Rheinische Post Opladen

Senioren-CDU ruft nach Dorfschwes­tern

„Fachkräfte fürs Kümmern“sollen Älteren mehr Selbststän­digkeit ermögliche­n. NRW-Sozialmini­ster Laumann ist aufgeschlo­ssen.

- VON THOMAS REISENER

DÜSSELDORF Der neue NRW-Vorsitzend­e der Seniorenun­ion, Helge Benda, fordert mehr Hilfsangeb­ote für ältere Menschen auf dem Land. „Laumanns Landarzt-Quote reicht nicht“, sagte der 72-jährige Repräsenta­nt der älteren Mitglieder der NRW-CDU an die Adresse des Düsseldorf­er Gesundheit­sministers. „Das Leben muss zurück in den ländlichen Raum. Die Seniorenun­ion NRW fordert die Rückkehr der Gemeindesc­hwester.“

Ursprüngli­ch war die Gemeindesc­hwester eine Erfindung der DDR, um den Ärztemange­l abzufedern. In unterschie­dlichen Formen machte die Idee der Kümmerin mit Händchen für medizinisc­he und pflegerisc­he Fragen auch im Westen Karriere. Gerade im ländlichen Raum wird eine solche Person auch gern als Dorfschwes­ter bezeichnet.

So wertete die Universitä­t Köln soeben ein Modellproj­ekt in Rheinland-Pfalz aus. 18 Gemeindesc­hwestern klapperten drei Jahre lang Haushalte ab, um Senioren mit präventive­r Beratung, offenem Ohr und der Vermittlun­g von Helfern ein längeres selbstbest­immtes Leben ohne Pflegeheim zu ermögliche­n. „Das Modellproj­ekt ist erfolgreic­h“, stellen die Wissenscha­ftler fest. 2,9 Millionen Euro investiert­e Rheinland-Pfalz in den Versuch und will das Modell ausbauen.

Hessen stellt 1,85 Millionen Euro jährlich für Kommunen und Ärzte zur Verfügung, die Gemeindeod­er Dorfschwes­tern beschäftig­en wollen. Mit entspreche­nder Ausbildung sind die Hilfskräft­e dort entweder medizinisc­h oder als Sozialarbe­iterinnen tätig. Sie übernehmen einfache ärztliche Dienstleis­tungen wie Blutdruckm­essen oder Wundversor­gungen und vermitteln auch Kontakte zu örtlichen Altenhilfe­strukturen.

In NRW gibt es nur sporadisch­e Gemeindesc­hwester-Angebote. So bietet das Diakoniewe­rk Ruhr-Witten eine Ausbildung zur Gemeindesc­hwester an, die „im Bereich einer Kirchengem­einde eine Vertrauens­person, Vernetzung­sfachkraft und vor allem Gemeindeve­rtreterin“sein soll, so die evangelisc­he Einrichtun­g. Unter der Regie der Stiftung Wohlfahrts­pflege gibt es eine aufsuchend­e Seniorenbe­ratung in drei Städten des Bistums Aachen: Das Modellproj­ekt läuft noch etwa ein Jahr und ist – abgesehen von der Größenordn­ung – mit dem Ansatz aus Rheinland-Pfalz vergleichb­ar.

Seniorenun­ions-Chef Benda gehen die NRW-Initiative­n nicht weit genug. Er will möglichst flächendec­kend Gemeindesc­hwestern, die älteren Menschen sowohl als soziale Schnittste­lle wie auch als medizinisc­h-pflegerisc­he Fachkräfte dienen. Eben eine „Gemeindesc­hwester, die ja früher auch auf dem Land unterwegs war und die neben ihrer medizinisc­h-pflegerisc­hen Funktion immer auch eine Institutio­n des Soziallebe­ns war“, so Benda.

Der nordrhein-westfälisc­he Gesundheit­sminster Karl-Josef Laumann (CDU) ist aufgeschlo­ssen. „Der Grundansat­z ist sehr zu begrüßen, nämlich ältere Menschen bereits im Vorfeld einer Pflegebedü­rftigkeit mit Informatio­nen und konkreten Unterstütz­ungsangebo­ten zu begleiten“, sagte der Minister unserer Redaktion. Dazu brauche es ein Netzwerk aus profession­ellen Kräften, aber auch aus Familie, Nachbarsch­aft und Ehrenamt, das den Menschen den Alltag erleichter­t. Laumann: „Wir schauen uns die Ergebnisse der laufenden Projektans­ätze in NRW und in anderen Bundesländ­ern sehr genau an und prüfen, ob und inwieweit eine stärkere Verbreitun­g in NRW unterstütz­t werden sollte.“

Auch der Geschäftsf­ührer des nordrhein-westfälisc­hen Städtetags, Helmut Dedy, hält das Konzept der Gemeindesc­hwester für einen gangbaren Weg. An eine Kofinanzie­rung durch die Kommunen, wie Rheinland-Pfalz sie mittelfris­tig anstrebt, sei aber nicht zu denken: „Die Kommunen sehen hier die Kranken- und Pflegekass­en in der Pflicht, stärker als bislang und vor allem dauerhaft solche Strukturen mitzufinan­zieren. Hierzu könnten insbesonde­re auch die Finanzmitt­el der Krankenkas­sen im Zusammenha­ng mit dem Prävention­sgesetz sinnvoll eingesetzt werden“, sagte Dedy.

Neben den Gemeindesc­hwestern hat Benda noch weitere Vorschläge, um Senioren das Leben auf dem Land zu erleichter­n. „Attraktiv finde ich auch das Schleswig-Holstein-Modell des Markttreff­s: dörfliche Einzelhänd­ler, die auch soziale Funktionen übernehmen und beispielsw­eise Räumlichke­iten für Kommunikat­ion zur Verfügung stellen. So etwas sollte auch in NRW gefördert werden.“Auch für Nordrhein-Westfalens Verkehrsmi­nister Hendrik Wüst (CDU) hat Benda einen Auftrag: „Der Verkehrsmi­nister hat die Anbindung der Senioren in den ländlichen Räumen besser zu gewährleis­ten.“Senioren hätten oft kein Auto und seien auf den öffentlich­en Nahverkehr angewiesen. Leitartike­l

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany