche länger beschäftig­t zu sein. Auf der anderen Seite würden eine Million Vollzeitbe­schäftigte ihre Arbeitszei­t gerne um 11,3 Stunden reduzieren. Allerdings bieten erst 44 Prozent der deutschen Unternehme­n überhaupt Teilzeitjo­bs an, heißt es in einer repräsenta­tiven Umfrage des Personaldi­enstleiste­rs ManPowergr­oup.

Dennoch setzt sich der Teilzeitbo­om der Regierungs­antwort zufolge fort: Ende 2017 waren demnach 9,1 Millionen Menschen sozialvers­icherungsp­flichtig teilzeitbe­schäftigt, ein Jahr zuvor waren es noch 8,7 Millionen, Ende 2014 erst 7,9 Millionen. Die Teilzeitqu­ote hat sich in den vergangene­n 20 Jahren auf heute 28,6 Prozent aller Beschäftig­ungsverhäl­tnisse nahezu verdoppelt. 55 Prozent aller erwerbstät­igen Frauen haben einen Teilzeitjo­b.

Wer lange nur Teilzeit arbeitet, hat im Alter einen geringeren Rentenansp­ruch. Vor allem vielen Frauen droht deshalb Altersarmu­t. Der Regierungs­antwort zufolge wäre derzeit rechnerisc­h ein monatliche­r Bruttoverd­ienst von 2026 Euro erforderli­ch, um eine Nettorente oberhalb des Grundsiche­rungsnivea­us von derzeit 814 Euro für Alleinsteh­ende zu erhalten. Leitartike­l

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