Bayers neues Juwel
Der Brasilianer Paulinho (18) zeigt im Trainingslager: Er hat Eigenschaften, die es für eine große Karriere braucht.
ZELL AM SEE Paulinho lacht nicht oft. Zumindest könnten Zuschauer diesen Eindruck gewinnen, sehen sie dem brasilianischen Zugang von Bayer Leverkusen dieser Tage beim Fußballspielen zu. Das liegt allerdings weniger daran, dass das von Vasco da Gama an den Rhein gewechselte Talent keine Frohnatur ist. Vielmehr dokumentiert es die Entschlossenheit und den Ehrgeiz des 18-Jährigen, seinem neuen Coach Heiko Herrlich schon im Trainingslager in Österreich zu vermitteln: Ich bin bereit für die Bundesliga.
Seit rund zwei Wochen ist Paulo Enrique Sampaio Filho, kurz Paulinho, offiziell Spieler von Bayer 04. Mit Beginn seiner Volljährigkeit unterzeichnete das brasilianische Sturmjuwel im Juli einen Vertrag unterm Bayer-Kreuz, der ihn bis 2023 an den Klub bindet. Beim Wettbieten um den Außenstürmer soll Leverkusen rund ein Dutzend europäische Spitzenklubs ausgestochen haben. 18,5 Millionen Euro überwies der Bundesligist an den finanziell gebeutelten Traditionsverein Vasco da Gama. Ein echtes Schnäppchen im Vergleich zu ähnlich hoch gehandelten Talenten vom Zuckerhut. Real Madrid zahlte zuletzt allein für Rodrygo (17 Jahre/FC Santos) und Vinicius Junior (18/Flamengo Rio de Janeiro) je 45 Millionen Euro.
Für die Integration des neuen Außenangreifers, der vor allem auf der linken Seite stürmt, kümmert sich derzeit vor allem Landsmann Wendell. Der 25-Jährige spielt bereits seit 2014 für die Werkself und ist für Paulinho älterer Bruder, Freund und Dolmetscher in Personalunion. „Wendell gibt sich unheimlich viel Mühe“, sagt Herrlich. Die Verständigung mit dem in Rio de Janeiro geborenen U17-Südamerikameister, der bereits seit einigen Monaten Deutsch lernt, funktioniere schon ganz gut. „Paulinho kennt die Schlagwörter“, sagt Herrlich. Am vergangenen Samstag feierte der Zugang beim 2:0-Sieg im Test bei Fortuna Sittard sein Debüt im Bayer-Trikot. Nicht nur Herrlich („Er hat direkt gezeigt, warum wir ihn geholt haben“) sondern auch seine Teamkollegen zeigten sich beeindruckt. „Man merkt, dass er in die Mannschaft will“, betonte Benjamin Henrichs. Neben seiner starken Technik, seiner guten Übersicht und seiner mannschaftsdienlichen Spielweise fällt bei Paulinho vor allem eines auf: sein gestählter Körper. Ähnlich wie der Neu-Liverpooler Xherdan Shaqiri ist Bayers kostspieligster Transfer dieses Sommers ein Kraftpaket. Teamkollege Kevin Volland bezeichnete den 1,75 Meter großen und 75 Kilo schweren Brasilianer bereits als „schöne Kante“. Sportgeschäftsführer Rudi Völler bestätigte diesen Eindruck. „Er wirkt nicht wie jemand, der noch in der A-Jugend spielen könnte“, sagte der Weltmeister von 1990. Schon als 16-Jähriger debütierte Paulinho in Brasiliens höchster Spielklasse. Völler: „Er strotzt vor Selbstvertrauen, will immer den Ball haben und zeigen, was er kann.“
Bayers ehemaliger Manager und jetziger Sportdirektor Jonas Boldt sah sich Paulinho vor der Verpflichtung drei Mal live vor Ort an. Was ihn auf Anhieb überzeugte: Paulinhos Wille, trotz seines Offensivdrangs auch die defensiven Aufgaben zu erledigen und seine Instinkte im gegnerischen Sechzehner. Der Armbruch, der Paulinho in den vergangenen rund vier Monaten ausbremste, scheint ihn nicht mehr zu behindern.
Im Trainingslager der Werkself in Zell am See in Österreich kämpft der Brasilianer aktuell um seinen Platz im Team. Die Konkurrenz auf den Außen ist in Leon Bailey, Julian Brandt und Karim Bellarabi groß, doch durch die Dreifachbelastung in Liga, Pokal und Europa League wird Paulinho wohl auf seine Einsätze kommen. Spätestens dann werden die Fans auch sicherlich ein Lächeln bei Paulinho sehen. Mindestens.