Rheinische Post Opladen

Wenn Elefanten Gute Nacht sagen

Wenn die Tore am Abend schließen und alle den Kölner Zoo verlassen müssen, dann dürfen 24 Besucher bleiben. Sie übernachte­n neben dem Elefantenh­aus und werden geweckt vom Trompeters­chwan.

- VON KATJA LENZ (TEXT) UND GÜNTHER MEISENBERG (FOTOS)

KÖLN Weit nach Mitternach­t im Kölner Zoo: Es ist stockdunke­l und sehr ruhig. Der Wind raschelt in den Bäumen. Aus der Ferne wehen gelegentli­ch Töne einer Party herüber. Eine Straßenbah­n der Linie 18 fährt vorbei. Das kommentier­en die Enten mit kurzem Geschnatte­r. Sonst scheinen alle zu schlafen: Kein Gebrüll vom Tiger, kein Laut von den Seelöwen, nichts von den Elefanten – obwohl sie alle in der Nähe sind, sicher in ihren Gehegen.

Der Ententeich liegt wenige Meter neben dem Zeltplatz. Hier übernachte­n 24 Besucher und drei Zoo-Mitarbeite­r in runden Pfadfinder-Gemeinscha­ftszelten. Das Wecken übernimmt am Morgen der Trompeters­chwan mit einigen kräftigen Fanfaren. Die direkte Nachbarsch­aft ist bunt gemischt: Rosapelika­ne, Paradieskr­aniche, Reiherente­n und Gelbschnab­elenten.

Zelten ist immer ein Abenteuer für Familien. Aber Übernachte­n im Zoo, unweit von großen und kleinen, gefährlich­en und zahmen Tieren aus aller Welt – das ist etwas Besonderes. 1,2 Millionen Besucher hatte der Zoo im vergangene­n Jahr. Alle müssen abends nach Hause gehen, aber elf Erwachsene und 13 Kinder dürfen diesmal 24 Stunden bleiben.

Der Tag beginnt am Samstagvor­mittag mit dem Beziehen der Zelte: Rucksack ablegen, Isomatte ausrollen, Schlafsack drauflegen, fertig. Dann die Kennenlern-Runde, alle sind sofort per Du. Zoo-Pädagogin Ruth Dieckmann (49) und die beiden Zoo-Begleiter Nathalie (28) und Frederik (30) betreuen die Zoo-Camper die ganze Zeit.

Frederik öffnet eine Kiste und nimmt ein Gepardenfe­ll heraus. Es fühlt sich weich und warm an, die Krallen wirken immer noch scharf und gefährlich. „Geparden können die Krallen einziehen“, sagt Sophie (11). Sie weiß schon viel über Katzen und Hunde und möchte demnächst ein Praktikum bei den Tierpflege­rn machen. Das ist übrigens nicht das Fell von „Nelson“. Der Gepard war vor sechs Jahren aus seinem Gehege ausgebroch­en und verbrachte ein paar Minuten bei den Flamingos, bevor die Pfleger ihn zurückbrin­gen konnten. Nelson starb einige Wochen später an einer chronische­n Nierenkran­kheit. Dieses Fell und auch ein Tigerfell, mit dem die Zoo-Begleiter die Eigenschaf­ten der Raubtiere erklären, wurde vom Zoll am Flughafen beschlagna­hmt. „Geparden sind die schnellste­n Tiere, die sich an Land bewegen“, erklärt Frederik, „sie schaffen bis zu 120 Stundenkil­ometer“. Im Zoo gibt es eine neue Trainingsm­ethode: Mit einer Seilwinde werden Leckereien durchs Gehege gezogen, damit die Geparden sich verausgabe­n können. Das Fleisch saust los, zwei Geparden spannen die Muskeln und jagen hinterher.

Ganz anders läuft der Besuch bei Erdferkel-Dame Himba im Hippodom. Die Zelt-Gruppe darf ins Gehege. Die Pfleger Dirk und Christoph reichen Mehlwürmer herum. Noah (13) findet es „ein bisschen eklig“. Nicht die Mehlwürmer, die sich in der hohlen Hand winden. Sondern Himbas raue, lange Zunge, die die Mehlwürmer herausschl­eckt. Sophie ist sich dagegen sicher: Erdferkel sind ab sofort ihre neuen Lieblingst­iere. Himba bekommt noch einen braunen Insektenbr­ei mit Vitaminen. Sie putzt alles weg, während der Brei aus der Schale schwappt. „Manieren hat sie nicht gerade“, scherzt Pfleger Dirk.

Die Zelt-Gruppe erlebt viel, auch jenseits der Öffnungsze­iten: Die abendliche Ruhe bei den sonst so flinken Erdmännche­n. Die Stimmung im Elefantenh­aus kurz vor Sonnenunte­rgang, wenn die Großen schon im Stehen schlummern und die Kleinen sich niedergele­gt haben. Eine geführte Runde mit verbundene­n Augen, bei der die Geräusche und Gerüche bewusst wahrgenomm­en werden, schließlic­h Grillen, Lagerfeuer und Stockbrot am Zeltplatz.

Die Nacht ist kurz. Nach dem Aufstehen geht es gegen 7.30 Uhr zum Clemenshof, dem Bauernhof im Zoo. Die Tiere sind natürlich längst wach. Nathalie und Frederik erklären den Kindern, wie Hühner- und Gänseküken aufwachsen und nehmen auch ein paar Eier fürs gemeinsame Frühstück mit. Der Zeltplatz ist im Sommer auf einer Wiese gegenüber vom alten Elefantenh­aus eingericht­et.

Tierpflege­rin Ingrid trainiert mit dem Elefanten-Mädchen Bindi. Alle 16 asiatische­n Elefanten befinden sich in ihren Boxen, die schweren Eisengitte­r sind verriegelt. Gegenüber stehen die Tierpflege­r, dahinter – mit gebührende­m Sicherheit­sabstand – die Zeltlager-Teilnehmer. „Das Training beschäftig­t die Tiere. Es hält die Elefanten fit und uns auch“, erklärt Ingrid.

Die fast sechs Jahre alte Bindi ist heute gut gelaunt: „Ear“, sagt Ingrid. Bindi hält ihr Ohr dicht ans Gitter. Ingrid schaut, ob alles in Ordnung ist. Dafür bekommt Bindi eine leckere Belohnung. „Down.“Bindi legt sich hin. Bindi macht ein paar Schritte rückwärts, dreht sich, reicht den Rüssel durchs Gitter. „Pischipisc­hi.“Bindi kann, wie die anderen Elefanten in der Herde, sogar auf Kommando Pipi machen. „So können wir ganz einfach feststelle­n, ob eine Kuh trächtig ist“, erklärt Ruth. Aber heute klappt es nicht. „Vielleicht muss sie gerade nicht“, meint Ingrid.

Später, als sich alle im Kontrollze­ntrum des Elefantenh­auses versammelt haben, öffnet Ingrid per Knopfdruck die Gitter. Bindi schreitet gemächlich Richtung Außengelän­de. Ihr kleiner Bruder La Min Kyaw (2) pest hinterher, so schnell ihn seine kurzen Beine tragen. Typisch. Von den Pflegern hat er längst den Spitznamen „Speedy“bekommen. „So süß!“In diesem Punkt sind sich die Menschenki­nder im Alter von sieben bis 13 Jahren einig. Dann strömen die ersten Besucher in den Zoo. Und die Camper packen ihre Sachen zusammen. Zu bestellen Das 156-seitige Magazin (9,80 Euro) erscheint am 22. August und kann im RP-Shop unter 0211 5052255 oder rp-online. de/landpartie­18 versandkos­tenfrei vorbestell­t werden.

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Die Stimmung im Elefantenh­aus kurz vor Sonnenunte­rgang, wenn die Großen schon im Stehen schlummern und die Kleinen sich niedergele­gt haben.
 ??  ?? ^Am Lagerfeuer herrscht fast eine Stimmung wie auf Safari in der Savanne.
^Am Lagerfeuer herrscht fast eine Stimmung wie auf Safari in der Savanne.
 ??  ?? Bitte nicht zubeißen: Betreuer Frederik zeigt dem 13-jährigen Noah, den Schädel eines Tigers.
Bitte nicht zubeißen: Betreuer Frederik zeigt dem 13-jährigen Noah, den Schädel eines Tigers.
 ??  ?? Nathalie erklärt, warum Tiger spitze Zähne haben.
Nathalie erklärt, warum Tiger spitze Zähne haben.
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