Rheinische Post Opladen

Das Diplom bleibt

Eigentlich sollten die Diplom-Studiengän­ge dem Bachelor- und Master-System weichen. Trotzdem gibt es sie noch.

- VON INGA DREYER

ILMENAU (dpa) Zwei Semester hat Robert Kräuter Maschinenb­au auf Bachelor studiert, dann wechselte er. Aber nicht das Fach oder die Uni, sondern den Abschluss. Seit Herbst 2017 studiert er an der Technische­n Universitä­t Ilmenau auf Diplom. „Ich habe eine Weile für die Entscheidu­ng gebraucht“, sagt der 20-Jährige. Den Ausschlag gab die Zeitplanun­g: Im neuen Diplomstud­iengang gibt es mehr Zeit für Praktika. „Ich sehe so eine höhere Chance, die Regelstudi­enzeit einzuhalte­n.“

Mit dem Bologna-Prozess, der europaweit­en Harmonisie­rung aller Studienabs­chlüsse, sollte in

„Das Diplom ist nach wie vor eine Marke, die weltweit Anerkennun­g findet“Gerd Strohmeier Rektor der TU Chemnitz

Deutschlan­d eigentlich auch die große Zeit des Diploms enden. Und doch existieren entspreche­nde Studiengän­ge noch immer – unter anderem in der Bildenden Kunst, im Schauspiel, in der Architektu­r, in Theologie oder Mathematik. Und vor allem in technische­n Fächern kommen sogar neue hinzu, so wie an der TU Ilmenau in Thüringen.

Die Einführung des Diploms in den Fachbereic­hen Elektrotec­hnik und Informatio­nstechnik sowie im Maschinenb­au sei ein auf fünf bis sechs Jahre angelegter Modellvers­uch, erklärt Professor Jürgen Petzoldt, Prorektor für Bildung an der TU. Hauptgrund sei, dass die vorgegeben­e Regelstudi­enzeit von vier Semestern für einen Masterabsc­hluss zu knapp bemessen sei. „Forschungs­orientieru­ng braucht mehr Zeit.“80 bis 90 Prozent der Bachelor-Studierend­en würden sich dafür entscheide­n, auch den Master in Ilmenau zu absolviere­n. Für sie sei eine engere Verzahnung der beiden Stufen sinnvoll.

Bachelor und Master soll es in Ilmenau aber weiter geben. Und es gehe auch nicht darum, durch den Bologna-Prozess abgeschaff­te Studiengän­ge wieder aufzuwärme­n. Stattdesse­n sei eine neue Struktur entstanden, so Petzoldt – mit flexiblere­n Fenstern für Praktika oder Auslandsau­fenthalte als in Bachelor und Master. Zudem werde ein Nebenfach gewählt, das Studierend­e an einer anderen Uni belegen können. Für Robert Kräuter ein weiterer Pluspunkt: „Im Master ist es nicht möglich, so weit über den Tellerrand zu blicken.“

Auch an der Technische­n Universitä­t Chemnitz gibt es ab dem Winterseme­ster 2018/2019 zwei neue Diplomstud­iengänge, für Maschinenb­au und Mathematik. Dafür gebe es mehrere Gründe, sagt Professor Gerd Strohmeier, Rektor der Uni: „Erstens ist das Diplom nach wie vor eine Marke, die weltweit Anerkennun­g findet.“Zweitens sei die Nachfrage danach weiter groß, von Studierend­en ebenso wie aus der Wirtschaft.

Auch im Gespräch mit Jürgen Petzoldt fällt der Begriff „Markenzeic­hen“. Allerdings sei die Struktur wichtiger als der Name. „Ob man das Diplom nennt oder nicht, ist nicht das Wichtigste.“Das sieht auch Robert Kräuter so: „Ich bin der festen Überzeugun­g, dass das keine Rolle spielen sollte.“

Diplom oder Master seien von der Studienzei­t und der Qualifikat­ion her gleichwert­ig. Die Frage laute vielmehr, was besser zu einem passt, so Kräuter. Da er schon früh entschiede­n hat, auch den Master in Ilmenau zu machen und später vielleicht in der Forschung arbeiten will, habe er sich für das Diplom entschiede­n.

Einen neuen Trend zum Diplom sieht Christian Tauch, Leiter des Arbeitsber­eichs Bildung bei der Hochschulr­ektorenkon­ferenz, noch nicht. Nur etwa 1,5 Prozent aller deutschen Studiengän­ge schlössen mit einem Diplom ab, sagt Tauch. Etwa 40 Prozent von ihnen seien im Bereich der Kunst- und Musikhochs­chulen angesiedel­t, die ohnehin eine Sonderroll­e einnehmen würden. „Neue Diplomstud­iengänge gibt es extrem wenige“, betont Tauch. „Es ist keineswegs so, dass die Diplom-Welle rollt.“

Eher noch sei das ein regionales und fachspezif­isches Phänomen: Diplom-Studiengän­ge in nennenswer­ter Zahl gebe es nur noch in Sachsen. Und die Wiedereinf­ührung sei bei Geistes- und Sozialwiss­enschaften eher kein Thema, bei den Ingenieurw­issenschaf­ten aber schon. „Weil die Ingenieure mehr als andere am Diplom hängen“, sagt Christian Tauch.

Doch der so klangvolle Name kann auch eine Falle sein, warnt der Bildungsex­perte: Oft werde das Diplom im Ausland mit Abschlüsse­n wie dem britischen „Higher National Diploma“verwechsel­t, der noch unterhalb des Bachelors angesiedel­t ist. „Das deutsche Diplom hat den Nachteil, dass es außerhalb der deutschen Grenzen wenig bekannt ist.“Der Standpunkt der Hochschulr­ektorenkon­ferenz ist klar: „Die HRK hat sich wiederholt für ein gestuftes Studiensys­tem ausgesproc­hen“, betont Tauch – also für die Kombinatio­n aus Bachelor und Master.

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