Das neue Gesicht des deutschen Springreitens
Laura Klaphake bringt mit 24 Jahren alles mit, um den Fokus auf sich zu ziehen. Vieles hängt allerdings am Verbleib ihres Erfolgspferdes.
DÜSSELDORF Laura Klaphake steht um kurz vor halb elf an diesem Abend bange Momente lang mit gedrückten Daumen auf der Tribüne. Dann, als Teamkollege Marcus Ehning mit einem Null-Fehler-Ritt den Sieg des Teams im Nationenpreis des Aachener CHIO perfekt macht, entlädt sich ihre Anspannung in ausgelassenen Jubel. Und in dem wohl breitesten Lachen, zu dem der 24-jährige Blondschopf aus dem niedersächsischen Steinfeld im Stande ist. „Ein Traum ist wahr geworden“, sagt sie wenig später. „Das ist einfach unglaublich.“Grund genug zum Strahlen hat Klaphake in jedem Fall, kommt sie an diesem Donnerstag doch als einzige der vier Deutschen zweimal fehlerfrei durch den Parcours. Es ist eine Leistung, die die 40.000 Zuschauer im Stadion von den Sitzen reißt. Und es ist eine, die Klaphake endgültig in ihre neue Rolle drängt: die des aufsteigenden Stars im deutschen Springreiten.
Klaphake hier, und Klaphake da. Klaphake im Fernseh-Interview, Klaphake im Gespräch mit einem englischsprachigen Online-Reit-Kanal. Immer lächelnd, immer unter Strom, immer gefragt. Die Tage von Aachen sorgen dafür, dass ihr Name über den Kreis der Branchenkenner präsent ist. Schon im Vorjahr sah der Reitsport in ihr, die im Stall von Paul Schockemühle reitet, eine Senkrechtstarterin. Nun kann quasi jeder, der Sport-Nachrichten konsumiert, mit ihrem Namen etwas anfangen.
Dabei sind es vor allem drei Faktoren – neben dem zweifelsohne vorhandenen Talent –, die Klaphakes Aufstieg ins Rampenlicht befeuern. Der Amazonen-Faktor Wer sich die Historie des deutschen Springreitens anguckt, der stößt bei den Größten jahrzehntelang auf Männer. Er stößt auf Hans Günter Winkler, auf Alwin Schockemöhle oder auf Ludger Beerbaum. Die einzige Frau, die in diese Phalanx einbrechen konnte, war Meredith Michaels-Beerbaum. Doch seit dem Verkauf ihres Pferdes Fibonacci nach dem Gewinn der olympischen Bronzemedaille mit dem Team in Rio 2016 ist es stiller geworden um die 48-Jährige. Und in diese Lücke stößt nun die halb so alte Laura Klaphake auf ihrer Oldenburger Stute Catch me if you can hinein. In der Dressur und der Vielseitigkeit wäre sie nur eine von vielen erfolgreichen Frauen, im Springreiten muss sie einzig an Simone Blum (29) ein Stück der Öffentlichkeit abgeben, aber der Fokus des Interesses liegt klar auf ihr. Der Kleine-Mädchen-Faktor Wer könnte besser zum Vorbild Tausender reitbegeisterter Mädchen mit blondem Pferdeschwanz taugen als ein großes Mädchen mit blondem Pferdeschwanz? Mit gewinnendem Wesen. Mit Eltern, die ebenfalls im Pferdesport arbeiten. Mit allmorgendlicher Vorliebe für eine heiße Schokolade. Einer, der in einem Nationenpreis die Sympathien eines ganzen Stadions zufliegen? Könnte sich die Reiterliche Vereinigung (FN) ein perfektes Zugpferd malen, um Vermarktung, mediale Öffentlichkeit und vor allem Zuschauerinteresse voranzutreiben, es hätte mit großer Wahrscheinlichkeit große Ähnlichkeit mit Laura Klaphake. Zumal der Verband über die junge Frau mit dem Bachelor in internationalem Management auch die Bedeutung einer dualen Karriere vermitteln kann. Der Neuanfang-Faktor Selten war die Zäsur bei den deutschen Springreitern so groß wie im Nachgang der Spiele von Rio. Ludger Beerbaum, Meredith Michaels-Beerbaum, Christian Ahlmann oder Daniel Deußer – alles arrivierte Erfolgsgaranten, die für das Team aktuell nicht zur Verfügung stehen. Insofern muss Bundestrainer Otto Becker auf die Jugend setzen, auf Maurice Tebbel (24), auf Simon Blum – und eben auf Laura Klaphake. „Wir haben das Glück, dass die jungen Leute gut sind und aktuell auch gute Pferde zur Verfügung haben“, sagt Becker.
Wobei das mit den guten Pferden immer ein Zustand auf Zeit sein kann. Das musste auch Laura Klaphake erfahren, als im Januar eines ihrer beiden Erfolgspferde aus Schockemöhles Besitz, der Wallach Silverstone G, nach Tschechien verkauft wurde. Und aktuell soll Microsoft-Gründer Bill Gates laut „Bild-Zeitung“ein Angebot über acht Millionen Euro abgegeben haben, damit seine Tochter Jennifer auf Catch me if you can reiten kann. Erst einmal wurde aus dem Kauf nichts, doch Schockemöhle kündigte für die Zeit nach der WM in Tryon/USA im September eine Entscheidung an. Vielleicht muss Laura Klaphake also wieder einmal bange die Daumen drücken. Ganz wie an diesem Abend in Aachen.