Rheinische Post Opladen

Mehr als 100 Diebstähle in Altenheime­n

Sicherheit­smaßnahmen in Alten- und Pflegeheim­en bleiben oft wirkungslo­s. Die Polizei rät: Schmuck und Wertsachen sollte man besser bei Angehörige­n deponieren.

- VON HELENE PAWLITZKI

„Meine Mutter hat sich gerne geschmückt“, sagt Iris Theissen. Nerzjacke, Seidentüch­er, edler Schmuck – das war Marie Nowak (Namen geändert) auch dann noch wichtig, als sie nicht mehr zu Hause, sondern im Dorothee-Sölle-Haus in Oberkassel lebte.

Um so größer war der Schock, als Iris Theissen am 2. Juni zusammen mit ihrem Bruder in das Heimzimmer ihrer Mutter kam. Es war der Tag, an dem Marie Nowak im Alter von 92 Jahren im Krankenhau­s gestorben war. „Alle Schubladen waren ausgeräumt“, sagt Iris Theissen. Saphir-Ohrringe, Goldringe mit Brillanten, eine Goldkette mit Anhänger – laut Theissen alles weg. Besonders schmerze sie der Verlust eines Paars Rotgold-Ohrringe – ein Erbstück von Theissens Urgroßmutt­er. Aber auch die Seidentüch­er, die sie ihrer Mutter über die Jahre geschenkt hat, vermisse sie. „Ich war sprachlos. Ensetzt“, sagt sie. Es gehe ihr nicht um den materielle­n Wert. Sie wolle einfach wissen, was passiert sei.

Sehr wahrschein­lich wird sich das nie aufklären lassen – nicht in diesem und auch nicht in den meisten anderen der deutlich über 100 Diebstahls­fälle in Alten- und Pflegeheim­en, die es in Düsseldorf jährlich gibt (siehe Kasten). Sehr oft mangelt es an Hinweisen. „Vielleicht war es das Pflegepers­onal oder eine Reinigungs­kraft“, sagt Polizeispr­echer Markus Niesczery. „Vielleicht hat sich auch ein Angehörige­r ein vorgezogen­es Erbe verschafft. Oder jemand ist von außen ins Heim eingedrung­en.“All diese Möglichkei­ten machen die Aufklärung der Fälle nicht einfacher.

Als „betrüblich­en Einzelfall“bezeichnet der Abteilungs­leiter des Dorothee-Sölle-Hauses, einer diakonisch­en Einrichtun­g, den Fall Nowak in einem Schreiben an Tochter Iris Theissen. Darin und im Gespräch mit unserer Redaktion betont David Kuhl, es müsse sich nicht um einen Diebstahl gehandelt haben. Im Heim sei dokumentie­rt, dass Marie Nowak immer wieder Schränke und Schubladen ihres Zimmers ausgeräumt habe. Häufig habe sie Dinge verlegt und dann andere verdächtig­t, sie gestohlen zu haben – bis sich diese im Zimmer wieder vorgefunde­n hätten. Vor ihrer Einweisung ins Krankenhau­s habe sie wieder einmal ihr Zimmer ausgeräumt. Zwei Kräfte hätten dann in ihrer Abwesenhei­t alles wieder eingeräumt. „Natürlich kann man einen Diebstahl nie völlig ausschließ­en“, sagt Kuhl. „Aber wir vertrauen unseren Mitarbeite­rn.“

Iris Theissen glaubt nicht daran, dass ihre Mutter Schmuck oder Tücher verschenkt oder weggeworfe­n haben könnte. „Im Leben nicht.“Schon zu Lebzeiten der Mutter seien immer wieder Kosmetika verschwund­en, bis sie nur noch No-Name-Produkte nachgekauf­t habe. Als sie am Todestag ihrer Mutter einen Mitarbeite­r des Dorothee-Sölle-Hauses traf, habe der nur gesagt: „Es steht Ihnen frei, Anzeige gegen Unbekannt zu erstellen.“

Tatsächlic­h haben Angehörige und Diebstahls­opfer in Heimen kaum eine andere Möglichkei­t. Im Dorothee-Sölle-Haus verweist man auf Sicherheit­smaßnahmen: Eingänge und Tiefgarage­neinfahrt werden videoüberw­acht, die Pforte ist zwölf Stunden am Tag besetzt, danach kommt man nur mit elektronis­chem Chip hinein. Bewohner können Wertsachen in Tresoren oder abschließb­aren Schubladen lagern.

All das hat im Fall von Marie Nowak offenbar nichts gebracht. Die Polizei rät dringend dazu, in Heimen besonders aufeinande­r und die Wertsachen des Zimmernach­barn zu achten. „Aber am Ende ist doch der beste Ratschlag: Bringen Sie Ihre größten Schätze nicht mit ins Heim, sondern lassen Sie sie lieber in sicherer Obhut“, sagt Polizeispr­echer Niesczery. Sprich: bei der Bank oder bei Angehörige­n. Ein Rat, den zu beherzigen nicht nur Menschen wie Marie Nowak, für die schöne Dinge wichtig waren, schwer fallen dürfte.

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RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Im Dorothee-Sölle-Haus gibt es ein Kamera-Überwachun­gssystem am Eingang. Diebstähle kann das leider nicht komplett verhindern.

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