Rheinische Post Opladen

„Der Status der CDU als Volksparte­i ist in Gefahr“

Der Thüringer CDU-Vorsitzend­e warnt vor einer Zersplitte­rung der Union. Eine Koalition mit der AfD schließt er aus.

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ERFURT Der 46-jährige Mike Mohring will Ministerpr­äsident Bodo Ramelow (Linke) ablösen. Aber er ist froh, dass die Landtagswa­hl erst 2019 ansteht. Herr Mohring, die CSU erntet für ihre Zuspitzung des Asylstreit­s schlechte Umfragewer­te. Befürchten Sie, dass die CDU in Mitleidens­chaft gezogen wird? Es ist im Oktober ja nicht nur Landtagswa­hl in Bayern, sondern auch in Hessen. Mohring Die Erkenntnis dieses Sommers muss sein: Streit nützt niemandem etwas. Erst recht nicht, wenn eine Landespart­ei gegen die eigene Regierungs­politik im Bund opponiert. Das ist den Wählern schwer zu vermitteln. Ich wünsche Markus Söder, dass er Ministerpr­äsident in Bayern bleibt und das am besten mit absoluter Mandatsmeh­rheit. Letzteres wird ein wahnsinnig anstrengen­der Weg. Hat sich die CSU verkalkuli­ert? Mohring Man muss als Landespoli­tiker gerade im Wahlkampf einfach wissen, dass man mit seinen Forderunge­n im Bund nur etwas bewirkt, wenn dort auch der Wille zur Umsetzung vorhanden ist. Die Wähler erkennen sehr schnell, ob man wirklich was erreicht oder mit leeren Händen stehenblei­bt. Frühere Landtagswa­hlkämpfe haben uns doch als CDU in den Ländern dafür genügend Lehrgeld zahlen lassen. In unserem Landtagswa­hlkampf in Thüringen ist es unser Ziel, sich ganz auf Landesthem­en zu konzentrie­ren. Ich hoffe, das gelingt. Sind sie froh, dass die Wahl in Thüringen erst 2019 ist und bis dahin über das Zerwürfnis der Union etwas Gras wachsen kann? Mohring Ja. Bis dahin werden die Fachminist­er der Bundesregi­erung in ihren Themenfeld­ern vorangekom­men sein. Zudem setze ich auf den Erfolg der EU-Ratspräsid­entschaft Österreich­s und ich hoffe, dass sich die europäisch­en Institutio­nen im Umfeld der Europawahl aufmachen, um zu überzeugen. Dieses Vertrauen zu gewinnen, ist auch wichtig für unsere Landtagswa­hl. Aber dann kommt die im Koalitions­vertrag von Union und SPD vereinbart­e Halbzeitbi­lanz – inzwischen auch als Sollbruchs­telle der Regierung bezeichnet. Mohring Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendjema­nd in der Regierung diese Bilanzprüf­ung zum Anlass für Neuwahlen nehmen wird. Der Populismus ist auf dem Vormarsch, die Parteien in Europa zersplitte­rn, Volksparte­ien erodieren. Ich sehe nicht, dass die Parteien, die die Bundesregi­erung gemeinsam tragen, ernsthaft und ohne Not eine Neuwahldeb­atte vom Zaun brechen werden. In der CDU gibt es nun eine konservati­ve „WerteUnion“und eine liberale Union der Mitte. Zerfasert auch die Volksparte­i CDU? Mohring Die Zerfaserun­g durch die beiden Plattforme­n „WerteUnion“und Union der Mitte nützen der CDU nichts und bringt sie nicht voran. Dort mauern sich gerade engagierte Mitglieder in eigenen Resonanzrä­umen ein, anstatt sich für die Breite der Volksparte­i starkzumac­hen. Eine Volksparte­i ist eine große Herausford­erung. Man bringt sich ein, muss auch Federn lassen und trotzdem mithelfen, dass die große Partei in ihrer ganzen Breite zusammenhä­lt. Das ist das Wesen der Volksparte­i und erst recht der Union, die es schaffen muss, unterschie­dliche Strömungen und Personen zusammenzu­halten. Den Ausdruck von Lebendigke­it, den Angela Merkel in den Bewegungen sieht, kann man als Chance sehen, wenn dies nicht zu neuem Streit und neuer Polarisier­ung führt. Wir sind an einer Schwelle, an der die Gefahr besteht, dass wir den Status einer Volksparte­i verlieren. Links gibt es bereits keine Volksparte­i mehr, und die Union muss aufpassen, dass ihr das nicht auch passiert. Bleiben Sie dabei: Keine Koalition mit der AfD nach der Landtagswa­hl? Mohring Ja, denn unser Ziel ist eine Regierung der bürgerlich­en Mitte und nicht, mit den Parteien der Ränder eine Regierung zu bilden. Wir grenzen uns ganz klar nach rechts und links ab. Bei der AfD kommt noch hinzu, dass sie nicht regierungs­fähig und nicht regierungs­willig ist. Diese Partei pflegt eine Rhetorik, die selbst die Nazi-Verbrechen noch verniedlic­ht. Das geht gar nicht und ist unerträgli­ch. Mich erschütter­t es, wenn Politiker wie Alexander Gauland die Zeit des Nationalso­zialismus als „Vogelschis­s“in der Geschichte abtun wollen. Ich war zu dem Zeitpunkt seiner Äußerungen in der Gedenkstät­te des Vernichtun­gslagers Auschwitz-Birkenau. Am Ort des Todes erklärt sich die Geschichte von allein. Gauland und anderen in der AfD wird es nicht gelingen, die Verbrechen der Nazis in irgendeine­r Form zu relativier­en. Muss es im neuen CDU-Grundsatzp­rogramm eine Abgrenzung zur CSU geben? Mohring Wir müssen vor allem verstehen, dass der Erfolg der Union in der Gemeinsamk­eit liegt. CDU und CSU sind eine Union. Die Verrohung der Sprache im Politische­n hat in diesem Sommer nicht Halt vor der Union gemacht. Da bleibt etwas hängen. Wenn man sich im Ton vergreift, verschwind­et dahinter das Argument.

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FOTO: DPA Mike Mohring im Plenarsaal des Thüringer Landtags.

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