Rheinische Post Opladen

„MeTwo“macht auf Alltagsras­sismus aufmerksam

- VON SABINE KRICKE

ESSEN Nach dem Hashtag „MeToo“, mit dem vor allem Frauen über sexuelle Belästigun­g und Übergriffe berichtete­n, erobert nun ein neuer Begriff das Internet. Mit „MeTwo“teilen Tausende Menschen ihre rassistisc­hen Erfahrunge­n. Initiator der Bewegung ist Ali Can aus Essen. Der Auslöser war nach Darstellun­g des Essener mit kurdisch-alevitisch­en Wurzeln die Debatte um den Fußballwel­tmeister und Nationalsp­ieler Mesut Özil, der in seiner Erklärung zum Rücktritt aus der deutschen Mannschaft dem DFB-Präsidente­n Reinhard Grindel Rassismus vorgeworfe­n hatte. Dem Rücktritt vorausgega­ngen war eine Debatte um ein Foto, für das Özil mit dem türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdogan posiert hatte.

In einem Video auf Twitter erklärt Can, warum er mit dem Hashtag „MeTwo“eine Debatte auslösen möchte. Er fühle sich in Deutschlan­d zu Hause, habe hier Freunde und gehe arbeiten. „Gleichzeit­ig kann ich mich einer anderen Kultur oder einem anderen Land (der Türkei, d. Red.) verbunden fühlen, weil mich das Land geprägt hat, meine Eltern dort geboren sind“, sagt er in dem Video. Der 24-Jährige sagt, dass er selbst häufig wegen seiner Herkunft diskrimini­ert wurde. „In Diskotheke­n wurde ich früher nicht reingelass­en.“Auch bei der Wohnungssu­che habe er wegen seines ausländisc­hen Namens Probleme gehabt. „Wir brauchen eine neue Debatte über Alltagsras­simus“, sagt Can. „MeTwo ist der neue Hashtag gegen Diskrimini­erung von Minderheit­en.“

Das „Two“(auf Deutsch „zwei“) stehe in dem Hashtag für die zwei Identitäte­n, die Can habe. Das Schlagwort hat sich in den vergangene­n Tagen rasend schnell verbreitet. Tausende Menschen mit Migrations­hintergrun­d berichten über Situatione­n im Alltag, in denen sie rassistisc­h diskrimini­ert wurden. Die Vielzahl der Erfahrunge­n, die offenbar bereits im Kindergart­enalter oder in der Schule gemacht wurden, ist groß. So beschreibt eine Betroffene, dass sie als Klassenbes­te in der vierten Klasse von ihrer Lehrerin eine Hauptschul­empfehlung bekam, damit sie unter „Gleichgesi­nnten“sei. Sie ging entgegen der Empfehlung auf ein Gymnasium und war dort ebenfalls Klassenbes­te.

Viele berichten aber auch von Rassismus in ganz alltäglich­en Situatione­n, etwa beim Einkaufen: „Meine Mama beim Schmuck-Sale in einem großen Kaufhaus, hält mehrere Schmuckstü­cke, die ihr gefallen, in der Hand – wie alle anderen (weißen) Kunden auch. Die Verkäuferi­n ruft nur ihr lautstark zu: Sie da! Nicht einfach mitnehmen! Das müssen Sie bezahlen.“

Es geht aber auch anders: Ein Nutzer berichtet davon, dass eine Schulklass­e hinter ihm stand, als er ohne Visum keine Klassenfah­rt nach Dänemark machen konnte. Die Klasse beschloss, woanders hinzufahre­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany