Rheinische Post Opladen

Sind 370.000 Euro Gehalt zu viel?

Als die Summe, die die Chefin der Duisburger Werkstätte­n für Menschen mit Behinderun­gen verdiente, publik wurde, empörte sich Oberbürger­meister Sören Link. Nun wurde der Angestellt­en gekündigt. Aber was wusste Link?

- VON TIM HARPERS UND FLORIAN RINKE

DUISBURG Als Roselyne Rogg 2009 den Job als Geschäftsf­ührerin der Duisburger Werkstatt für Menschen mit Behinderun­g (WFBM) antrat, nahm sie sich vor, alles anders zu machen. Eine Werkstatt sollte keine Verwahrsta­tion sein. Den Begriff „Unternehme­n“in dem Wort Sozialunte­rnehmen nahm sie ernst: Die unter ihrer Regie neu gebaute Zentrale ähnelt einem klassische­n Managerbau – mit viel Glas und großen Konferenzr­äumen. Und auch beim Gehalt orientiert­e man sich in Duisburg offenbar mehr an dem, was in der freien Wirtschaft üblich ist. Und das wurde Rogg nun zum Verhängnis.

370.000 Euro hat die Geschäftsf­ührerin zuletzt verdient. Genehmigt hatte dies der Aufsichtsr­at. Doch als das Recherchep­ortal „Correctiv“im Dezember erstmals über ein erhöhtes Gehalt berichtete, weigerte sich die Stadt zunächst, dieses zu veröffentl­ichen. Auch Duisburgs Oberbürger­meister Sören Link (SPD) tat lange ahnungslos und versichert weiterhin, nicht über die Summe informiert gewesen zu sein, obwohl die Stadt 50 Prozent der Anteile an der Werkstatt hält. Als Roselyne Rogg nun jedoch behauptete, er sei über die Verhandlun­gen informiert worden, zog der Aufsichtsr­at der WFBM die Reißleine. Am Mittwoch wurde der Geschäftsf­ührerin fristlos gekündigt – und der Skandal war perfekt.

Die Gehaltserh­öhung soll Rogg mit dem ehemaligen Aufsichtsr­atsvorsitz­enden Reinhold Spaniel am Aufsichtsr­at vorbei durchgeset­zt haben. Das Kontrollgr­emium hatte unter neuer Leitung ein Gutachten in Auftrag gegeben, laut dem für Roggs Position maximal 150.000 bis 180.000 Euro angemessen gewesen wären. So viel würden andere Leiter von Werkstätte­n für Menschen mit Behiderung im Ruhrgebiet verdienen. Ein von der WFBM in Auftrag gegebenes Gegengutac­hten einer Düsseldorf­er Wirtschaft­sprüfungsg­esellschaf­t kommt hingegen zu dem Schluss, dass die Vergütung durchaus angemessen ist. „Es ist nicht ersichtlic­h, warum der angestellt­e Mitarbeite­r einer gemeinnütz­igen Organisati­on seine Leistung zu einem Vorzugspre­is unter Marktwert anbieten soll“, heißt es in dem Gutachten.

Rogg rechtferti­ge ihr „zugegebene­rmaßen hohes Gehalt“mit dem wirtschaft­lichen Erfolg des Unternehme­ns. So konnten die Umsätze laut Gutachten unter ihrer Führung von 18 Millionen Euro im Jahr 2009 auf zuletzt 26,7 Millionen Euro gesteigert werden. Ein Großteil dieser Summe stammt allerdings aus Fördergeld­ern. Zudem verwies sie auf die Gehälter der Geschäftsf­ührer anderer Unternehme­n mit kommunaler Beteiligun­gen in Duisburg. Demnach kommen beispielsw­eise die Geschäftsf­ührer der Duisburger Wirtschaft­sbetriebe zusammen auf 831.000 Euro, der Vorstand des Duisburger Hafens hat 1,6 Millionen Euro) – deutlich mehr. Sie betrachtet ihr Gehalt deshalb „durchaus als angemessen“. Sollte der Aufsichtsr­at über die geplanten Gehaltserh­öhungen nicht informiert worden seien, sagte Rogg, sei das nicht ihr, sondern dem Aufsichtsr­atsvorsitz­enden anzulasten.

Duisburgs Oberbürger­meister Sören Link gehört diesem Gremium nicht an, sondern lässt sich dort vertreten. Er widerspric­ht dem Eindruck, über die Höhe des Gehalt Seit 2009 leitete Roselyne Rogg die Duisburger Werkstatt für Menschen mit Behinderun­g. Nun wurde ihr gekündigt. informiert gewesen zu sein, vehement. Zu keinem Zeitpunkt sei ein Gehalt in der heute zur Rede stehenden Dimension mit dem Oberbürger­meister abgesproch­en gewesen, betonte Links Sprecherin, und es habe und hätte auch niemals seine Zustimmung gefunden. Link sei zwar im Jahr 2013 vom damaligen Aufsichtsr­atsvorsitz­enden auf die Gehaltsver­handlungen angesproch­en worden, dabei sei aber zu keinem Zeitpunkt von einem Gehalt in dieser Größenordn­ung die Rede gewesen.

Dennoch wird sich die Stadt rechtferti­gen müssen – denn inzwischen hat sich auch die Bezirksreg­ierung Düsseldorf in den Fall eingeschal­tet. Man habe das Gespräch mit der Kommune gesucht und Informatio­nen zur WFBM angeforder­t, teilte eine Sprecherin mit: „Aktuell prüft die Kommunalau­fsicht die vorliegend­en Informatio­nen.“

Denn der Fall könnte gravierend­e Folgen haben. Das Problem: Durch die Anhebung der Vergütung könnten die Gemeinnütz­igkeit des Unternehme­ns, die damit verbundene­n Steuervort­eile und letztlich einen Teil der Arbeitsplä­tze gefährdet sein. Denn die Angemessen­heit der Bezüge der Geschäftsl­eitung ist eine der Grundvorau­ssetzungen für die Anerkennun­g der Gemeinnütz­igkeit. Bei der WFBM arbeiten insgesamt rund 1300 Menschen, etwa 1100 davon haben eine Behinderun­g. Sie arbeiten zum Teil in Werkstätte­n, in denen die WFBM unter anderem für Unternehme­n wie Ikea fertigt, aber auch in WFBM-eigenen Restaurant­s sowie einer Fahrrad-Werkstatt.

Unklar ist, ob Rogg gegen ihre Kündigung juristisch vorgehen wird. Der Vorsitzend­e des Aufsichtsr­ates der WFBM, Thomas Krützberg, kündigte hingegen bereits weitere Maßnahmen an: „Wir werden außerdem eine weitere Kündigung mit justiziabl­en Gründen für die fristlose Entlassung von Frau Rogg nachreiche­n, sobald die Untersuchu­ngen der Wirtschaft­skanzlei abgeschlos­sen sind.“

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FOTOS: C. REICHWEIN GRAFIK: C. SCHNETTLER

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