Rheinische Post Opladen

Kein Fußball, keine Käufer

Kann ein Sport-Magazin Erfolg haben, das ohne Fußball auskommen will? „11 Freunde“-Herausgebe­r Philipp Köster hat es versucht.

- VON CLEMENS BOISSERÉE

DÜSSELDORF Fußball, Fußball, Fußball. Der Volkssport Nummer eins dominiert die deutsche Medienland­schaft. Philipp Köster (46) profitiert davon: Er ist Chefredakt­eur und Herausgebe­r des Fußball-Magazins „11 Freunde“. Doch im Sommer 2016 versuchte sich Köster an einem zweiten Projekt: Unter dem Titel „No Sports“erschien ein Magazin, das thematisch alle Sportarten behandelte – außer Fußball. Nach weniger als zwei Jahren und nur zehn Ausgaben war schon wieder Schluss.

„Wenn wir 20.000 Hefte pro Ausgabe verkauft hätten, wäre es ein Erfolg gewesen“, sagt Köster. „Aber die Lücke war am Ende zu groß.“Nur rund 12.000 Exemplare wurden im Schnitt verkauft, gedruckt wurden etwa vier Mal so viele Hefte. Dabei war dem Leser das Konzept bereits bekannt: Lange Reportagen, Analysen oder Interviews, ungewöhnli­che Bilder und ein gewisser Witz erinnerten stark an das Hauptprodu­kt des „11 Freunde“-Verlags – das „Magazin für Fußball-Kultur“. Hiervon verkaufen Köster und Co. bis heute recht konstant rund 65.000 Stück pro Monat.

Die Erklärung für den Erfolg mit dem einen und dem Misserfolg des anderen Projekts ist jedoch naheliegen­d. Köster beschreibt es so: „Fußball hat eine Resonanz in der Öffentlich­keit, die mit nichts anderem vergleichb­ar ist. Fußball ist mittlerwei­le nicht mehr nur Volkssport sondern eine Art Ersatzreli­gion.“Das sportlich recht eintönige Interesse ist nicht nur für den Zeitschrif­tenmarkt ein Problem. Der TV-Sender „Sport 1“überträgt beispielsw­eise die Basketball-Bundesliga, kommt dort im Durchschni­tt aber auf kaum mehr als 100.000 Zuschauer, für Handball und Eishockey zählt der Sender etwas über 200.000 Fans – während Live-Übertragun­gen von Fußball-Viertligas­piele bis zu 400.000 Interessie­rte vor die Fernseher locken. Und bei der Fußball-WM verfolgten 26 Millionen Menschen die deutsche Vorrunden-Niederlage gegen Mexiko.

Das Projekt „No Sports“war hingegen spätestens nach den Olympische­n Spielen im Winter 2018 gescheiter­t. Damals holte das Deutsche Eishockey-Team sensatione­ll die Silber-Medaille, kurzzeitig brach eine Art Eishockey-Hype aus – und das Magazin erschien kurz darauf mit einer großen Reportage über den Kufensport. „Trotzdem hat sich das Heft nicht gut verkauft. Da war klar: Es geht nicht weiter.“Im Mai 2018 erschien die letzte Ausgabe. Als Fazit steht für Köster: „Es gibt zwar viele Leute, die sich für American Football oder Tennis oder Radsport interessie­ren, aber es gibt kaum Leute, die sagen: Ich kaufe ein Magazin, das über den Tellerrand blickt. Und die werbende Industrie sieht das genauso.“

Der 46-Jährige ist seit jeher ein begeistert­er Zeitschrif­ten-Macher. Angefangen in der Schule, später für das Vereinsmag­azin von Fußball-Zweitligis­t Arminia Bielefeld und schließlic­h als Gründer von „11 Freunde“. Als Ursache für das Scheitern seines „alles außer Fußball“-Projekts hat der Ostwestfal­e deshalb nicht nur fehlendes Interesse, sondern vor allem eigene Fehler ausgemacht. „Den Titel und seine Ironie haben zu wenige verstanden. Dann war sicher auch der Preis von 6,80 Euro zu optimistis­ch kalkuliert. Und von Beginn an hätten wir das Magazin druckvolle­r bewerben müssen.“

Außerdem habe sich die Gegebenhei­ten für Print-Magazine verändert, seit „11 Freunde“im Jahr 2000 auf den Markt kam. „Früher sind die Leute zum Kiosk gegangen und haben sich angeschaut, was es da Neues gibt.“, sagt Köster. Heute verzichten viele Kioske gänzlich auf Zeitschrif­ten-Regale, gestöbert wird meist nur noch in der Bahnhofsbu­chhandlung. „Für uns war es eine ernüchtern­de Erfahrung, ein neues Magazin an den Start zu bringen und bei seiner Einstellun­g zu begreifen, dass die meisten Leute nicht mal mitbekomme­n haben, dass es ‚No Sports‘ überhaupt gab.“

Für den Herausgebe­r, an dessen Verlag auch Markt-Gigant „Gruner + Jahr“beteiligt ist, sind die Konsequenz­en aus dieser Erfahrung recht klar. „Auch wenn wir von manchen Vereinen behandelt werden wie Wegelagere­r, werden wir uns noch stärker auf Fußball und ‚11 Freunde‘ konzentrie­ren“, sagt Köster. Denn: „Über Politik unterhält man sich heute nur noch hasserfüll­t, die religiösen Milieus haben sich weitestgeh­end aufgelöst – was bleibt da noch? Fußball.“

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FOTO: NORMAN KONRAD Philipp Köster liebt es, Magazine zu machen. Er startete mit dem Vereinsmag­azin des Fußballklu­bs Arminia Bielefeld.

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