Rheinische Post Opladen

Musik ist getanzte Architektu­r

Das Gründungsm­itglied von Pink Floyd spricht über Autos, Syd Barrett und den idealen Weg, Kinder für Prog-Rock zu begeistern.

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Dicke Empfehlung: einmal den Twitter-Account von Nick Mason besuchen. Der 74-Jährige posiert da in schöner englischer Landschaft vor einem noch viel schöneren roten Ferrari. Er lebt offensicht­lich das glückliche Leben eines Rock-Millionärs. Der Schlagzeug­er ist Gründungsm­itglied von Pink Floyd, deren Platte „Dark Side Of The Moon“aus dem Jahr 1973 an dritter Stelle der meistverka­uften Alben aller Zeiten steht und angeblich noch immer jedes Jahr rund 100.000 Mal verkauft wird.

Nun geht Mason mit dem Frühwerk von Pink Floyd auf Tournee. Der Sound war damals psychedeli­scher. Zu hören sein werden auch Stücke vom Album „A Saucerful Of Secrets“(1968). Es war die letzte Platte mit Songschrei­ber Syd Barrett, der seelische Probleme hatte, drogenkran­k war und schließlic­h in legendärer Abgeschied­enheit bei seiner Mutter in Cambridge lebte. An seiner Stelle holten Mason, Roger Waters und Rick Wright einen Schulfreun­d von Barrett in die Gruppe: David Gilmour. Mit ihm fanden sie zu ihrem klassische­n Klangbild.

Viele Mythen ranken sich um den Besuch, den Barrett seiner früheren Band 1974 in den Abbey-Road-Studios abstattete. Er hatte sich so verändert, dass die Freunde ihn nicht erkannten. Es war die letzte gemeinsame Begegnung, und die Zurückgebl­iebenen widmeten Barrett danach die Lieder „Wish You Were Here“und „Shine On You Crazy Diamond“. Barrett lebte bis zu seinem Krebstod 2006 von den Tantiemen der frühen Pink-Floyd-Stücke.

Wir erreichen Nick Mason am Telefon daheim in London. MASON Wir waren Freunde. Eine gute Grundlage für eine Band. Das klingt einfach. Schon bald wurde es komplexer. MASON Viel komplexer. Wir wurden erfolgreic­h. Syd begann zu verschwind­en. Und viele andere Dinge passierten. Ihr zweites Album, das der Tour den Namen gibt, ist wichtig für die Bandgeschi­chte, weil es das letzte mit Syd Barrett und das erste mit David Gilmour ist. MASON Ja, das zweite Album hatte beide: Syd und David. Es ist wirklich sehr wichtig. Es ist einerseits eine traurige Platte, weil es die Bestätigun­g von Syds Verschwind­en ist. Und gleichzeit­ig deutet es an, wohin wir als Nächstes gehen werden. War Syd Barrett, das verschwind­ende Genie, für die besondere Atmosphäre verantwort­lich? MASON Syd war nicht für die Atmosphäre verantwort­lich. Sondern für einzelne Stücke wie „Jugband Blues“. „Saucerful“ist aber in erster Linie wegen „Set The Controls To The Heart Of The Sun“wichtig. Das ist Rogers erster wirklich großer Song. Und dann das Titelstück! Es ist der Beginn von viel stärker konstruier­ten Stücken mit längeren instrument­alen Passagen. Ihr Schlagzeug-Spiel in „Set The Controls“würde ich sampeln, wenn ich HipHop-Produzent wäre. MASON Ja, das würde gut funktionie­ren. Wir spielen in den Konzerten auch ein Stück aus unserem Soundtrack „Obscured By Clouds“. Das würde wiederum gut als Trance-Musik auf Ibiza funktionie­ren. Wie wird die Setlist Ihrer Show aussehen? MASON Wir werden Stücke aus den Soundtrack­s spielen, aus „More“und „Obscured By Clouds“. Und aus „Saucerful“und „Piper At The Gates Of Dawn“. Die Ära bis zum Jahr 1972 wird breit vertreten sein. Sie haben Architektu­r studiert. Hat Ihnen das irgendwie geholfen im Rockstar-Dasein? MASON Architektu­r ist eine der besten Vorbereitu­ngen, um Rock `n’ Roll zu machen. Überhaupt, um Musik zu machen. Viele Leute, mit denen wir gearbeitet haben, waren Architekte­n. Denken Sie an Mark Fisher, der die Bühnengest­altung für „The Wall“übernommen hat und später für die Bühnen der Stones und von U2 verantwort­lich war. Die Mischung aus Kreativitä­t und Ingenieurs­leistung, die im Studium vermittelt wird, kann man gut gebrauchen. Sie hilft, wenn man Musik notiert und organisier­t. Aber auch beim Bedienen der Maschinen und bei der Planung der Bühne. Sie haben die Punkband The Damned produziert. Komisch. MASON Warum? Weil Punk auch als Reaktion auf die Musik von Pink Floyd erfunden wurde: schnelle, harte Lieder gegen ausufernde Rock-Opern. MASON Ja, Punk wurde oft als Protest gewertet gegen das, was wir ProgRock nennen. The Damned sind allerdings stärker an Ideen als an Protest interessie­rt. Das ist gut, denn Du lernst am meisten von Leuten, die nicht aus demselben Stall kommen. Ich habe auch viel von ihnen gelernt. Ich liebe, wie sie arbeiten. Sie waren sehr schnell. Und sie konnten ihrerseits von meinem Organisati­onstalent profitiere­n. Beobachten Sie, was in der aktuellen Musikszene passiert? MASON Ich unterstütz­e manchmal junge Musiker. Aber ich suche nicht nach neuer Musik. Ich bin zu sehr mit meiner eigenen beschäftig­t. Und ich höre mich nach wie vor durch die große Bibliothek an Aufnahmen von Leuten, die mich inspiriert haben. Miles Davis zum Beispiel, den ich seit 1967 verehre. Das hat sich nie geändert. Sie lieben Autos und sind das 24-Stunden-Rennen in Le Mans gefahren. Schnelle Antwort: Welches ist das schönste Auto überhaupt? MASON Der Ferrari 250 GTO. Sie besitzen außerdem einen Ferrari Enzo, von dem nur 399 Stück gebaut wurden, oder? MASON Nicht mehr. Wie war es denn, den zu fahren? Mason Aufregend. Und ein bisschen beunruhige­nd. Wieso beunruhige­nd? MASON Da passiert so viel, während man fährt. Und man fährt sehr schnell. Roger Waters ist Ihr Freund: Verstehen Sie sein Engagement für die oft als antisemiti­sch kritisiert­e Israel-Boykott-Bewegung BDS? MASON Ich stimme mit ihm darin überein, dass die israelisch­e Regierung sich gegen die Palästinen­ser nicht immer gut verhalten hat. Aber ich denke, es ist unfair, Roger als antisemiti­sch zu bezeichnen. Es geht ihm lediglich um Politik, nicht um ethnische Dinge.

 ?? FOTO: GETTY IMAGES ?? Pink Floyd im Jahr 1968, als ihr zweites Album „A Saucerful Of Secrets“erschien (v.l.): Nick Mason, David Gilmour, Rick Wright, Roger Waters. Syd Barrett hatte die Band kurz zuvor verlassen.
FOTO: GETTY IMAGES Pink Floyd im Jahr 1968, als ihr zweites Album „A Saucerful Of Secrets“erschien (v.l.): Nick Mason, David Gilmour, Rick Wright, Roger Waters. Syd Barrett hatte die Band kurz zuvor verlassen.

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