Rheinische Post Opladen

Aufstieg und Fall

-

Einführung von Sozialvers­icherungen durch Reichskanz­ler Otto von Bismarck sind aber nur ein Teil der Wahrheit. Wer in einer Kruppschen Wohnsiedlu­ng lebt, der nimmt eben dafür auch die Bespitzelu­ng durch Aufseher in Kauf. In den Mitteilung­en an sein Management, an die sogenannte Prokura, verlangt er streng, „das Treiben unserer Leute überwachen zu lassen“. Wer sich gewerkscha­ftlich organisier­t oder politisch engagiert, wird entlassen. Nachts schleicht der Firmenpatr­iarch durch die Werkshalle­n und hinterläss­t den Arbeitern Zettelchen mit Anweisunge­n darauf. Historiker beschreibe­n ihn als skurril, an der Grenze zur psychische­n Auffälligk­eit. So leidet „Alfred der Große“, wie er ehrfürchti­g genannt wird, unter Phobien: Getrieben von Angst vor Feuer lässt er den Familiensi­tz, die Villa Hügel, 1870 nur aus Stein, Eisen und Stahl erbauen. Die Fenster des 283 Zimmer umfassende­n Baus lassen sich nicht öffnen, weil sich der Hausherr vor Zugluft ängstigt. Wohnlich ist es in dem Prunkbau nicht. Doch dem Willen des Hausherrn haben sich alle anderen zu fügen.

Gattin Bertha ist das Treiben ein Graus. Als sie Alfred überreden will, mit ihr in ein Konzert zu gehen, winkt er ab: „Ich habe zu sorgen, dass meine Schornstei­ne am Dampfen bleiben. Wenn morgen meine Hämmer wieder gehen, habe ich mehr Musik, als wenn alle Geigen der Welt spielen.“Bertha und Alfred entfremden sich, 1882 verlässt sie ihn.

Gegen Lebensende ist Krupp ein Misanthrop, der nicht loslassen kann. Historiker Harold James urteilt: „Die Firma wurde in Alfred Krupps letzten Lebensjahr­en starrer und verlor an Innovation­skraft.“

Auch Sohn Friedrich Alfred hat einiges auszuhalte­n. Seinen Wunsch, ein technische­s Studium in Braunschwe­ig aufzunehme­n, lehnt der Vater ab: Das sei nur etwas für Angestellt­e. Friedrich Alfred soll im Unternehme­n lernen. Er ist 33 Jahre alt, als Vater Alfred 1887 stirbt. Langjährig­e Wegbegleit­er trauen ihm den Job nicht zu – Friedrich Alfred war schon als Kind klein und kränklich, leidet unter starkem Asthma. Der Unterschät­zte verschafft sich wider Erwarten Respekt. Er verwissens­chaftlicht die Produktion, holt Experten aus Braunschwe­ig nach Essen. Zwar versucht Friedrich Alfred vordergrün­dig auch einen Kulturwand­el durchzuset­zen und das Betriebskl­ima etwa mit der Gründung von Bildungsve­reinen, der Ausrichtun­g von Konzertver­anstaltung­en und dem Bau weiterer Arbeitersi­edlungen zu verbessern. Letztlich hält aber auch er am Führungsst­il seines Vaters fest. Gegen die Bemühungen des Direktoriu­ms behält er sich bei allen wichtigen Dingen die alleinige Entscheidu­ng vor. Zugleich will er die öffentlich­e Meinung beeinfluss­en: Krupp gründet eine Art PR-Agentur, Nachrichte­nbüro genannt, das gezielt Beiträge im Sinne Krupps lancieren soll. Am Ende beteiligt er sich gar an der Gründung der propagandi­stischen „Süddeutsch­en Reichskorr­espondenz“.

Friedrich Albert bewundert seinen Kaiser Wilhelm II. Oft lädt er ihn in die Villa Hügel ein – was dem Geschäft zugute kommt, aber auch linke Kritiker auf den Plan ruft. Friedrich Alfred zieht sich zurück, am liebsten auf die Insel Capri.

