Amazon überrascht mit Milliardengewinn
Der Online-Händler begeistert die Anleger. Nun könnte Amazon als erster Konzern einen Börsenwert von einer Billion Dollar erreichen. Bisher ging man davon aus, dass Apple das Rennen gewinnt.
SAN FRANCISCO (rtr/RP) Für Amazon werden neue Geschäfte abseits des margenschwachen Online-Handels zur Goldgrube: Die große Nachfrage nach Online-Speicherdiensten und Anzeigen bescherte dem weltgrößten Internet-Händler den höchsten Quartalsgewinn seiner Geschichte. Unter dem Strich betrug der Überschuss im zweiten Quartal 2,53 Milliarden Dollar, wie das Unternehmen aus Seattle mitteilte. Vor einem Jahr war es mit 197 Millionen Dollar nur ein Bruchteil davon. Auch für das dritte Quartal erwartet Amazon einen höheren Gewinn als von Analysten erwartet: Er soll zwischen 1,4 und 2,4 Milliarden Dollar liegen.
Der von Jeff Bezos, dem reichsten Menschen der Welt, geführte Konzern legt damit immer mehr seinen Ruf ab, zwar beim Umsatz stark zu wachsen, dafür aber nur geringe Gewinne oder gar Verluste einzufahren. Bezos war mit dem Online-Handel groß geworden, hatte aber auch früh in Cloud-Dienste investiert, dies zahlt sich nun aus.
Sein Konzern bietet vor allem Geschäftskunden Speicherplatz in der Cloud an und vermarktet das Angebot unter dem Namen Amazon Web Services (AWS). Der operative Gewinn der Sparte stieg um 80 Prozent auf 1,6 Milliarden Dollar. AWS ist mit einem Anteil von 31 Prozent Marktführer, die Erzrivalen Microsoft und Google hinkten mit 18 und acht Prozent deutlich hinterher. „Das sind die Kronjuwelen in Bezos Reich“, bilanzierte Analyst Daniel Ives.
Mit den Rekordeinnahmen verschafft sich das Unternehmen auch den finanziellen Spielraum, in neue Projekte zu investieren. So treibt Amazon auf verschiedenen Märkten – auch in Deutschland – den Einstieg in das Geschäft mit Lebensmittellieferungen im großen Stil voran und greift damit traditionelle Händler an.
Anleger zeigten sich von der Bilanz überzeugt: Nachbörslich stiegen die Papiere um mehr als drei Prozent und erleichterten viele Investoren in den US-Technologiesektor, nachdem der Kurssturz um fast 20 Prozent bei Facebook den Markt am Vortag erschüttert hatte. Zugleich steigen damit die Chancen, dass Amazon das erste Unternehmen wird, das einen Börsenwert von einer Billion Dollar erreicht. Eine Billion ist eine 1 mit zwölf Nullen. Derzeit ist Amazon rund 900 Milliarden wert. Lange hatte es so ausgehen, als ob der iPhone-Hersteller Apple als erstes die Billionen-Marke knackt. Apple ist derzeit 950 Milliarden wert. Auf Platz drei der Wall-Street-Schwergewichte liegt die Google-Mutter Alphabet, gefolgt vom Software-Konzern Microsoft.
Seit Ende September hat sich der Wert der Amazon-Aktie mehr als verdoppelt, ungeachtet massiver Kritik von US-Präsident Donald Trump an Bezos und seinem Konzern. Der Republikaner hatte Amazon vorgeworfen, die staatliche US-Post als billigen Laufburschen zu missbrauchen und kaum Steuern zu zahlen. Auch ist ihm die Zeitung „Washington Post“, die Bezos gehört, mit ihrer Trump-kritischen Berichterstattung ein Dorn im Auge. Milliardär Bezos schweigt sich zu den Vorwürfen konsequent aus und mehrt sein Vermögen.
„Einen Beitrag lieferte das Wachstum in unseren profitabelsten Bereichen“, sagte Finanzchef Brian Olsavsky zum Quartalsbericht. „Ausgaben in Bereichen wie Warenlagern, Datencentern und Marketing haben sich stärker ausgezahlt als erwartet.“Er hob das Geschäft mit dem Verkauf von Produkten von Drittanbietern gegen eine Provision hervor, das oft lukrativer ist als der Verkauf eigener Produkte, weil Händler Amazon auch das Marketing übertragen.