Rheinische Post Opladen

Aus nach 52 Minuten

Beim Hartplatz-Turnier in San José erlebt Serena Williams die deutlichst­e Pleite ihrer Karriere. Mit 1:6, 0:6 unterliegt sie der Britin Johanna Konta. Williams’ Weg zurück an die Spitze im Tennis ist steiniger, als sie selbst wohl gedacht hat.

- VON JESSICA BALLEER

DÜSSELDORF/SAN JOSE Nach gerade einmal 52 Minuten ist das Tennismatc­h beendet. Eigentlich nicht unüblich bei Spielen von Serena Williams, der ehemaligen Weltrangli­stenersten. Die Anzeigetaf­el zeigt 1:6, 0:6. So geht Williams denn auch zum Netz und reicht ihrer Gegnerin nach der ersten Runde beim Turnier

„Ich weiß, dass ich eine Million Mal besser spielen kann“Serena Williams Tennisprof­i

in San José die Hand. Aber nicht Williams ist die Siegerin.

Williams tapste im Spiel ein ums andere Mal eher orientieru­ngslos umher. Ein Aufschlags­piel gewann sie an diesem Dienstagab­end, danach aber konnte sie nur noch dabei zusehen, wie der gelbe Ball in für sie unerreichb­arer Ferne zu Punktgewin­nen für die Gegnerin aufsetzte. Und die Gegnerin, das war Johanna Konta. Die australisc­h-britische Spielerin galt in der Tenniswelt bislang kaum als Favoritens­chreck. Und fast ehrfürchti­g reichte Konta der US-Amerikaner­in die Hand. So richtig genießen konnte sie das offenkundi­g auch nicht. Zu merkwürdig war es, dass die 27-jährige Britin, die in ihrer Karriere auf drei WTA-Turniersie­ge kommt, soeben der einstmals besten Tennisspie­lerin auf diesem Planeten in weniger als einer Stunde deren deutlichst­e Pleite beigebrach­t hatte. „Ich weiß, dass ich eine Million Mal besser spielen kann“, sagte Williams. „Aber ich darf mir jetzt nicht zu lange den Kopf darüber zerbrechen, warum ich so klar verloren habe.“

Williams stand im Jahr 2002 erstmals auf Rang eins der Weltrangli­ste. 319 Wochen lang führte sie dieses Ranking an, holte 23 Grand-SlamTitel und gehört in der Geschichte des Sports, zusammen mit Steffi Graf oder Martina Navratilov­a, zu den ganz Großen. Doch die Zeit hat ihre Spuren hinterlass­en.

Für Williams war es das fünfte Turnier nach der Geburt ihrer Tochter Alexis Olympia im September 2017. Zu Beginn ihres Comebacks hatte sie große Schwierigk­eiten gehabt. In Wimbledon dann hatte die US-Amerikaner­in vor gut zweieinhal­b Wochen das Finale erreicht, das sie in zwei Sätzen klar gegen Angelique Kerber verlor. Beim Rasenturni­er in London hatte Williams vor allem davon profitiert, dass sämtliche Top-Ten-Spielerinn­en frühzeitig ausgeschie­den waren. Der Weg ins Finale war leichter denn je. Williams’ Spiel ist noch längst nicht wieder das eines dominanten, selbstbewu­ssten Siegertyps.

Das liegt auch daran, dass die 36-Jährige neue Prioritäte­n setzt. Präsenz zeigt sie vor allem auf ihren Profilen in den sozialen Netzwerken. Trainingsb­ilder findet man kaum. Serena Williams betreibt dort vor allem Werbung in eigener Sache. Sie ist ein Marketings­tar, vertreibt ihre Modelinie, hat fast neun Millionen Fans auf Instagram. Doch der Spagat zwischen Werbeikone und Tennisprof­i scheint ihr nicht mehr so leicht zu gelingen.

Vor einigen Tagen hat sie ein Foto veröffentl­icht, das knapp 260.000 Menschen mit „Gefällt mir“markierten. Darauf war sie mit Schläger zu sehen und neben ihr ein Spruch geschriebe­n, der die Williams-Realität gut widerspieg­elt: „Everyone always plays me at their greatest. So I have to be greater“(Jede spielt immer bestmöglic­h gegen mich. Also muss ich noch besser sein). Für Williams aber ist der Spruch weniger eine Erkenntnis, vielmehr wirft er eine Frage auf. Und zwar die, ob sie überhaupt in der Lage ist, das Quäntchen wieder draufzuleg­en, das sie all die Jahre wahrlich zur „greatest“Spielerin der Welt gemacht hatte. Die vorläufige Antwort nach ihrer Vorstellun­g in San José: Es ist noch viel zu tun und einiges an Trainingsa­rbeit zu leisten.

Die WTA-Tour geht für sie weiter, auch nach dieser Pleite. Für das Turnier im kanadische­n Montreal in der kommenden Woche hat Williams eine Wildcard vom Veranstalt­er erhalten. Auch Kerber wird dort erstmals nach ihrem Wimbledon-Triumph wieder antreten. Die kleine Bühne können beide nutzen, um in die Spur und zur guten Form zu finden. Es ist fast gleichgült­ig, wie beide dort abschneide­n. Das ist nur die Vorbereitu­ng. Der Fokus, der wird dann wieder auf dem nächsten Grand Slam liegen. Es geht mit schnellen Schritten auf die US Open in New York zu. Am 27. August beginnt das Hartplatz-Turnier. Ein Heimspiel für Williams.

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FOTO: DPA Ungläubige Blicke auf beiden Seiten des Netzes: Serena Williams gratuliert ihrer Bezwingeri­n Johanna Konta nach dem 1:6, 0:6.

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