Und dann der Skandal: Eine italienisc­he Zeitung veröffentl­icht Gerüchte, er habe an Orgien mit Männern und Jungen teilgenomm­en. Die SPD-Zeitung „Vorwärts“greift das auf. Im Frühjahr 1902 erscheint ein Artikel, in dem Krupp der Homosexual­ität bezichtigt wird, damals ein Straftatbe­stand. Zwei Tage nach Veröffentl­ichung ist Friedrich Alfred Krupp tot. Hirnschlag, lautet die offizielle Version. Die vorangegan­genen Ereignisse befeuern Suizidtheo­rien.

Friedrich Alfred hinterläss­t keine Söhne, die Firma fällt an die älteste Tochter Bertha. Eine aktive Rolle ist ihr nicht zugedacht, die übernimmt ihr Mann, der Diplomat Gustav von Bohlen und Halbach. Dass Gustav Arbeitslos­e vor dem Schalter einer Stempelste­lle. In der Weltwirtsc­haftskrise sinkt die Beschäftig­tenzahl binnen vier Jahren auf die Hälfte. kein echter Krupp ist, will er durch Pflichterf­üllung mehr als wettmachen. Er wolle krupp’scher sein als ein Krupp, heißt es lästerlich. Als einzige Zerstreuun­g gönnt er sich die Jagd, ein wenig Reiterei und das Durchforst­en von Eisenbahnf­ahrplänen auf Fehler. Sein Pünktlichk­eitsfetisc­h ist legendär. Der Tagesablau­f auf der Villa Hügel wird nach der Stoppuhr getaktet. Das betrifft die Familie, Bedienstet­e und selbst Kunden.

Geschäftli­ch läuft es für Gustav, der sich nun Krupp von Bohlen und Halbach nennen darf, glänzend. Im Ersten Weltkrieg produziert Krupp Millionen Granaten und Geschütze. Doch die anderen Nationen haben inzwischen weit moderneres Kriegsgerä­t. Einen Plan für Friedensze­iten hat Gustav nicht. Und so gerät Krupp nach dem Frieden von Versailles an den Rand des Ruins, es kommt zu Massenentl­assungen.

Den Nationalso­zialisten begegnen die Krupps zunächst reserviert – Bertha Krupp soll Tränen in den Augen gehabt haben, als Jahre später Alfried Krupp von Bohlen und Halbach (Mitte) wird vorzeitig aus der Haft entlassen. in Essen die Flaggen mit den Krupp-Ringen durch Hakenkreuz-Flaggen ersetzt wurden. Die Skepsis währt nicht lange. Gustav und sein ältester Sohn Alfried, der ab 1938 dem Vorstand angehört, betreiben bald die Wiederaufr­üstung für die Nazis mit. Schon ab 1934 macht sich das in den Bilanzen bemerkbar.

Für die Nazis ist Krupp willkommen­es Symbol. „Hart wie Kruppstahl“solle die Jugend sein, verlangt Adolf Hitler. Alfried Krupp tritt 1931 als „förderndes Mitglied“der SS bei. NSDAP-Mitglied wird er ein Jahr vor Kriegsausb­ruch, wie der Historiker Harold James weiter ausführt.

1940 macht Hitler persönlich Gustav die Aufwartung. Es ist Krupps 70. Geburtstag. Er ist gesundheit­lich angeschlag­en, zieht sich immer stärker aus dem Tagesgesch­äft zurück. Krupp braucht wegen des Krieges dringend Arbeitskrä­fte. Von 1942 an werden immer mehr russische Kriegsge- Mit dem Tod von Alfried geht das Vermögen einschließ­lich der Firma auf die Krupp-Stiftung über. Beitz (r.) hatte den letzten Krupp, Arndt, zum Verzicht auf sein Erbe überredet. Beitz beruft Gerhar me zum neuen Vors den der Krupp Stah

 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany