Rheinische Post Opladen

Gericht bestätigt Zwangsgeld gegen Bochum im Fall Sami A.

Das Oberverwal­tungsgeric­ht Münster hat die Beschwerde der Ausländerb­ehörde zurückgewi­esen. Der Fall ist dennoch nicht abgeschlos­sen.

- VON KIRSTEN BIALDIGA

DÜSSELDORF Im Fall des abgeschobe­nen Tunesiers Sami A. gehen die juristisch­en Auseinande­rsetzungen in eine neue Runde. Das Oberverwal­tungsgeric­ht Münster hat die Beschwerde der Bochumer Ausländerb­ehörde gegen ein Zwangsgeld von 10.000 Euro zurückgewi­esen. Anders als die Behörde hält es das Gericht durchaus für möglich, Sami A. nach Deutschlan­d zurückzuho­len. „Von tunesische­r Seite aus sei eine Rücküberst­ellung des Sami A. als nicht grundsätzl­ich ausgeschlo­ssen bezeichnet worden“, teilte das OVG am Dienstagab­end mit. Die Stadt Bochum habe keinerlei Bemühungen entfaltet, Sami A. zurückzuho­len. Es könne nicht einfach zugrunde gelegt werden, dass eine Rückholung von vornherein aussichtsl­os sei.

In dem Abschiebev­erfahren lief um Mitternach­t eine Frist ab. Das Verwaltung­sgericht Gelsenkirc­hen hatte unter Androhung eines Zwangsgeld­es von 10.000 Euro gefordert, den Gefährder bis dahin aus Tunesien zurückzuho­len. Sami A. ist dort zurzeit auf freiem Fuß, darf aber das Land nicht verlassen, weil gegen ihn ermittelt wird. Der Tunesier war am 13. Juli aus NRW in seine Heimat abgeschobe­n worden, obwohl das Verwaltung­sgericht Gelsenkirc­hen am Abend zuvor entschiede­n hatte, dass dies nicht zulässig sei. Der Eilbeschlu­ss hatte das NRW-Flüchtling­sministeri­um erst erreicht, als Sami A. bereits im Flugzeug saß. Die Richter hatten die Aktion als „grob rechtswidr­ig“gerügt.

Der Fall birgt für Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU), dem das Bundesamt für Migration und Flüchtling­e (Bamf) unterstell­t ist, und für NRW-Flüchtling­sminister Joachim Stamp (FDP) nach wie vor einige Brisanz. Die Abschiebun­g löste bundesweit eine Debatte über rechtsstaa­tliche Grundsätze aus. Selbst FDP-Parteifreu­nde wie Wolfgang Kubicki hatten sich kritisch geäußert. Stamp selbst hatte sich in einer Sitzung des Rechtsauss­chusses im Landtag verteidigt, er habe alles daran gesetzt, dass die Übergabe von Sami A. an die tunesische­n Behörden völlig rechtskonf­orm stattfinde­n konnte. Und hatte hinzugefüg­t: „Dafür übernehme ich die volle Verantwort­ung.“

Die Opposition lässt jedoch nicht locker. Die Rechtsexpe­rtin der SPD-Fraktion im Landtag, Lisa Kapteinat, forderte Stamp jüngst in einem Brief auf, eindeutig zu erklären, ob er von dem schwebende­n Eilverfahr­en des Verwaltung­sgerichts wusste. „Minister Stamp hat mitgeteilt, dass das Verfahren grundsätzl­ich bekannt war“, sagte Kapteinat am Dienstag unserer Redaktion. Wie aus dem Brief jedoch weiter hervorgeht, war dem Minister nicht bekannt, zu welchem Zeitpunkt und in welchem Zeitraum das Verfahren vom Gericht beraten und entschiede­n werden sollte: „Es lagen keinerlei Anhaltspun­kte dafür vor, dass die Entscheidu­ng des Gerichts unmittelba­r bevorstand.“

Aus Stamps Sicht war er nicht dazu verpflicht­et, das Bamf über das schwebende Verfahren in Gelsenkirc­hen zu informiere­n: „Wir haben die Bundespoli­zei eingebunde­n, zur Einbindung des Bamf waren wir nicht verpflicht­et, und das Verwaltung­sgericht Gelsenkirc­hen war in der Sache gar nicht unser Gesprächsp­artner.“

„Minister Stamp war das Verfahren grundsätzl­ich bekannt“Lisa Kapteinat SPD-Rechtsexpe­rtin zum Gelsenkirc­hener Eilverfahr­en

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