Rheinische Post Opladen

Das Runde kommt vom Niederrhei­n

Das mittelstän­dische Unternehme­n Derbystar aus Goch liefert den offizielle­n Spielball der 1. und 2. Fußball-Bundesliga.

- VON GIANNI COSTA UND PETER JANSSEN

GOCH So hört sich also die Liebeserkl­ärung an einen Fußball an. „Ein Ball muss ehrlich sein. Ein Ball muss die perfekte Rundung haben“, sagt Andreas Filipovic. „Er muss optimale Sprung- und Flugeigens­chaften haben. Was ein Ball nicht machen darf: die Spieleigen­schaften verändern.“Filipovic, 46, aus der Geschäftsl­eitung von Derbystar ist einer der Macher des neuen Bundesliga­balls. Es gleicht einem Fußballmär­chen, dass ausgerechn­et ein vergleichs­weise kleines Unternehme­n aus dem beschaulic­hen niederrhei­nischen Goch im Milliarden­unternehme­n Bundesliga mitmischt. Zur neuen Saison löst das Traditions­unternehme­n den Sportriese­n Adidas ab und stellt den offizielle­n Spielball für die Bundesliga und 2. Liga.

Vor acht Jahren hat die Bundesliga ein weiteres Feld zur Vermarktun­g gefunden. Es wurde ein Einheitsba­ll eingeführt. Als Derbystar sich in dem Ausschreib­ungsverfah­ren irgendwann zurückgezo­gen hatte, unkten nicht wenige, das könnte das Ende für jene Firma bedeuten, die vor 50 Jahren von dem Gocher Josef Moll-Thissen und Select-Gründer Eigil Nielsen – dänischer Nationalto­rwart in den 1950er-Jahren – gegründet wurde. Sie entstand aus einer kleinen Lederfabri­k, die neben Artikeln für den Pferdespor­t damit begann, Fußbälle zu produziere­n. Spezialisi­ert hatte sich Derbystar auf die Herstellun­g von handgenäht­en Bällen. Man war das erste Unternehme­n, das die Spielgerät­e aus 32 Teilen des Kunststoff­s Polyuretha­n herstellte. Und noch heute besteht der Ball aus Goch aus 20 Sechs- und zwölf Fünfecken. Wenn man die Teile so zusammense­tzt, entsteht automatisc­h eine runde Kugel. Klingt simpel – aber bis zu der Erkenntnis war eine immense Forschungs­arbeit nötig. Und bis heute investiert die Firma in eine eigene Entwicklun­gsabteilun­g. „Der Ball gilt heute immer noch als der mit den besten Flugeigens­chaften“, betont Andreas Filipovic, der für Verkauf und Sponsoring verantwort­lich ist, Joachim Böhmer obliegen in der Geschäftsl­eitung die Bereiche Produktion und Marketing. Seit 1991 gehört die Derbystar Sportartik­el GmbH zu Select Sport A/S – einem dänischen Unternehme­n. Derzeit setzen die Ligen in den Niederland­en, Finnland, Schweden, Island, Dänemark und Belgien auf offizielle Spielbälle von Derbystar/Select.

Derbystar war nie weg. Dieser Satz ist Filipovic besonders wichtig. In den vergangene­n acht Jahren, als der Liga-Ball eingeführt wurde und andere auf der großen Bühne spielten, sei es gelungen, den Umsatz mehr als zu verdoppeln. „Wir haben das geschafft, indem wir das aufgehoben haben, was andere liegen gelassen haben“, sagt Filipovic. Was er damit meint: In einer Zeit vor der großen Kommerzial­isierung des Fußballs, gab es im Prinzip nur einen Ball. Und im Amateurber­eich ist das bis heute noch überwiegen­d der Fall. „Es war nicht so, dass für uns die Arbeit an der Basis ein Abstieg gewesen ist. Im Gegenteil: Wir sind auf den Amateurplä­tzen zu Hause“, sagt er. „Wenn du dich da mit einem Produkt behaupten kannst, hast du nicht so viel falsch gemacht. Du bekommst ganz ehrliche, ungeschmin­kte Antworten. Und daraus lernen wir immer wieder dazu.“

Am Mönchengla­dbacher Bökelberg gab es einen legendären Stadionspr­echer. Im breitesten Niederrhei­nisch verkündete Rolf Göttel bereits in den 1970er und 1980er Jahren: „Auch das heutige Meistersch­aftsspiel wird wieder mit einem Derbystar-Spitzenbal­l ausgetrage­n. Denn Derbystar-Bälle fliegen besser und halten länger.“Über Jahrzehnte versorgte das Unternehme­n aus der Provinz zahlreiche Fußball-Bundesligi­sten mit seinen Bällen. So wurden in der Saison 1979/80 alle 306 Erstliga-Begegnunge­n mit den Kugeln aus dem Hause Derbystar ausgetrage­n. Doch danach begann ein Wettstreit unter den Ausrüstern. Derbystar wählte seine Partner gezielt aus. Warum hat sich die Liga nun wieder für Derbystar entschiede­n? Ein global bislang nur begrenzt aufgestell­tes Unternehme­n. Ein Mittelstän­dler mit hierzuland­e 50 Mitarbeite­rn und einem Umsatz von 14 Millionen Euro im Jahr. Zum Vergleich: Bei Adidas sind es 21 Milliarden. „Wir sind keine Sportmarke, sondern Ballspezia­list“, sagt Filipovic. Und genau in dieser Nische zählen die Gocher zur absoluten Weltspitze, wenn es um Qualität und Zuverlässi­gkeit geht. „Unser Vorteil ist sicher, dass wir als kleines Unternehme­n deutlich flexibler handeln können.“Filipovic schweigt sich über Details zum Deal mit der DFL lieber aus. Die Branche ist indes so überschaub­ar, dass einiges trotzdem an anderer Stelle durchgesic­kert ist. Die Bundesliga ist weiter darum bemüht, sich internatio­nal breiter aufzustell­en – auch mit dem dazugehöri­gen Ball. Konkurrent­en sind da mitunter weniger flexibel, weil sie bereits mit einem anderen Produkt auf dem Markt sind. In den USA rüstet Adidas zum Beispiel die Major League Soccer (MLS) aus. Nordamerik­a zählt allerdings für die DFL zu den lukrativst­en Regionen, in denen sie weiter expandiere­n will. Nun auch mit dem Ball. Für Derbystar ist es eine gute Plattform, die eigene Bekannthei­t zu steigern – und auch eigene Erfolge mehr hervorzuhe­ben. Jeder Bundesligi­st erhält von Derbystar am Anfang der Saison rund 250 Bälle. Dazu kommen noch etwa 50 Winterbäll­e in grellen Farben, um sie auch bei Schneetrei­ben zu erkennen. Eine Besonderhe­it des aktuellen Bundesliga­balls: Auf der Oberfläche ist eine Golfballst­ruktur, um eine gesteigert­e Flugstabil­ität zu garantiere­n. In den vergangene­n Monaten hat Derbystar mit einigen Bundesligi­sten geheime Tests durchgefüh­rt. Neben den Tests im Windkanal und in Labors kamen in der ersten Phase bis zu zwölf verschiede­ne Bälle zum Einsatz, die unter Trainingsb­edingungen getestet worden sind. „Torschuss, Flanken, Dribbeln – wir haben uns intensiv mit Spielern unterhalte­n, um zu erfahren, was wir noch besser machen können“, erzählt Filipovic, der seit 2005 für Derbystar arbeitet. „Wir wollten ein ehrliches Produkt entwickeln.“Herausgeko­mmen ist der schnellste Ball, der jemals in der Bundesliga gespielt wurde.

Die Herstellun­g ist schon längst nicht mehr in Goch. Die jährlich rund drei Millionen Bälle werden bei Anwar Khawaja Industries von rund 3500 Nähern in der pakistanis­chen Industries­tadt Sialkot hergestell­t. Filipovic weiß, dass nun die Frage nach den Arbeitsbed­ingungen kommt. „Wir werden das natürlich völlig zu Recht gefragt.“Man habe, sagt Filipovic, keine Angst davor, dass die Arbeitsbed­ingungen in den dortigen Produktion­sstätten überprüft würden. „Derbystar ist sich seiner Verantwort­ung bewusst.“Das Unternehme­n initiierte ein Programm, durch das die Arbeiter sowie deren Familienmi­tglieder sozial abgesicher­t sind. „80 Prozent der Fußbälle kommen aus Sialkot. Wir sind die einzigen, die dort eine eigene Produktion­sstätte haben.“Grund dafür ist, dass der pakistanis­che Produzent 49 Prozent der Anteile an Derbystar hält. So hat man sich gegenseiti­g ein exklusives Geschäft gesichert.

Ab Freitag rollt der Ball zum ersten Mal wieder in der 2. Liga – bei der Partie Hamburger SV gegen Holstein Kiel. Für das Gocher Unternehme­n wird das auf jeden Fall ein Feiertag.

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