Auf einmal richtig gute Freunde
Über den deutsch-niederländischen Beziehungen lag lange der Schatten der Nazi-Vergangenheit. Heute sind sie besser denn je, aber neue Konflikte drohen.
DÜSSELDORF Ausgerechnet im deutschesten aller Musiktempel pflegen Angela Merkel und Mark Rutte ein familiäres Verhältnis. Gemeinsam scherzten und feierten die Regierungschefs Deutschlands und der Niederlande bei einer Dinnerpause während der „Lohengrin“-Premiere in Bayreuth. Die Botschaft: Hier besteht eine der engsten Beziehungen in der Europäischen Union.
Das Verhältnis zwischen beiden Ländern war nicht immer so herzlich. Die Zeit unmittelbar nach dem Krieg war noch geprägt vom deutschen Angriff auf das Land, den Verwüstungen und der Judendeportation durch die Nazis. In den 90er Jahren erregten sich 1,2 Millionen Niederländer per Postkarte über die ausländerfeindlichen Gewalttaten im Nachbarland. Und das Haager Forschungsinstitut Clingendael ermittelte 1993, dass die niederländische Jugend Deutschland als dominant (71 Prozent), negativ (56 Prozent) und noch immer kriegslüstern (46 Prozent) ansah.
Doch das ist alles Schnee von gestern. Inzwischen sind die Beziehungen „stinknormal“geworden, wie der niederländische Historiker Friso Wielenga meint. Und sie sind wirtschaftlich sehr eng. So beträgt das bilaterale Handelsvolumen, also die Summe der Exporte und Importe, 177 Milliarden Euro. Damit sind die Niederlande nach China und noch vor den USA und Frankreich der wichtigste Handelspartner Deutschlands, wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine kleinen Anfrage der FDP-Fraktion hervorgeht. Und Grenznachbar Nordrhein-Westfalen profitiert ganz besonders von dieser engen Partnerschaft. Kein Wunder, dass NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) seine erste Auslandsreise in die Niederlande unternahm. Auch die Jugend beider Länder hat zueinander gefunden. Aktuell haben sich 22.200 Deutsche in den Niederlanden immatrikuliert und stellen laut Bundesregierung mit 25 Prozent den größten Anteil unter den ausländischen Studenten des Nachbarlandes.
Doch es deuten sich auch Risse an. „Wir müssen erkennen, dass das gute Verhältnis gerade bei jüngeren Menschen nicht vertieft ist. Man findet sich gegenseitig „ziemlich cool“, aber das kann sich sehr schnell ändern“, warnt der Krefelder Bundestagsabgeordnete Otto Fricke (FDP), der sich besonders für das bilaterale Verhältnis einsetzt.
Schon jetzt, so Fricke, gebe es Probleme im Bereich Unternehmensbesteuerung, in dem die Niederlande mit aggressiv niedrigen Steuern Konzernzentralen nach Amsterdam, Rotterdam und Den Haag locken. Auch die Umstellung der Energieversorgung in Deutschland birgt Risiken, denn die Niederlande sind einer der wichtigsten Lieferanten des Landes. Und über Versandapotheken macht die niederländische Konkurrenz besonders den stationären Apotheken in Deutschland das Leben schwer. Hier plant die Bundesregierung sogar ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Medikamenten. Auch gute Freundschaften müssen also einige Spannungen aushalten.