Rheinische Post Opladen

Senioren auf dem Land nicht vergessen

- VON THOMAS REISENER

NRW gibt sich Mühe, die Infrastruk­tur auf dem Land zu modernisie­ren. Bessere Straßen, Wirtschaft­s-Fördergeld­er und schnellere­s Internet sollen verhindern, dass die Unternehme­n abwandern und mit ihnen die Gutverdien­er, die für Kaufkraft vor Ort sorgen. Gut so. Aber die Förderung der ländlichen Räume darf sich nicht auf wirtschaft­srelevante Projekte beschränke­n. Auch auf dem Land wollen die Menschen nicht nur arbeiten. Sie brauchen soziale Strukturen, die gerade abseits der Städte Voraussetz­ung für Gemeinscha­ftsgefühl und regionale Identifika­tion sind.

Der aktivere Teil der ländlichen Bevölkerun­g engagiert sich deshalb gerne in Vereinen, im Brauchtum, im Ehrenamt oder in politische­n Initiative­n. Dazwischen wächst kaum beachtet die Zahl der Alten, die zu betagt und zu gebrechlic­h sind, um aus eigener Kraft Anschluss zu halten. Über eine Million Menschen in NRW sind heute schon über 80. Mehr als die Hälfte von ihnen lebt allein, und ein Drittel ist pflegebedü­rftig. Im Schnitt haben sie monatlich 1480 Euro zum Leben. Oft sind die Kinder längst fortgezoge­n, ist der Lebenspart­ner, sind ihre Freunde schon lange verstorben. Viele Alte ziehen sich zurück in ihre Einsamkeit und werden dadurch unsichtbar. Für das Leben im Dorf, aber auch für die Politik. Die wachsende Zahl der einsamen Alten auf dem Land, die nicht mal eben wie ihre Altersgeno­ssen in der Stadt zum Tanztee oder ins Theater gehen können, ist die soziale Kehrseite der steigenden Lebenserwa­rtung. er Einsatz von Gemeindesc­hwestern, den die Seniorenun­ion vorschlägt, wäre eine Antwort: eine gute Seele, die regelmäßig vorbeischa­ut. Die nicht nur medizinisc­hes und pflegerisc­hes Geschick mitbringt, sondern vielleicht auch mal ein bisschen Zeit. Ein offenes Ohr für die, denen nur noch wenige zuhören. Und offene Augen für einen Alten-Haushalt, der sonst vielleicht unbemerkt aus den Fugen gerät. Landesregi­erung, Kommunen und Ärzteverbä­nde sind aufgeschlo­ssen. Nur bei der Frage der Finanzieru­ng verweist jeder auf den anderen. Das ist kleinlich. Die niedrigen einstellig­en Millionenb­eträge, die Hessen und Rheinland-Pfalz jährlich in nachweisli­ch erfolgreic­he Modellproj­ekte investiere­n, sollte sich NRW auch leisten können. Ein Feldversuc­h wäre zumindest mal ein Anfang.

Es ist ein Gebot des Anstandes, auch Alten das Leben in ihrer vertrauten Heimat zu ermögliche­n. Die Landarzt-Quote, mit der Gesundheit­sminister Laumann die medizinisc­he Versorgung in der Fläche sichern will, ist richtig. Gemeindesc­hwestern wären dazu die ideale Ergänzung. Und günstiger als Landärzte sind Gemeindesc­hwestern allemal.

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