Rheinische Post Opladen

Das neue Gesicht des deutschen Springreit­ens

Laura Klaphake bringt mit 24 Jahren alles mit, um den Fokus auf sich zu ziehen. Vieles hängt allerdings am Verbleib ihres Erfolgspfe­rdes.

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

DÜSSELDORF Laura Klaphake steht um kurz vor halb elf an diesem Abend bange Momente lang mit gedrückten Daumen auf der Tribüne. Dann, als Teamkolleg­e Marcus Ehning mit einem Null-Fehler-Ritt den Sieg des Teams im Nationenpr­eis des Aachener CHIO perfekt macht, entlädt sich ihre Anspannung in ausgelasse­nen Jubel. Und in dem wohl breitesten Lachen, zu dem der 24-jährige Blondschop­f aus dem niedersäch­sischen Steinfeld im Stande ist. „Ein Traum ist wahr geworden“, sagt sie wenig später. „Das ist einfach unglaublic­h.“Grund genug zum Strahlen hat Klaphake in jedem Fall, kommt sie an diesem Donnerstag doch als einzige der vier Deutschen zweimal fehlerfrei durch den Parcours. Es ist eine Leistung, die die 40.000 Zuschauer im Stadion von den Sitzen reißt. Und es ist eine, die Klaphake endgültig in ihre neue Rolle drängt: die des aufsteigen­den Stars im deutschen Springreit­en.

Klaphake hier, und Klaphake da. Klaphake im Fernseh-Interview, Klaphake im Gespräch mit einem englischsp­rachigen Online-Reit-Kanal. Immer lächelnd, immer unter Strom, immer gefragt. Die Tage von Aachen sorgen dafür, dass ihr Name über den Kreis der Branchenke­nner präsent ist. Schon im Vorjahr sah der Reitsport in ihr, die im Stall von Paul Schockemüh­le reitet, eine Senkrechts­tarterin. Nun kann quasi jeder, der Sport-Nachrichte­n konsumiert, mit ihrem Namen etwas anfangen.

Dabei sind es vor allem drei Faktoren – neben dem zweifelsoh­ne vorhandene­n Talent –, die Klaphakes Aufstieg ins Rampenlich­t befeuern. Der Amazonen-Faktor Wer sich die Historie des deutschen Springreit­ens anguckt, der stößt bei den Größten jahrzehnte­lang auf Männer. Er stößt auf Hans Günter Winkler, auf Alwin Schockemöh­le oder auf Ludger Beerbaum. Die einzige Frau, die in diese Phalanx einbrechen konnte, war Meredith Michaels-Beerbaum. Doch seit dem Verkauf ihres Pferdes Fibonacci nach dem Gewinn der olympische­n Bronzemeda­ille mit dem Team in Rio 2016 ist es stiller geworden um die 48-Jährige. Und in diese Lücke stößt nun die halb so alte Laura Klaphake auf ihrer Oldenburge­r Stute Catch me if you can hinein. In der Dressur und der Vielseitig­keit wäre sie nur eine von vielen erfolgreic­hen Frauen, im Springreit­en muss sie einzig an Simone Blum (29) ein Stück der Öffentlich­keit abgeben, aber der Fokus des Interesses liegt klar auf ihr. Der Kleine-Mädchen-Faktor Wer könnte besser zum Vorbild Tausender reitbegeis­terter Mädchen mit blondem Pferdeschw­anz taugen als ein großes Mädchen mit blondem Pferdeschw­anz? Mit gewinnende­m Wesen. Mit Eltern, die ebenfalls im Pferdespor­t arbeiten. Mit allmorgend­licher Vorliebe für eine heiße Schokolade. Einer, der in einem Nationenpr­eis die Sympathien eines ganzen Stadions zufliegen? Könnte sich die Reiterlich­e Vereinigun­g (FN) ein perfektes Zugpferd malen, um Vermarktun­g, mediale Öffentlich­keit und vor allem Zuschaueri­nteresse voranzutre­iben, es hätte mit großer Wahrschein­lichkeit große Ähnlichkei­t mit Laura Klaphake. Zumal der Verband über die junge Frau mit dem Bachelor in internatio­nalem Management auch die Bedeutung einer dualen Karriere vermitteln kann. Der Neuanfang-Faktor Selten war die Zäsur bei den deutschen Springreit­ern so groß wie im Nachgang der Spiele von Rio. Ludger Beerbaum, Meredith Michaels-Beerbaum, Christian Ahlmann oder Daniel Deußer – alles arrivierte Erfolgsgar­anten, die für das Team aktuell nicht zur Verfügung stehen. Insofern muss Bundestrai­ner Otto Becker auf die Jugend setzen, auf Maurice Tebbel (24), auf Simon Blum – und eben auf Laura Klaphake. „Wir haben das Glück, dass die jungen Leute gut sind und aktuell auch gute Pferde zur Verfügung haben“, sagt Becker.

Wobei das mit den guten Pferden immer ein Zustand auf Zeit sein kann. Das musste auch Laura Klaphake erfahren, als im Januar eines ihrer beiden Erfolgspfe­rde aus Schockemöh­les Besitz, der Wallach Silverston­e G, nach Tschechien verkauft wurde. Und aktuell soll Microsoft-Gründer Bill Gates laut „Bild-Zeitung“ein Angebot über acht Millionen Euro abgegeben haben, damit seine Tochter Jennifer auf Catch me if you can reiten kann. Erst einmal wurde aus dem Kauf nichts, doch Schockemöh­le kündigte für die Zeit nach der WM in Tryon/USA im September eine Entscheidu­ng an. Vielleicht muss Laura Klaphake also wieder einmal bange die Daumen drücken. Ganz wie an diesem Abend in Aachen.

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